Joseph Dannenberg im Jahr 1938 (Fotografie: Yad Vashem)
Ausschnitt der Deportationsliste mit Joseph und Else Dannenberg, Nr. 3 und 4, am 20. April 1942 nach Izbica (Arolsen Archives)
Altersbildnis von Gertrud Ursula Dannenberg (Landsberg), Rabbi Joseph Dannenbergs Tochter (undatierte Fotografie: Archiv James Dannenberg)
Joseph Dannenberg, ein jüdischer Lehrer aus Falkenberg, der ermordet wurde
Von Thomas Schattner
Joseph Dannenberg wurde am 7. Oktober 1894 als Sohn des Handelsmanns David Dannenberg (geboren am 28. Dezember 1864 in Falkenberg) und seiner Ehefrau Rosa, geborene Goldschmidt (geboren am 4. November 1862 in Rosenthal), geboren. Die Familie bewohnte in Falkenberg das Haus Nummer 22, heute „Am Schlossberg“ Nummer 8.
Nachdem er als deutscher Soldat am Ersten Weltkrieg teilgenommen hatte, war er seit 1919 im öffentlichen Schuldienst als jüdischer Volksschullehrer tätig. Am 9. Mai 1921 heiratete Joseph die Lehrertochter Else Klanthal, geboren am 27. Januar 1897 in Baumbach (Hersfeld-Rotenburg), in Guxhagen. Am 21. Juni 1923 wurde Tochter Ursula Gertrud ebenfalls in Guxhagen geboren. Über das weitere Leben der Familie in den 1920er Jahren und zu Beginn der 1930er Jahre ist nur wenig bekannt. Wir wissen, dass Joseph von 1926 bis 1934 in Wesel tätig war, zuvor war er in Belitz und in Brilon angestellt. Im Jahr 1934 wechselte er in den Schuldienst nach Krefeld. Des Weiteren übte Joseph seelsorgerische Tätigkeiten als Rabbiner aus, so war er wahrscheinlich seit 1940 Rabbinatsverweser der Reichsvereinigung der Juden in Deutschland für Krefeld.
Wie sehr Joseph dabei „deutsches“ Denken und enorm hohes Pflichtbewusstsein verinnerlicht hatte, davon zeugt folgender Bericht. Joseph sprach 1941 beim Standesamt Krefeld-Mitte vor, „[...] um eine Sterbeurkunde seines Schwiegervaters zu erlangen. Das Geburtsdatum stimmte nicht. Für einen preußischen Lehrer eine selbstverständliche Reaktion, die Berichtigung zu beantragen, für die beteiligten Behörden, Amtsgericht und Standesamt, aber schon eine Herausforderung. Das Amtsgericht ordnete die Berichtigung beim Standesamt Hersfeld an, aber nicht auch in Krefeld. Dannenberg wartete vergeblich auf die für die Auswanderung seiner Schwiegermutter wichtige Urkunde. Auf erneute Vorsprache wurde ihm im Amtsgericht mitgeteilt, die Berichtigung sei in Krefeld angeordnet. ´14 Tage später suchte ich das Standesamt Krefeld auf, um hier die Urkunde abzuholen. Anfangs gab man mir den Bescheid, in einigen Tagen vorzusprechen, weil zur Zeit dringende Arbeiten zu erledigen seien. Ich wurde aber dann doch noch abgefertigt und mir wurde mitgeteilt, dass die Urkunde nicht fertiggestellt ist [...]´.
Der Beamte ließ im Register nachsehen und sprach von Blatt Hersfeld. Dannenberg verstand dies falsch, er warf ein. Hersfeld komme nicht in Frage, denn „da hat man ja den Mist [=falscher Geburtseintrag] gemacht“. Der Beamte fühlte sich - stellvertretend für seinen (vielleicht schon verstorbenen) Hersfelder Kollegen beleidigt, Dannenberg war das Verhalten des Beamten aufgefallen. Nachdem er den Raum verlassen hatte, kehrte er noch einmal zurück und entschuldigte sich für die Ausdrucksweise. Vergeblich, der Beamte erstattete Anzeige, die Vorladung zur Gestapo erfolgte am 4.8.1941. Nachdem Dannenberg Reue bekundet und um milde Beurteilung gebeten hatte, der vernehmende Gestapo-Beamte Dannenbergs Tätigkeit als Kantor und Seelsorger und Beauftragtem der Altstoffsammlung des Wirtschaftsamtes bei jüdischen Familien zusammen mit der persönlichen Integrität genügend hervorgekehrt hatte, blieb ihm die sofortige Einweisung in ein Konzentrationslager erspart.“
In einem Brief an amerikanische Verwandte vom 17. Februar 1941 schrieb Joseph im Hinblick auf eine Flucht in die USA: „Ich wäre Ihnen zu großem Dank verpflichtet, wenn Sie diese Angelegenheit so weit wie möglich beschleunigen würden, bevor es zu spät ist“. Joseph schrieb immer zweisprachig, in Englisch und auf Deutsch.
Josephs Verwandter James Dannenberg, der in den USA lebt, sichtete diese Briefe zu Beginn unseres Jahrtausends, während er versuchte, die eigene Familiengeschichte zu rekonstruieren. Darüber schrieb er am 1. Dezember 2005 im Honululu-Magazine“ aus Josephs Briefen zitierend: „Sie haben sicher gehört, [...] dass wir sehr bald dorthin kommen können, wenn Sie uns in dieser Sache helfen. Zunächst brauchen wir neue Papiere, denn die alten sind nicht mehr gültig. Außerdem muss die Passage für meine Frau und mich dort drüben bezahlt werden. Daher bitte ich Sie, einen Teil der fraglichen Beträge zu geben, soweit Sie dazu in der Lage sind. Ich denke, es wird nicht allzu schwierig sein, die Summe zusammenzubekommen, wenn alle unsere Verwandten dort ihren Anteil anbieten. [...] Ich möchte das Geld nicht geschenkt bekommen, sondern nur leihen“.
James Dannenberg schrieb weiter: „Was Joseph zu sagen hatte, spiegelte seine Verzweiflung über den Wunsch, Deutschland zu verlassen, und seine Frustration über seinen ausbleibenden Erfolg wider. Er bat seine Cousine Florence inständig, alles in ihrer Macht Stehende zu tun, um amerikanische Verwandte zu finden, die bereit waren, eidesstattliche Erklärungen zur Einwanderung für seine Frau und ihn zu unterzeichnen, und ihm dabei zu helfen, sich im Labyrinth der deutschen und amerikanischen Vorschriften zurechtzufinden, die seine Bemühungen behinderten. Josephs Briefe, von denen der letzte am 30. Juli 1941 geschrieben wurde, zeigen ein fast greifbares Gefühl der Scham und Verlegenheit darüber, dass er die Hilfe anderer in Anspruch nehmen musste. (´Aber wie ich Ihnen schon einmal geschrieben habe, wäre ich Gott dankbar, wenn ich es selbst tun könnte, anstatt immer wieder um Hilfe zu bitten und unserer Tochter beizustehen´ - 11. November 1940)“.
Doch dann war es zu spät. Bis zu seiner Deportation am 22. April 1942 von Düsseldorf ins Ghetto Izbica (Nähe Lublin, Polen) lebte er in Krefeld in der Bismarckstraße Nummer 116, Westwall 50. Mit ihm wurde Ehefrau Else deportiert. Warum ihre letzte Adresse in Krefeld Friedrich-Ebert-Straße Nummer 41, Westwall 50, lautete, konnte nicht geklärt werden.
Tochter Ursula Gertrud lebte bis zur Auswanderung mit einem Kindertransport in Krefeld in der St.-Anton-Straße Nummer 97. Sportlich hatte sie sich als Tischtennisspielerin im RjF-Sportbund Schild (ursprünglich ein Sportbund des Reichsbunds der jüdischen Frontsoldaten des Ersten Weltkriegs) bis zum Oktober 1938 betätigt, dann wurde der Verein aufgelöst. Am 26. Mai 1939 emigrierte sie nach England.
Im Juli 1943 heiratete Gertrud Ursula Gunter (Guy) Landsberg (10. Mai 1920 bis 11. Februar 1973), der gebürtig aus Berlin-Spandau stammte. In London wurde auch Sohn David Michael am 28. Oktober 1945 geboren.
Zusammen wanderte die Familie später von Southampton in die USA aus, wo sie am 26. Oktober 1949 in New York ankamen. Anschließend gingen die Landsbergs nach Kalifornien.
Viele Jahre nach dem Tod ihres Mannes, 1994, heiratete Gertrud Ursula erneut. Sie verstarb im Alter von 72 Jahren am 22. März 1996 in San Mateo, Kalifornien. Sie wurde im Hills of Eternity Memorial Park in Coma, Kalifornien, beigesetzt.
Josephs Enkel, David Michael Landsberg, verstarb am 5. May 2016 in Higganum, USA. Er hinterließ seine Frau Jacke, seinen Sohn Dan und seine Tochter Jennifer.
Spenden zur Finanzierung der Falkenberger Stolpersteine
Wir in Falkenberg e.V.
Stichwort: Stolpersteine
IBAN: DE46 5206 2601 0003 6497 92
BIC: GENODEF1HRV
Spendenbescheinigungen werden den Spendern im Nachgang zugestellt.
Die Verlegung der Stolpersteine beginnt am 14. Juni um 14.00 Uhr „Am Schlossberg Nummer 8“ in Falkenberg.