Undatiertes Jugendbildnis von Julius Kaiser (Fotografie: Archiv Werner Kaiser, Berlin)
Das „Microbe Hunter“ Mikroskop von „Steindorff & Co.“ (Fotografie: Archiv Werner Kaiser, Berlin)
Undatierte Fotografie von Josephine und Julius Kaiser (Fotografie: Werner Kaiser, Berlin)
Von Thomas Schattner
Julius Kaiser wurde am 18. April 1883 in Wabern geboren. Er war der Sohn des jüdischen Ehepaares Esther und Hermann Mandelbaum, die sich später den Familiennamen Kaiser gaben. Nach bestandenem Abitur heiratete Julius im Jahr 1911 Josephine Maria aus Kassel. Zuvor war der ausgelernte Kaufmann nach Bielefeld verzogen, wo Julius ein Geschäft eröffnete. Doch lange blieb die junge Familie nicht in Bielefeld, sie verzog nach Berlin. Dort stieg Julius zu einem führender Industriellen im Deutschen Reich im Bereich der Herstellung von Mikroskopen als Besitzer der Firma „Steindorff & Co.“ auf. Werner Kaiser, der eine Enkelin von Josephine und Julius geheiratet hat, schreibt, dass Julius 1933 aus der jüdischen Gemeinde austrat. Im Jahr 1935 wohnten die Kaisers noch in der Kaiserallee Nummer 21 Berlin. 1943 lebte die Familie noch immer in Berlin, denn bis zu diesem Jahr konnte Julius recht unbehelligt vom NS-Regime leben. Ob das an seinen Beziehungen oder an seiner „arischen Frau“ lag, ist unbekannt. In der zweiten Jahreshälfte des Jahres 1943 änderte sich die Lage dramatisch.
Im Jahr 1943 musste er dann nach mehreren zwei bis drei Tage andauernden Verhaftungen untertauchen. Zunächst in einer Wochenendlaube von Sohn Horst-Heinz in Gatow, später im „Haus Gatow am See“. Allerdings erkrankte Julius während des Krieges bereits stärker, so dass er sich im Juli 1943 einer Darmoperation unterziehen musste.
Während der Inhaftierungen im Jahr 1943 war Julius u.a. auch in der Rosenstraße in Berlin inhaftiert. Nach den Recherchen von Werner Kaiser hielt sich Julius seit dem 22. November 1943 in Baden Baden auf, von Januar 1944 bis Februar 1944 lebte er dann in Bad Harzburg. Im Oktober 1944 befanden sie sich die Kaisers in Wittenberge und in Perleberg. Das Kriegsende 1945 erlebte das Ehepaar Kaiser in Rohlsdorf bei Berlin. Bedingt durch die Umstände war Julius spätestens bereits ab diesem Zeitpunkt gesundheitlich sehr angeschlagen.
Die Wohnung in der Kaiserallee wurde am 22. November 1943 bei einem Bombenangriff der alliierten Luftstreitkräfte derart getroffen, dass sie aufgegeben werden musste. Die Familie zog nun in die Stierstraße. Inwieweit man von einem gemeinsamen Leben dort vor Kriegsende sprechen konnte, bleibt unklar.
Zumindest einmal kehrte Julius noch nach 1945 nach Wabern, seinem Geburtsort, zurück. Der Besuch galt wohl der Klärung der Frage, ob beim Verkauf seines Elternhauses Ende der 1930er Jahre alles mit rechten Dingen zugegangen war. Im Wohnzimmer der Metzgerei Gebhardt/Wenghöfer am Kirchplatz wurde diese Frage endgültig geklärt. Das Ergebnis: Ja, beim Verkauf des Mandelbaum-Hauses an der Ecke Fritzlarer Straße und Am Markt war alles mit rechten Dingen zugegangen. Rechtmäßiger Besitzer war nun die Familie Nennstiel.
Nach dem Krieg baute Julius seine Firma in Berlin zum zweiten Mal auf. Das 75te Firmenjubiläum von „Steindorff & Co.“ konnte Julius noch mit seinen 80 Mitarbeitern in den Firmenräumen am Paul-Lincke-Ufer in Berlin-Kreuzberg am 16. Oktober 1954 feiern. Doch eine Krebserkrankung machte ihm immer mehr zu schaffen. Am 12. März 1956 verstarb dann Julius Kaiser im Alter von 72 Jahren an den Folgen eines Herzanfalls in Berlin. Julis Kaiser wurde auf dem Waldfriedhof in der Heerstraße (Nähe Olympiastadion) beigesetzt. Ehefrau Josephine starb am 14. Januar 1978 in Berlin-Schöneberg. Sie wurde neben ihrem
Ehemann beigesetzt. Mit Julius Tod fehlte der alten Bundesrepublik fortan im Bereich der Industrie eine große innovative geistige Kraft.
Im Buch werden auch die Schicksale von Julius sechs Geschwistern und ihren Familien nachgezeichnet, von denen zwei in den Lagern der Nationalsozialisten ermordet wurden. Aber selbst die, die überlebten, zahlten einen hohen Preis wie Julius Schwester Ida, die sich permanenter Anschuldigungen und Verleumdungen des Ortsgruppenleiter von Lohra (Landkreis Marburg-Biedenkopf) widersetzen musste und nur aufgrund glücklicher Umstände dem nationalsozialistischen Holocaust mit ihrer Familie entging.
Die US-Amerikanerin Bettina Armour, eine Enkelin von Julius Kaiser, stellte zahlreiche Fotografien für diese Veröffentlichung zur Verfügung, ebenso wie Werner Kaiser aus Berlin, der eine weitere Enkelin von Julius Kaiser geheiratet hat. Dazu schrieb Werner Kaiser das Vorwort zum Buch.
Das reich mit Fotografien und Dokumenten ausgestattete 276 Seiten starke Buch ist bei Amazon unter der ISBN-Nummer 979-8311246675 erschienen.