Vesper bei der Kartoffelernte
Heu aufladen in den fünfziger Jahren
Von Erich Haldorn
Wenn man einen Vergleich zieht über die landwirtschaftlichen Arbeiten mit den Aufwand und der Quälerei von damals und den heutigen Tatsachen 2025 mit Bearbeitung der Äcker und der Ernte und das mit wenigen Landwirten und modernsten Maschinen betrachtet, ist es meiner Meinung ein revolutionärer Vorgang.
Bedingt durch die größeren umfangreichen Feldarbeiten die alljährlich, in der Landwirtschaft zu bewältigen waren, war man darauf angewiesen, dieses nur mit Bekannten, Verwandten oder der Nachbarschaft zu erledigen. Besonders bei der Kartoffelernte der Getreideernte und beim Dreschen war man auf die Mithilfe angewiesen.
Man nannte diese gegenseitige Hilfe „Widderhilfe“. Bei der Kartoffelernte waren in der Regel Frauen damit beschäftigt. Da die Kartoffeln mit einem Pflug, man sagte „aus geackert“ waren, mussten die Helfer auf den Knien auf dem Acker die Kartoffeln in die vor ihr liegenden Körbe werfen und nach vorn rutschen und die Körbe auch nach vorn werfen.
Die vollen Körbe ließ man hinter sich stehen. In den Korbwannen, die jede Frau von zuhause mitbrachte, waren meistens die Körbe gezeichnet mit Bindfäden, damit man Abends auch die eigene wieder mit nach Hause nahm. Ein männlicher Erntehelfer übernahm das Leeren der Kartoffelkörbe in die Säcke. Auch wurden die Kartoffeln je nach Größe in die Körbe getan. Die Dicken und die Kleinen je getrennt. Auch wurden oft für das nächste Jahr, die mittelgroßen Kartoffeln als Pflanzkartoffeln in einige Säcke gesammelt. Der Sackausschütter musste darauf achten, dass er die unterschiedlichen Größen in den Säcken mit einem Markierungszeichen versah. Meistens wurde unter den Bindfaden, womit der Sack verschlossen wurde, ein Stück Kartoffelkraut mit eingebunden. Auch hatte man oft die kleinere Säcke für die kleinen Kartoffeln genommen. Vorher wurde das mit dem Landwirt abgesprochen. Damit man nach Abfuhr vom Feld zuhause erkannte, welche Größe der Kartoffel in den Sack war. In den Keller hatte man Lager für große und kleine Kartoffeln. Die kleinen wurden für Schweinefutter als erste verfüttert.
Der Tag der Ernte wurde Wochen vorher bereits festgelegt. Das große Risiko war, hatte man Sonnenschein oder Regenwetter? Die Kleidung, die man für diese Arbeit trug, waren oft alte abgetragene Kleidungsstücke. Manchmal sahen die Helfer aus wie Vogelscheuchen. Meine Mutter und andere Frauen waren oft 4-5 Tage bei anderen Landwirten zum Kartoffel ausmachen (Widderhilfe). In den dreißiger Jahren hatte man keinen Kartoffelroder. Es wurde nur mit einem normalen Ackerpflug, man sagte aus geackert. In den Nachbardörfern wurde oft mit einer Gabel die Ernte durchgeführt.
Das Schönste bei der Kartoffelernte waren das Mittagessen und der Vesper. Hier wurde von der Hausfrau stets das Beste geboten. Mittags gab es oft warmes Essen. Später noch Kaffee trinken und zum Vesper die schöne „Ahle Worscht“ vom Winter. Besonders gut schmeckte die Blasenwurst, die wurde oft zurück gelegt für die Kartoffelernte. Auch gab es oft Gurke mit Schmalzenbrot.
Für den Landwirt und Helfer, die für den Transport, meistens mit Kühen, vom Feld in den Keller war es nicht leicht. Das Laden auf den Wagen wurde mit zwei Mann vorgenommen, man nahm einen dickeren Stock und fasste links und rechts den Stock in die Hand und warf den Sack mit Schwung auf den Wagen. Dann das Entleeren der Säcke zuhause. Oft waren die Keller sehr niedrig, man musste in gebückter Haltung mit dem Sack auf den Rücken die Kartoffeln in das Lager schütten.
Wenn es trockenes und warmes Wetter war, war eine große Körperpflege notwendig. Es gab aber keine Badewanne oder Dusche. In einer Wanne wurde sich gewaschen. Die Kleidung musste in die Wäsche. Wenn man zwei Tage Kartoffeln ausmachte, zog man die gleiche Kleidung an. Das muss man sich mal vorstellen, die Hausfrau und Mutter einige Tage von morgens 8.00 bis 17.00 Uhr auf dem Kartoffelfeld und zuhause musste ja noch den Haushalt und die Arbeiten in der eigenen Landwirtschaft wie das Melken der Kühe usw erledigt werden. Vater musste zur Arbeit. Unser Großvater und wir Kinder mussten einige Arbeiten übernehmen, die sonst Mutter übernahm. Einige Tage später nach unser Kartoffelernte mussten mein kleiner Bruder und ich mit Großvater mit Kuhgespann auf dem Kartoffelfeld mit einer Egge das Kraut zusammen harken und wenn es trocken war, wurde es angezündet und wir legten in das Feuer die noch liegen gebliebenen Kartoffeln. Die schmeckten nach dem Braten sehr gut.
Man sah in der Feldmark auf vielen Feldern den aufsteigenden Qualm, wo das Kraut auch verbrannt wurde. Wenn das Kartoffelkraut nass war fuhren wir das Kraut an den Uferrand unserer Wiese am Ingelheimbach. Wenn Hochwasser kam, wurde das Kraut mit weggespült. Nun begann das Pflügen vom Kartoffelacker. Großvater hatte einige Stöcke mit genommen, und stellte in der Mitte vom Acker einige Stöcke in die Erde. Ich musste die Kuh, man nannte sie Handkuh, am Kopf fassen und die Kühe führen. Großvater hinten am Pflug konnte gut sehen, ob ich das Gespann auf die Mitte der Stöcke führte. Wenn ich etwas nach rechts kam, rief er, „harin“, das hieß nach links. Wenn er „hotteweg“ rief, bedeutete es nach rechts. Diese Sprache war die allgemeine Richtungsangabe für die Gespanne von Kühen und Pferden. Wenn wir eine Runde gepflügt hatten, ging die rechte Kuh immer in der Furche... Mein Bruder und ich mussten dann nach Abmessung und Aufteilung vom Großvater der Strecke die aus gepflückten Kartoffeln, die die Lesefrauen übersehen hatten, aus der Furche auflesen. Wenn die Kühe den ganzen Tag vorm Pflug waren, sagte meine Mutter abends nach dem Melken, „die Kühen haben heute Abend wenig Milch gegebenen, ihr habt die Kühe zu stark gequält“. Für ein größeren Sack Lesekartoffeln erhielten wir 10 Pfg. für einen kleineren 5 Pfg. Dieses Geld wurde am Tag der Kirmes ausgezahlt. Wir erhielten aber immer mehr wie wir verdient hatten. Nach dem Eggen für das Saatbeet, kamen wieder Kartoffeln zum Vorschein. Das Schönste war immer, wenn wir auf dem Ackerwagen saßen und unser Frühstück einnahmen, was uns Mutter eingepackt hatte. Großvater erzählte uns aus seiner Militärzeit in Celle 1888 und von seiner Kindheit, sowie von der Kirmes auf den Dörfer wo er als Musiker gespielt hatte. Auch von der Zeche Steinberg wo er über 40 Jahre als Aufseher tätig war.
Dieses war immer sehr interessant und wir Kinder waren stolz auf Großvater. Für mich ist er 2025 noch ein großartiger und guter Mensch gewesen. Dieses Kartoffellesen auf den Feldern war in allen Familien das gleiche, meistens mussten die Kinder mit helfen. Bei den Bauern mussten auch zum Teil die Tagelöhner die Arbeit übernehmen. Es war nicht die schöne alte Zeit, von der man heute spricht.
Vor der Heuernte im Mai war die Zeit, wo die Maikäfer flogen. Einige Jungens aus dem Unterdorf, nahmen einen Fichtenbusch in die Hand und gingen am Mühlenweg auf Ulrichs Wiese und legten sich an einem Hang. Man konnte an den Hang gut sehen, wenn die Maikäfer sich vom Boden der Wiese erhoben zum Fliegen. Jetzt liefen wir schnell mit dem Busch und schlugen den Maikäfer nach unten auf die Wiese und taten ihn dann in eine leere Zigarrenkiste. Man legte einige grüne Blätter als Futter hinzu.
Sehr viele Maikäfer flogen damals, im Gegensatz zu heute. Durch das Laufen auf der Wiese, wurden die Gräser auf den Erdboden getreten, man konnte somit mit der Sense schlecht mähen. Der Eigentümer der Wiese Georg Ulrich kam gelaufen und rief „macht bloß schnell, dass ihr von der Wiese kommt“. Wir gingen am anderem Tag trotzdem wieder hin zum Maikäfer fangen. Einer von uns stand Schmiere und passte auf, wenn Georg Ulrich kam, sofort liefen wir weg. Wenn die Maikäfer nach einigen Tagen in der Kiste verendet waren, wurden sie den Hühnern vorgeworfen. An diesen Hang der Ulrichs Wiese ist heute der Kellereingang vom Haus der Familie Karl-Heinz Hallen.
Die Heuernte war stets eine schweißtreibende Arbeit. Die Sonne und hohe Temperaturen war hier sehr wichtig. Ich habe es nicht mehr erlebt, dass die Wiesen nur mit der Sense gemäht wurden. In den dreißiger Jahren hatten die Bauern mit Pferden bereits eine Mähmaschine. Nur vereinzelte Kuhbauern hatten eine solche. Das Ziehen der Maschine benötigte viel Kraft für die Kühe. Natürlich wollten auch die kleinen Landwirte eine Mähmaschine. Auch wir hatten mit dem Schwager meines Vaters gemeinsam eine Krupp Mähmaschine gekauft. Da wir Wiesen mit Hanglage hatten, konnten die Kühe die Maschine bergauf nicht ziehen. Wir fuhren die Mähmaschine mit den Kühen ohne zu mähen wieder bis oben zum Anfang der Wiese für den nächsten Schnitt bergab. Wenn der Mähbalken verstopft war, musste die Maschine rückwärts von uns geschoben werden um den Mähbalken zu säubern. Die Kühe konnten die Maschine nicht nach hinten schieben, es war Menschenkraft notwendig. Bei den Pferdegespannen war das kein Problem. Nach einem Jahr wurde diese Plagerei mit den Kühen nicht mehr vorgenommen. Mein Vater bestellte einen Bauer mit Pferden und zahlte dafür. Als Kind musste ich immer bei diesen Mähen mit Pferden dabei sein, mit einem Rechen in der Hand hinter der Maschine hergehen und das vereinzelt liegende Gras auf der Freifläche zurück zum gemähten Schwad mit dem Rechen freimachen. Wenn der Bauer Karl Schäfer für uns gemäht hatte, sagte er, „komm ich setzte dich aufs Pferd“. Es war ja gut gemeint, aber mit kurzer Hose und dann auf den Rücken vom Pferde mit dem Geschirr, das war für mich nicht angenehm, ja es war schmerzhaft. Zu Beginn musste das gemähte mit dem Rechen gestreut werden. Dann musste das Gras öfters gewendet werden. Je mehr Sonne und Hitze, desto schneller wurden die Gräser trocken. Es dauerte einige Tage. Dann kam der Großvater mit den Leiterwagen und den Kühen zur Abfuhr vom Heu nachhause. Meine Mutter auf dem Wagen zum Laden und hier war besondere Erfahrung erforderlich. Mein Vater gabelte das Heu auf den Wagen. Wir mussten das liegen gebliebene Gras, wir sagten, nach rechen, weiter auf das noch liegende Heu schieben. Dann wurde ein Heubaum auf den Wagen gelegt und mit Ketten angespannt, damit das ganze wie ein Paket zusammen gehalten wurde.
Wenn nicht richtig geladen war, rutschte auf dem Nachhauseweg das Heu auf die Straße. Zum Schluss wurde ein, wir nannten es „Kruttuch“. Ein größeres Tuch mit vier kleinen Stricken an den vier Seiten, an die Ketten hinten am Wagen gebunden und das verlorene Heu auf der Straße wurde in das „Krurtuch“ getan. Mein kleiner Bruder oder ich bekamen beim Aufladen vom Heu einen Busch in die Hand und mussten die sogenannten blinden Fliegen und Hornissen von den Kühen abwehren. Später strich mein Großvater Franzhosen Öl an verschiedene Körperteile der Kühe. Dieses Franzhosen Öl hatte eine furchtbaren Geruch, es stank noch Tage später im Kuhstall. Aber die Fliegen setzten sich durch Gestank nicht mehr auf die Kühe. Zuhause musste das Heu in der Scheune abgeladen werden. Vater gabelte das Heu vom Wagen auf den Heuboden. Großvater oder die Mutter gabelte wieder weiter nach oben auf das bereits gelagerte Heu. Wir Kinder mussten dieses Heu, wir sagten, „fest Trampeln.“ Dieses war notwendig, damit man mehr Heu auf den Heuboden lagerten konnte. Die Heuernte war mit viel Schweiß und Schmutz verbunden. Es gab aber keine Badewanne oder Dusche. In einer größeren Wanne konnte man sich waschen.
- Fortsetzung folgt -