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Ausgabe 19/2024
Aus dem Rathaus wird berichtet
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Aus dem Rathaus wird berichtet

Auf jüdischen Spuren in Falkenberg, v.l.n.r.: Samuel und Carsten Wadeck, Gary und Craig Stevens und Eckhard Preuschhof (Fotografie: Thomas Schattner)

Eckhard Preuschoff, Gary und Craig Sevens beim Entziffern der Inschrift eines Grabsteins aus dem Jahr 1813 (Fotografie: Thomas Schattner)

Jüdische Nachfahren besuchten Falkenberg

Von Thomas Schattner

Die Brüder Craig (Jahrgang 1954) und Gary Stevens (Jhg. 1957) aus den USA besuchten am letzten Dienstag den Ort ihrer jüdischen Vorfahren. Auf einer Rundreise durch Europa und die Republik auf den Spuren ihrer Vorfahren kamen sie nach Falkenberg. Forschungen von Eckhard Preuschhof aus Homberg hatten sie auf diese Spur gebracht. Jacob Ha´Levi, Sohn des David Ha-Levi, der am 9. April 1813 in Falkenberg verstarb, war der Urururururgroßvater der beiden US-Amerikaner und vermutlich erste „Heilbronn“ in Falkenberg. Bis in die nationalsozialistische Zeit hinein lebten die Heilbronns in Falkenberg und später auch in Hebel.

Jacobs Sohn, Mendel Levi bzw. Menachen Heilbronn (1782 bis 1854), wurde 1853 der erste Gemeindeälteste aus der Familie der Synagogengemeinde Falkenberg-Hebel. Dessen Sohn wiederum, C(K)oppel Heilbronn (1813 bis 1898), hinterließ etliche Spuren in Akten, die über ihn in verschiedenen Archiven erhalten geblieben sind. Koppel wurde spätestens im Jahr 1833 Schreinermeister und übernahm die Werkstatt des Schreiners Moses Freitag am Ort. So war er an Reparaturen an der jüdischen Schule in Falkenberg im Jahr 1840 beteiligt. Aus einer Akte, die sich im Marburger Staatsarchiv befindet, geht hervor, dass Koppel Heilbronn die Dielen des Festsaals im Schulgebäude und eine Treppe im Gebäude erneuert hat. Ein Jahr später, 1841, initiierte er die Renovierung der Synagoge, wo er gleichfalls Schreinerarbeiten ausführte. Er hatte u.a. die Empore mit „Tanenbohlen zu tafeln“, dazu „die Brüstung dieser Emporbühne mit Tanendiehlen und gestemmten Füllungen zu verschalen“, die Treppe zur Empore zu erneuern, dazu neben kleineren Reparaturarbeiten Männersitze mit Pulten und Sitzbänke für die Empore zu bauen. Und auch im revolutionären Jahr 1848 war Koppel aktiv. Er war vermutlich einer der „Rädelsführer“ während des ereignisreichen Jahres.

Kurz darauf heiratete Koppel. Am 6. November 1849 ehelichte er Sarah (Sarchen, Lenchen) Katzenstein, die am 22. September 1824 in Treysa geboren wurde. Aus der Ehe gingen acht Kinder, die alle zwischen 1850 und 1867 in Falkenberg geboren wurden. Zwei Kinder starben noch im Kindesalter. Mutter Sarah verstarb am 22. November 1898 in Hebel.

Im Jahr 1854 wurde Koppel in das Amt des israelitischen Kreisvorstehers gewählt. Als Handwerksmeister muss Koppel sehr streng und eigenwillig gewesen sein, denn im Homberger Stadtarchiv, welches sich im Marburger Staatsarchiv befindet, gibt es drei Akten, deren Inhalt entlaufene Lehrlinge Heilbronns 1853, 1855 und 1864 thematisieren. Des Weiteren existieren dort zwei Akten, in denen Koppel unbefugte Ausübung seiner Schreiner(meister)profession in den Jahren 1839 bis 1843 vorgeworfen wird.

Koppels Sohn, Craig und Garys Urgroßvater, Mendel „Moritz“ Heilbronn wurde 1855 ebenfalls in Falkenberg geboren. Nachweislich lebte er noch als 9-jähriger Junge in Falkenberg. Später lebte er zusammen mit seiner Ehefrau Emma Hallenstein (1854 bis 1924) und seinen sechs Kindern in Halle an der Weser (Landkreis Holzminden). Da dort keine jüdische Schule vorhanden war, engagierte Mendel einen Privatlehrer, der seine Kinder unterrichtete. Vater Mendel betrieb dort einen Kolonial- und Manufakturwarenladen. Mendel „Moritz“ verstarb im Jahr 1913 in Halle an der Weser, er wurde vermutlich in Dielmissen (Gemeinde Eschershausen-Stadtoldendorf) beigesetzt. Seine zweite Tochter Margaret (1886 bis 1961), geboren in Halle an der Weser, musste 1937 zusammen mit ihren Ehemann Moritz Schmuckler (1879 bis 1944) in die USA vor den nationalsozialistischen Verfolgungsmaßnahmen fliehen. Zunächst lebte die Familie von Craigs und Garys Großeltern, in New York, später in Kalifornien. Dort heiratete Margarets zweiter Sohn Kurt (1915 bis 2019) im Jahr 1948 Edith Claire Dresdner (1923 bis 2011), die gebürtig aus Berlin stammte. Aus dieser Ehe gingen Craig und Gary hervor, die mit ihrer Reise in die Falkenberger Vergangenheit einen familiären Kreis von weit über 200 Jahren schlossen. Mit einem erhabenen Gefühl besuchten sie die Gräber ihrer Vorfahren Jacob, Mendel bzw. Menachen und Koppel Heilbronn, deren Grabsteine sich heute noch in einem erstaunlich guten Zustand befinden. Allerdings hat die Qualität der Schrift etwas nachgelassen, so dass mancher Buchstabe mühevoll entziffert werden musste.

Eckhard Preuschhof, Samuel Waldeck als Ortsvorsteher Falkenbergs und Thomas Schattner führten den Besuch auf den Spuren ihrer Vorfahren und der ehemaligen jüdischen Gemeinde Falkenbergs durch den Ort. Dabei konnten Craig und Gary sogar ein ehemaliges jüdisches Haus besuchen. Carsten Waldeck, der dieses Haus vor kurzem käuflich erworben hatte, zeigte den amerikanischen Gästen das Haus von Innen. Vorbei an etlichen jüdischen Häusern und dem Standort der ehemaligen Synagoge, an die seit dem Jahr 2000 ein Gedenkstein erinnert, gewannen beide vielseitige Eindrücke von „Alt-Falkenberg“. Mit zahlreichen Fotos im Gepäck verließen die beiden Brüder nach mehr als fünf Stunden Falkenberg, dass sie als „very amazing“ empfanden; so dass davon auszugehen ist, dass dies nicht ihr letzter Besuch in Falkenberg gewesen sein wird. Zum Abschied sagten sie: Wir bleiben in Kontakt“!