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Heimatzeitung der Gemeinde Staufenberg
Ausgabe 18/2025
Heimatpflege
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Heimatpflege

Hund an Kette mit Hütte

Erich und Bella 1933

Jauchefüller

Jauchefass am Dorfmuseum 2004

Blick auf Nienhagen 1938

Von Erich Haldorn

Teil 1

Ich bin 1927 geboren und 98 Jahre alt und kann mich noch gut erinnern. an die Lebensweise vor fast 100 Jahren in Nienhagen. Ähnliche Verhältnisse gab es auch in den Nachbar Dörfern. Es war nicht die gute alte Zeit, die man heute oft zitiert. Ein Vergleich der Lebensweise mit den dreißiger Jahren und zu 2025 ist unvorstellbar.

Wenn man heute im Jahr 2025 durch das Dorf Nienhagen geht bzw. fährt, hat es städtischen Charakter. Keine gepflasterten Straßen mit Gossen, sondern Asphalt Straßen mit Bürgersteig. Man sieht keine Kinder auf der Straße spielen, man sieht kein Huhn, Hund oder Gans. Ich kann mich noch als fünfjähriger erinnern an die Anfänge der dreißiger Jahre v.J. Hühner und Gänse und Hunde liefen auf der Straße. Fast jedes Haus hatte einen Hofhund. Der Hund war draußen auf dem Hof an einer Kette angebunden und hatte eine Hundehütte. Im Winter wurde ein Sack vor die Hütte gehangen. Der alte Widietz, der alte König und Robert und Christoph Bretthauer hatten keine Hunde. Sogar Lehrer Heinrich Kolbe hatte einen Hund draußen an der Kette. Mein Vater hatte einen älteren Polizei Schäferhund aus Münden mitgebracht. Auch der war draußen angebunden. Er hieß Bella. Wir Kinder hatten mit Bella große Freude. Wenn wir einen Stock nahmen und spuckten an den Stock und warfen ihn nach vorn, holte er uns den Stock. Auch konnten wir ein Gegenstand wo er vorher dran gerochen hatte Verstecken und sagten Bella such, dann suchte er und fand das Verstecke. Es war eben ein Polizeihund und hatte das gelernt. Es wurde kein Hund gekauft, sondern wenn eine Hündin von jemand im Dorf kleine Hunde hatte, sagte man zum Besitzer des Hundes, ich möchte gern ein kleinen Hund von Dir. Natürlich kostete der nichts. Heute kostet ein Rassehund 2000,00 €. Umgerechnet waren das in den dreißiger Jahren etwa 4000,00 Mark. Man konnte in den dreißiger Jahren v.J. für den Betrag, 10 gute Milch- und Anspannkühe kaufen. In der Erntezeit im Herbst wenn die Kuh- und Pferdewagen das Getreide von den Feldern in die Scheunen fuhren, liefen die Gänse und Hühner hinter den Wagen her und suchten die Körner die von den Wagen fielen. Man konnte sehen wie die Gänse mit ihren langen Hälsen die Körner aus den hinteren Teil des Leiterwagens Wagens zogen.

Wenn es geregnet hatte, gingen Hühner und Gänse in die Gossen an die gepflasterten Straßenränder und tranken das Regenwasser. Es gab keine Kanalisation, der Begriff Kanalisation war gar nicht bekannt

Das Abwasser aus den Häusern wurde oft in die Gossen abgeleitet. Ab der Kirche bis in die Ingelheim waren links und rechts an der gepflasterten Dorfstraße eine Vertiefung die man Gossen nannte. An der Landstraße nach Escherode, hatte man unter der Straße ein Kanal gelegt. Das Ende der Gossen war die Ingelheim. Die Gossen im Oberdorf führten rechts neben der Kirche am Haus Müller vorbei in den sogenannten Floss graben, der dann die Abwässer in die Ingelheim leitete.

Interessant war es zu beobachten, wenn es stark regnete, wurde die Jauche aus den kleinen Jauchegruben in die Gosse geschüttet. Die Ställe waren oft unten im Wohnhaus, die Jauchegrube neben der Miste vorm Haus, etwa 2 x 1 Meter und 75 tief, und mit einer Holz-Klappe abgedeckt.

Die Jauche wurde oft mit einem Handwagen und einem kleinem Jauchefass auf die Felder gefahren. Man hatte keine Jauchepumpe, sondern einen Jaucheschöffer. Der Jaucheschöffer fasste etwa 4-5 Liter und hatte einen längeren Stiehl. Wir sagten Jauchefüller dazu. Mit dem Jauchefüller schütteten einige die Jauche wenn es regnete in die Straßengosse, man hatte somit erspart die Jauche aufs Feld zu fahren. Man hatte Ziegen und Schweine. Die Gruben war zum Teil mit Regenwasser von der Miste gefüllt. Ich habe gesehen wie Onkel Robert die Jauche bei Regenwetter in die Gosse schüttete. Das Regenwasser mit Jauche floss in der Gosse und braun gefärbt in die Ingelheim.

Niemand hat sich darüber aufgeregt. Wenn man keine große Jauchegrube hatte, hatte man ein sogenanntes trocken Klo. Dieses war meistens unten im Stall. Öfters wurde Kalk auf den Kot gestreut. Wenn der Kot zu hoch lag, fuhr man den Mist in den Garten.

Es gab in Nienhagen etwa 5-6 Bauern die zwei Pferde hatten. Adolf Gerwig und Schwager Karl Hesse hatten jeder ein Pferd und spannten zusammen als Gespann.. Adam Kaufmann hatte ein Pferd und nahm eine Kuh als Gespann für Feldarbeiten. Die meisten kleineren Landwirte hatten Kühe, womit sie ihre Felder bearbeiteten. Die größeren Bauern mit Pferdegespanne, hatten sogenannte Tagelöhner. Die Tagelöhner hatten ein Stück Ackerland, Ziegen und Schweine. Deren Äcker wurden von einem Bauern mit Pferden bearbeitet. Dafür mussten die Tagelöhner bei den Bauern bei der Ernte und bei sonstigen anfallenden Arbeiten zur Hilfe bereit sein. Die Tätigkeiten beiderseits wurden mit Geld verrechnet. Wie Ferdinand Kraft mir berichtete, wurde der Tagelohn bei den Bauern mit Verpflegung mit 50 Pfg. angesetzt. Der Bauer nahm für eine Fuhre Mist aufs Feld fahren 1,00 Mark, ebenso für eine Fuhre Holz aus dem Wald holen. Am Jahresende wurde abgerechnet. Öfters musste der Tagelöhner noch zuzahlen.

Etwa 1905-10, hat sich nach Aussage meines Vaters folgendes zugetragen mit dem Tagelöhner und der Abrechnung mit Bauer in Nienhagen. Ludwig Wiemer war beim Bauer Sch-----.. Tagelöhner. Der Bauer kam am Jahresende zu Ludwig und hatte die Abrechnung aufgestellt für das alte Jahr. Nun stellte sich heraus, dass der Bauer mehr Geld zu bekommen hatte wie die Familie Wiemer an Arbeitseinsatz erbracht hatte. Ludwig Wiemer hatte 5 kleine Kinder. Ein Schwein und Ziege im Stall. Ludwig sagte zum Bauer, „ich habe kein Geld“. Der Bauer sagte, „Ludwig ist nicht schlimm, ich nehme dafür das „Schwinchen mit und du brauchst nichts mehr zahlen“. Das muss man sich mal vorstellen, das Schwein war für die große Familie eine wichtige Ernährungs- Grundlage. In den dreißiger Jahren v.J. gab es solche Vorkommnissen nicht mehr im Dorf. Ich weiß heute noch, welche Tagelöhner bei welchen Bauer sie tätig waren. Oft bestand zwischen der Familie des Bauern und der Familien der Tagelöhnern ein sehr gutes Verhältnis. Wenn Familienfeiern bei dem Bauern waren, wurden die Tagelöhner mit eingeladen.

In den dreißiger Jahren gab es noch keine Mähdrescher. Egal ob Hafer, Roggen oder Weizen Getreide wurde von den kleineren Landwirten mit der Sense geschnitten. Die Getreideart Gerste war noch unbekannt. Die größeren Bauern hatten schon zum Teil eine Mähmaschine, oder sie mähten die Getreidefelder mit mehreren Tagelöhner mit Frauen und Männer mit der Sense. Hier wurde im Gegensatz zu den kleineren Landwirten am Tage wesentlich größere Ernteflächen geschnitten.

Mein Vater mit der Sense, natürlich war die Sense mit einem Sack umwickelt wegen der Unfallgefahr. Mutter mit der Sichel und Götze auf dem Rücken und ich mit einer Bohnenstange in der Hand gingen auf Götz Acker, dies war eine Bezeichnung für die Feldlage. In der Götze hatte Mutter die Verpflegung und Malzkaffee für den Tag eingepackt. Wenn es sehr heiß war, holten wir Wasser aus dem Thieleborn. Da das Roggenstroh lang war und meinen Vater beim Mähen zurück auf die Sense fiel, musste ich rückwärts gehen und die Halme mit der Bohnenstange zurück drücken. Götz Acker hatte eine Größe von 25 ar, also ein Morgen, es war eine Tagesarbeit. Mutter musste das gemähte Getreide mit der Sichel immer noch vorn schieben bis sie meinte, dass gibt ein Bund.

Sie musste aber vorher ein Seil von dem Halmen unter das Bund legen und dann zusammen binden. Für mich war die Arbeit nicht schwer, aber langweilig. Wenn wir fertig waren, wurden die Bunde oder auch Garben genannt zu einem Haufen aufgestellt. Von links und rechts wurden die Garben zu zusammen gestellt. Die Haufen mussten einige Tage stehen bleiben und trocknen bevor sie in die Scheune gefahren wurden. Wenn dann einige Tage Regenwetter einsetzte wurden die Haufen umgestellt, etwas aufgelockert, damit der Wind und die Sonne trocknen konnte.

Es würde sich mein Bericht sehr in die Länge ziehen wenn ich all die schweißtreibenden Arbeiten die nach der Ernte auf dem Acker, wie die Abfuhr vom Feld in die Scheune, dass abladen sowie das Dreschen usw, noch beschreiben würde.

Fortsetzung folgt