Titel Logo
Vom Kuckuck und Esel (Guxhagen-Körle)
Ausgabe 51/2024
Aktuelles aus Körle
Zurück zur vorigen Seite
Zurück zur ersten Seite der aktuellen Ausgabe

Aktuelles aus Körle

Wilhelm Pfeiffer (1904-1993)

Wer in Nordhessen noch “pladde schwatzen” oder zumindest verstehen kann, dem sagt der Name Wilhelm Pfeiffer etwas. Der gebürtige Körler, Jahrgang 1904, ist als Heimatdichter über die Grenzen seines Heimatdorfes bekannt und hat durch seine Werke zur Verbreitung und zum Erhalt der Mundart einen besonderen Beitrag geleistet. Im November jährte sich der 120. Geburtstag des Mannes, der trotz Blindheit vieles im Leben mit Humor nahm. Im Alter von sechs Jahren verlor Wilhelm Pfeiffer an den Folgen einer Masernerkrankung sein Augenlicht. Dieses Schicksal nahm er später dankbar an und schrieb sogar ein Gedicht mit dem Titel “Blindsein wurde mir zum Segen”. Bis zu dieser späten Erkenntnis lag allerdings ein langer Weg vor ihm: Im Kindesalter wurde er zur Blindenschule nach Frankfurt geschickt. Die ungewohnte Umgebung einer Großstadt und Heimweh plagten den achtjährigen Junge damals sehr. Als junger Mann kehrte er nach Körle zurück, hier sollte er mit Korb- und Stuhlflechten bzw. als Bürstenmacher sein Einkommen bestreiten. Zu dieser Zeit herrschte durch die Inflation jedoch große wirtschaftliche Not in Deutschland, der Start in eine selbständige Tätigkeit war für einen blinden Menschen also besonders schwer. Auch fehlten nach der jahrelangen Schulzeit in Frankfurt die Kontakte ins Dorf, besonders zu Gleichaltrigen, die ganz andere Interessen hatten als ihn in seiner kleinen Werkstatt zu besuchen. Dies war für ihn eine bedrückende Zeit, über die er später nicht gern sprach, weiß Ortschronist Heinz Rüdiger zu berichten. Durch eine technische Neuerung wendete sich aber bald das Blatt: Als einer der ersten Einwohner erhielt der blinde Wilhelm Pfeiffer ein einfaches Detektorradio. Damals eine kleine Sensation auf dem Dorf, die viele Menschen neugierig machte und dem damals 21-Jährigen häufigen Besuch bescherte. So entstanden Kontakte und Freundschaften zur Bevölkerung, die ihm auch die Neuigkeiten auf dem Dorf übermittelte. Zu dieser Zeit verfasste er seine ersten Gedichte, die zunächst bei Familienfeiern, später aber auch zu größeren öffentlichen Anlässen vorgetragen wurden und sich häufig -mit feinem Witz oder etwas derber- mit den Geschichten aus und um Körle befassten. Im Jahr 1963 wurde Wilhelm Pfeiffer zum Ehrenbürger der Gemeinde Körle ernannt. 1993 starb Wilhelm Pfeiffer im Alter von 89 Jahren in Körle. Sein Nachlass bildete den Grundstock für die Wihelm-Pfeiffer-Stiftung, aus der jährlich Zuschüsse für Vereine gewährt werden. So konnte die Gemeinde Körle im Dezember rd. 3.200 Euro an die Vereine auszahlen. Im Laufe der Jahrzehnte entstanden unzählige Gedichte, von denen eine Auswahl im Buch “Da lacht der Körlsche Esel” zu seinem 100. Geburtstag im Jahr 2004 posthum veröffentlicht wurde. Dieses Buch ist zum Preis von 7 € in der Gemeindeverwaltung Körle erhältlich.

Heute heißt die Straße, in dem Pfeiffers Geburtshaus steht, Wilhelm-Pfeiffer-Weg und eine Bronzetafel, die an der Einmündung zur Nürnberger Straße steht, erinnert mit einem Gedicht an den bekannten Sohn von Körle.

Eines seiner Gedichte lautet „Glocken – Stimmen der Heimat“

Glocken – Stimmen der Heimat!

Ein Dorf ohne Glocken ist öde und arm,

trotz Wohlstand und fleißigem Streben;

und klingt nur ein Glöcklein, mein Herz macht es warm,

bringt Trost mir, den Balsam für’s Leben.

Die Glocke erreicht uns, gibt Kraft in der Früh,

am Mittag erfreut uns ihr Grüßen,

und abends, wenn müd wir, nach Arbeit und Müh’

das Tagewerk dankbar beschließen.

Die Glocke grüßt jeden, ganz gleich wo wir sind,

den Landwirt im Feld mit viel Plage,

die sorgende Mutter, das spielende Kind,

den Nachbarn am Ende der Tage.

Ja, läuten die Glocken den Sonntag uns ein,

vernehm ich mit Andacht ihr Klingen.

Sie rufen zum Kirchgang, und wenn unsre Reih’n

zum Grab den Entschlafenen bringen.

Manch’ Bürger, der auszog, sein Glück draußen fand.

Doch nimmermehr wird er vergessen,

in lärmender Großstadt, am sonnigen Strand,

die Glocken des Dörfleins in Hessen.

Sie klangen so innig, als er mit der Braut

zum Traualtar schritt einst mit Freude.

Manch Traum aber bringt ihm gar lieb und vertraut

des Heimatdorfs Festtagsgeläute!