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Heimatzeitung der Gemeinde Staufenberg
Ausgabe 35/2025
Heimatpflege
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Heimatpflege

von r. Dr. Stephan, Tochter Gisela, Ehefrau Tilly, 1950

Krankenhaus-Schwestern beim Betriebsausflug 1950 zu Dr. Stephan nach Nienhagen

Kinder, von lks. Elfriede Hesse, Gisela Stephan, Erich Haldorn, 1928

Haus in der Feldmark von Familie Stephan, 1950

Frau Stephan auf der Ziege von Pfeiffers, 1930

Christian und Erika Gollong, etwa 1939

Von Erich Haldorn
Teil 2

Der Gemeindevorstand genehmigte, in Anbetracht der vollen Kostenübernahme von Dr. Stephan für die Wasser- und Stromleitung, diesen Bauantrag.

Dr. Oskar Stephan hat vielen Dorfbewohnern auf medizinischem Gebiet, aber auch mit Spenden und Unterstützungen der Nienhäger Bevölkerung, viel Gutes getan. Es gab damals noch Familien, die wegen geringem Einkommen keine Krankenversicherung hatten.

Die Mieter, Schneidermeister Fritz Pfeiffer mit Ehefrau und Sohn, wohnten im Nachbarhaus von Hermann Hesse bei Wilhelm Eckhardt, Hs. 44. Die Familie war aus Neuwied zugezogen, weil der Sohn Adolf Pfeiffer mit Familie bereits in Nienhagen wohnte. Fritz Pfeiffer hatte keine Krankenversicherung.

Dr. Stephan hat alle Hilfeleistungen kostenlos von Pfeiffers übernommen. Auch der Bauer August Scheidemann hatte keine Krankenversicherung. Frau Erna Scheidemann musste sich 1947 mit einem Darmverschluss und anschließendem künstlichen Darmausgang operieren lassen. Dr. Stephan, als guter Chirurg, hat die Operation kostenlos übernommen und viele Jahre später immer noch Frau Scheidemann behandelt. Stephan's wurden dann von Scheidemann's immer mit Lebensmitteln vom Bauernhof bedacht.

Auch mein Vater hatte 1947 kein Geld um eine Kuh kaufen zu können. Vater war in der Nazizeit Bürgermeister und Parteimitglied und sein Erspartes war von der Militärregierung gesperrt, er konnte nur 100,00 Mark monatlich von der Sparkasse erhalten. Die dreihundert Mark lieh ihm Dr. Stephan, damit mein Vater eine Kuh kaufen zu konnte.

1946 war Dr. Stephan Chefarzt im Marienkrankenhaus in Kassel. Das Krankenhaus war zum Teil durch die Bombenangriffe zerstört. Die Behandlungen wurden im Bunker vom Krankenhaus durchgeführt. In den ersten Nachkriegsjahren ging Dr. Stephan oft zu Fuß durch das Ingelheimtal nach Kassel ins Marienkrankenhaus. Mein Vater hatte Dr. Stephan erzählt von meiner Lungen- und Rippenfellentzündung in der Gefangenschaft. Dr. Stephan sagte, dieses sollte man einmal röntgen lassen und ich sollte mich im Marienkrankenhaus bei ihm melden. Ich fuhr mit dem Fahrrad nach Kassel und wurde geröntgt. Gott sei Dank war bis auf eine Verschwardung, so Dr. Stephan, alles in Ordnung. Bezahlen brauchte ich für diese Behandlung nichts. Dr. Stephan sagte mir, „du hast Krampfadern und musst dich irgendwann operieren lassen“. Welches ich aber erst 1987 habe machen lassen.

Der Zuzug von Stephans brachte für die Dorfbewohner 1925 auch städtische Lebensgewohnheiten ins Nienhäger Dorfleben. Frau Tilly Stephan trug im Sommer leichte Kleidung. Dieses war für die Dörfler unbekannt. Frau Stephan ging mit Büstenhalter und Höschen unter die Ablaufrinne vom Wasser, etwa 4 Meter der Wasserfall, beim Stillstand von Kaufmanns Mühlenrad, zum Baden. Das war natürlich etwas vollkommen Neues für die Menschen in Nienhagen. Später kamen auch die Naturfreunde vom Steinberg unter den Überlauf vom Mühlenrad zum Baden.

1928 hatten in Nienhagen nur wenige einen Fotoapparat. Dr. Stephan hat am Ingelheimbach drei kleine Kinder mit ihren Müttern und der Haushaltshilfe von seiner Familie fotografiert. Familie Stephan hatte Sohn Walter geb. 1925 und Tochter Gisela, geb. 1927, ebenso Elfriede Hesse, geb. 1927, wo Stephans wohnten, und auch ich, geb 1927. Ein Foto füge ich bei. In den dreißiger Jahren wurde ein Kindergeburtstag auf den Dörfern nicht mit dem Aufwand gefeiert wie heute.

Wenn ich, oder mein kleiner Bruder Geburtstag hatten, bekamen wir oft von unserer Godel aus Münden eine kleine Kindertasse. Mutter backte, wenn sie Zeit hatte, einen Platenkuchen oder einen Rührkuchen, das war's dann auch.

1931 hatte Gisela Stephan ihren 4. Geburtstag. Hier wurde ein städtischer Geburtstag gefeiert. Die Kinder aus dem Unterdorf wurden zu dieser Geburtstagsfeier eingeladen. Ich war 4 Jahre alt. Es wurden auch ältere Kinder eingeladen. Diese Geburtstagsfeier war für uns Dorfkinder etwas ganz besonderes. Nachmittags gab es Torte und Kuchen, es wurden Spiele unter Anleitung von Frau Stephan im Garten durchgeführt. Abends erhielten wir einen Lampion, beleuchtet mit einer Kerze, einige von uns bekamen zwei Topfdeckel zum Klopfen. Dr. Stephan spielte Mundharmonika und ging dem Umzug voraus durchs Dorf.

Bericht in der Mündner Zeitung, 1931

Durch das laute Klopfen der Deckel schauten viele Dorfbewohner auf den lustigen Geburtstagsumzug. Einige Tage später erschien ein Zeitungsbericht von dem Umzug, wahrscheinlich von Lehrer Heinrich Kolbe. Den Lampion habe ich viele Jahre aufgehoben. Bis 1931 kannten wir keinen Lampion.

1947 wurde Dr. Stephan Chefarzt vom Burgfeld-Krankenhaus in Kassel. Hier konnte er seine Fachkenntnisse und Fähigkeiten voll entfalten. 1950 wurde in der Kassler Zeitung folgendes veröffentlicht: Dr. Stephan hat als erster Arzt eine Struma-Operation (OP der Schilddrüse) in Vollnarkose im Burgfeld-Krankenhaus durchgeführt. Viele Patienten fahren dafür über 100 km bis nach Kassel, so die Zeitung.

Als Chefarzt hatte er ein Auto mit Chauffeur. Der Chauffeur war Herbert Vogeley aus Sichelnstein. Abends ging er, morgens kam Herbert Vogeley zu Fuß nach Nienhagen.

Im Herbst 1947 hatten die Stephan's Silberhochzeit. Wir vom Posaunenchor, erst im Februar 1947 wieder gegründet, brachten dem Jubelpaar ein Ständchen vor dem Wohnhaus in der Feldmark. Einige Wochen später hatten die Stephan's in der Gastwirtschaft Gerwig an einem Sonnabend den Saal gemietet und die Dorfbevölkerung aus Nienhagen eingeladen. Es gab Freibier, alles war kostenlos. Zwei Musikanten spielten zum Tanz auf.

Dr. Stephan hatte eine Praxis in der Hohenzollernstraße in Kassel bis 1939 und ein gutes Einkommen. Von 1939 bis 1945 war er als Stabsarzt bis zum Kriegsende bei der Wehrmacht. Frau Tilly Stephan nahm Balletttanzunterricht im Staatstheater Kassel bei der Ballettmeisterin Erika Gollong (jetzt beginnt die Lösung wie am Anfang in Teil 1 des Berichtes angedeutet). Frau Stephan schwärmte von ihrer Ferienwohnung in Nienhagen. Erika und Christian Gollong wurden eingeladen nach Nienhagen.

Schauspieler Christian Gollong hatte zu dieser Zeit einen Vertrag im Berliner Friedrichstadtpalast. In dieser Zeit wurde er auch für Kinofilme arrangiert. Christian Gollong feierte in Berlin große Erfolge mit hervorragenden Kritiken.

Frau Gollong wohnte nun ständig in der Ferienwohnung in Nienhagen und half den Landwirten bei der Ernte. In den Theaterferien war Christian Gollong meistens in Nienhagen. Längeren Urlaub verlebten die Gollong's in Bayern. Wahrscheinlich zog es ihn stets nach Bayern, da er die Kindheit mit der Familie dort verbrachte.

Fortsetzung folgt...