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Ausgabe 21/2025
Aus dem Rathaus wird berichtet
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Aus dem Rathaus wird berichtet

Gunter Demnig mit den Stolpersteinen für die Familie Katz aus Zimmersrode am 4. Mai 2024 (Fotografie: Thomas Schattner)

Gunter Demnig bei der Verlegung in Wabern am 8. Februar 2018 (Fotografie: Susan Schattner)

Von Thomas Schattner

Auf Anregung von James Dannenberg und Thomas Schattner sowie in Zusammenarbeit mit der Gemeinde Wabern, vertreten durch Bürgermeister Claus Steinmetz und dem Falkenberger Ortsberat, vertreten durch Ortsvorsteher Samuel Waldeck, werden Mitte Juni für eine ehemalige jüdische Familie Falkenbergs fünf „Stolpersteine“ durch den Kölner Künstler Gunter Demnig „Am Schlossberg“ verlegt. Sie werden an die Familie Dannenberg und ihre Schicksale erinnern. Damit bekommt nach der Kerngemeinde Wabern, in der im Januar 2018 erste Steine verlegt wurden, nun auch der erste Waberner Ortsteil Stolpersteine.

Seit 1992 verlegt Gunter Demnig (Jahrgang 1947) diese 10 x 10 x 10 cm großen Betonsteine aus hochverdichtetem und im Wasserbad gehärtetem Estrich mit einer gravierten Messingplatte als sichtbare Oberfläche. Sie werden von ihm vor den ehemaligen Wohn- und Geschäftshäusern der Opfer des Nationalsozialismus verlegt. Sein Handwerkszeug besteht aus Meißel und Bohrhammer, Kabeltrommel und Zement. Zuvor wird die Inschrift mit Schlagbuchstaben von Hand aufwändig in die Messingplatte eingehämmert. Sie enthält Name und Schicksal der betreffenden Person an die hier erinnert werden soll. Damit schützt Gunter Demnig die Opfer vor dem Vergessen. Egal ob politischer Verfolgter, Sinti und Roma, Jude, Homosexueller oder Euthanasie-Opfer. All jenen, die in Ghettos und Konzentrationslagern ihres Namens beraubt wurden und stattdessen zur Nummer wurden, gibt Demnig ihre Namen wieder. Finanziert werden diese pro Stück 120.- Euro teuren Steine ausschließlich aus Spendengeldern. Mit ihrer Verlegung gehen die Steine dann als Schenkung in das Eigentum der jeweiligen Gemeinde über. In etwa 1.200 Städten und Gemeinden, von Flensburg bis Freiburg, von Berlin bis Zwickau und von Köln bis Eberswalde sowie im europäischen Ausland gibt es mittlerweile diese Gedenksteine. Über 116.000 Stück (Stand April 2025) hat Demnig mittlerweile in 30 weiteren europäischen Ländern verlegt, allein 6.000 davon im Jahr 2024. Angesichts der großen Anzahl der Aufträge veränderte Demnig die Organisation und Logistik des Projekts, denn heute werden monatlich etwa 750 Stolpersteine pro Monat hergestellt. Ein zehnköpfiges Team kümmert sich heute um Herstellung und Verlegung der Steine, für das er bereits 2004 mit dem German Jewish History Award ausgezeichnet wurde, rund 20 weitere renommierte Preise folgten seitdem.

Da Demnig zu Beginn des Projekts meistens in den größeren Städten wie Berlin, Bonn, Freiburg, Hamburg, Leverkusen und Köln gearbeitet hat, wurde es Zeit, dass dieser Teil der deutschen Geschichte nun auch in kleineren Städten und Ortschaften aufgearbeitet wird. Den Anfang machten im Schwalm-Eder-Kreis 2004 die Städte Ziegenhain und Treysa, wo sich u.a. Schüler für Demnigs Arbeit engagierten. Hier verlegte Demnig hessenweit die ersten Steine. Zur Jahreswende 2004/05 haben sich dann als nächstes die Städte Homberg und Fritzlar durch Magistratsbeschluss für das Projekt entschieden, in Guxhagen und Rengshausen sorgten Privatinitiativen für die Verlegung der Steine, in Bad Zwesten sorgten das Stadtparlament, die Kirchengemeinde und der Heimat- und Geschichtsverein gemeinsam für die Realisierung des Vorhabens. Es folgten Spangenberg 2006, Gudensberg, Obervorschütz und Schwarzenborn im Jahr 2009, Edermünde-Besse, Edermünde und Melsungen 2010 und Borken im Jahr 2011ff., Neuental-Bischhausen und Malsfeld 2012, Neukirchen 2014, Felsberg 2015ff. sowie Borken-Kerstenhausen und Neuental-Gilsa im Jahr 2017. Wabern und Neuental-Waltersbrück kamen im Jahr 2018 hinzu, Gensungen 2021, im Jahr 2024 Gilserberg und Zimmersrode. Und auch in Kassel werden seit dem Jahr 2011 „Stolpersteine“ verlegt. Lediglich in Frielendorf und in Großropperhausen scheiterte im Vorfeld der Planungen 2003 bzw. 2012 das Projekt - zumindest vorerst.

Wie wichtig gerade auch den jüdischen Nachfahren der Opfer diese Arbeit ist, zeigt eine Stellungnahme der Jerusalemer Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem. Diese teilte dem Künstler mit, dass es sich hierbei um „a wonderful project“ handele. So verwundert es auch nicht, dass zur ersten Verlegung der Steine in Fritzlar am 7. März 2005 mehrere Nachfahren eines in Fritzlar geborenen Juden extra aus dem Ausland angereist kamen. Wie wichtig dieses Erinnern an die Opfer für die Nachfahren ist, wird von den angereisten Familien immer wieder aufs Neue bestätigt. Deshalb wird auch z.B. James Dannenberg, ein 80-jähriger Ururenkel von Moses Dannenberg (1819 bis 1906), zusammen mit seiner Ehefrau Susan Erickson aus San Francisco in Kalifornien zur Verlegung nach Falkenberg kommen. Des Weiteren haben mit der 74-jährigen Kerry Schwartz (San Francisco) und ihrer 77-jährigen Schwester Wendy Schwartz Kane aus Houston (Texas, Ururenkelinnen von Joseph Dannenberg, 1816 bis 1894), der 80-jährigen Anne Fausto Sterling (Ururenkelin von Meyer Dannenberg, 1823 bis 1894) aus Wellfleet, Massachusetts und der 88-jährigen Marylin Weiner MacKay aus New York (Urenkelin von Joseph Dannenberg, 1816 bis 1894) vier weitere Nachfahren z.T. mit Partnern ihren Besuch in Falkenberg angekündigt. Einerseits erinnert Demnigs Werk an die Opfer der nationalsozialistischen Verbrechen, andererseits werden so symbolisch Familien vor Ort wieder zusammengeführt, was wiederum auch ein Anlass sein kann, dass Nachfahren zur Verlegung kommen.

Ein Mahnmal von unten in Sisyphusarbeit

Demnig ist sich dabei bewusst, dass er keine sechs Millionen „Stolpersteine“ verlegen kann, „aber ich kann klein anfangen“. Weit über 90 Prozent Zustimmung erfährt er dafür bei den Anwohnern. So entsteht Stück für Stück ein großes „Mahnmal von unten“, aus der Bevölkerung heraus, ein bewusster Gegensatz bzw. eine sinnvolle Ergänzung zum zentralen Denkmal für die ermordeten Juden Europas in Berlin, welches im Mai 2005 der Öffentlichkeit übergeben wurde. Hinzu kommt, dass Demnig Hilfe bei der Recherche der Namen, den Adressen und den Schicksalen der Deportierten benötigt: „Ich brauche aber Ansprechpartner vor Ort: eine Gruppe, die Gemeinde“.

Europaweit das größte dezentrale Mahnmal

Demnigs Projekt ist zum größten dezentralen Mahnmal in Europa geworden, denn auch die Verlegung im Ausland hat schon eine langjährige Tradition.

Der Schwalm-Eder-Kreis ist in der Zwischenzeit fester Bestandteil dieses Projekts. Nun kommt auch Falkenberg mit den ersten fünf Steinen hinzu. Mit der Verlegung wird Demnig die Familien symbolisch vor Ort wieder zusammenführen, die durch Flucht und Vertreibung bzw. Deportation und Ermordung getrennt wurden. Zu einem späteren Zeitpunkt sollen noch Steine für die Mitglieder anderer verfolgter und ermordeter Falkenberger Familien gelegt werden.

Solange seine Gesundheit mitmacht fährt der in der Zwischenzeit 78-Jährige Künstler Gunter Demnig mit seinem Transporter von Verlegeort zu Verlegeort, um sein Kunstwerk weiter fortzuführen. Irgendwann werden jedoch andere das Projekt in seinem Sinne weiterführen müssen.

Spenden zur Finanzierung der Falkenberger Stolpersteine

Wir in Falkenberg e.V.

Stichwort: Stolpersteine

IBAN: DE46 5206 2601 0003 6497 92

BIC: GENODEF1HRV

Spendenbescheinigungen werden den Spendern im Nachgang zugestellt.

Die Verlegung der Stolpersteine beginnt am 14. Juni um 14.00 Uhr „Am Schlossberg Nummer 8“ in Falkenberg.