Familie Vogel ca. 1914, von links nach rechts: Abraham, Max, Julius (?), Moritz, Mutter Sara, Clara, Siegmund, Leopold, Isaak (?) (Fotografie: Archiv Thomas Schattner)
Homberger Kreisblatt vom 4. November 1922
Moritz Vogel, Aufnahme Photohaus Kaufmann, Homberg (Undatierte Fotografie: Archiv Thomas Schattner)
Leopold Vogel mit seiner Ehefrau Ilse Hecht (Undatierte Fotografie: https://gedenkbuch-duesseldorf.de/memory-book/vogel-leopold/, Stand: 24. Mai 2025, 15.56 Uhr)
Von Thomas Schattner
David Vogel wurde am 17. Dezember 1855 in Borken-Freudenthal geboren. David war der Sohn von Abraham Vogel (1804 bis 1882) und seiner Ehefrau Gellchen (Gelle) Bacharch (1862 bis 1942). Er war das jüngste der acht Kinder der Familie. Vater Abraham wurde ebenfalls in Freudenthal geboren, verstarb aber in Borken. Die Familie David Vogel bewohnte nach einem Brandversicherungskatastereintrag im Jahr 1883 das Haus Nummer 26 in Hebel.
David heiratete am 5. März 1884 in Bad Zwesten Sara Höxter, die am 13. September 1862 in Bad Zwesten geboren wurde. Sie war die Tochter von David Höxter (1809 bis 1878) und seiner Ehefrau Rose (Röschen) Hirschberg (1818 bis 1886).
Im Laufe der nächsten Jahre sollte sich die Familie rasch und stetig in Hebel vergrößern, zwischen 1884 und 1904 kamen neun Kinder im elterlichen Haus zur Welt.
In den Jahren 1903 und 1904 wurde ein Konkursverfahren über das Vermögen des Viehhändlers bzw. Handelsmanns David Vogel beim Königlichen Amtsgericht in Homberg/Efze eingeleitet.
David verstarb am 17. Juni 1911 im Alter von nur 56 Jahren in Hebel. Sara verstarb dagegen erst 31 Jahre später am 10. Mai 1942 in Düsseldorf.
Die Schicksale der Kinder sind durch Deportation und Flucht gekennzeichnet. Der älteste Sohn Abraham (Albert, Jhg. 1884) wurde Am 6. Dezember 1938 nach den Pogromnächten im November 1938 ins Konzentrationslager Buchenwald verschleppt. Dort könnte er bis zum 15. Oktober 1940 inhaftiert gewesen sein.
Nach seiner Entlassung in Buchenwald kehrte Abraham nach Schlüchtern zurück, wo er zusammen mit seiner Ehefrau Hannchen lebte. Von dort wurde das Ehepaar Vogel Ende Mai 1942 nach Kassel verbracht. Abraham wurde zusammen mit seiner Ehefrau Hedwig ab Kassel über Halle am 1. Juni 1942 ins Vernichtungslager Sobibor deportiert. Dort wurden beide ermordet.
Bruder Siegmund (Jhg. 1886) konnte dagegen mit seiner Ehefrau Emma und seiner Tochter Lilly (Jhg. 1922) im Spätsommer 1939 über die Niederlande nach England fliehen. Im Oktober 1939 erreichte die Familie dann die USA. Auch Tochter Else (Jhg. 1919) war die Flucht in die USA geglückt. Siegmund und Emma verstarben dort 1950 und 1966, ihre Töchter 1984 und 1990. Nachkommen von Tochter Else leben heute in den USA.
Rosa (Jhg. 1887), das dritte Vogel-Kind verstarb früh im Alter von nur elf Monaten. Isaak (Jhg. 1889), das vierte Kind der Vogels wurde ebenfalls deportiert. Isaak wurde zusammen mit seiner Ehefrau Rosa und seinem Bruder Leopold ab Düsseldorf am 10. November 1941 ins Ghetto Minsk deportiert, wo sich seine Spuren verlieren. Somit sind auch er und Rosa Opfer des nationalsozialistischen Holocausts.
Der vierte Sohn der Vogels, Julius (Jhg. 1892), wanderte Mitte der 1930er Jahre, nach Auskunft seines mittlerweile verstorbenen Neffen Ludwig Hirschberg, nach Rio de Janeiro, Brasilien, aus. In den 1950er Jahren besuchte der Neffe Julius in den USA. Julius verstarb in Rio de Janeiro im Jahr 1981.
Der spätere Metzger und Viehhändler Moritz Vogel (Jhg. 1891) bekam die schon früh zu spüren, dass nach 1933 ein anderer politischer Wind im Deutschen Reich wehte. Einen ersten traurigen Höhepunkt der nationalsozialistischen Gewaltherr-schaft erreichte der Kreis Fritzlar-Homberg bereits Ende Juni 1933 im Waberner Karlshof. Dort wurden an einem Wochenende politisch Andersdenkende und auch jüdische Bürger von vornehmlich SA-Mitgliedern grausam misshandelt und gefoltert. Auch Moritz Vogel war eins dieser Opfer.
Ein jüdisches Opfer der Folterungen beschrieb später, was sich dort ereignete: „In Wabern wurden wir einzeln nacheinander in einen verdunkelten Raum gerufen, wo sich [vier] Männer auf uns stürzten, und auf eine Bank gelegt, die für die Züchtigung der jugendlichen Insassen der Erziehungsanstalt verwendet wurde. Wir wurden mit Gummiknüppeln geschlagen, einige bis zur Bewusstlosigkeit. Viele wollten sich aus dem Fenster stürzen, weil sie die Schmerzen nicht mehr ertragen konnten“. Nicht zuletzt aufgrund dieser Erfahrungen verzog die Familie Moritz Vogel im Verlauf des Jahres 1934 nach Witzenhausen, wo sie dann im Jahr 1938 in den Pogromnächten hart vom Schicksal getroffen wurde. Die Folge: Auch Moritz wanderte mit seiner Familie im Januar 1939 in die USA aus, wo er 1977 verstarb.
Moritz Schwester Clara (Jhg. 1894) wurde zusammen mit ihrem Ehemann David Hirschberg am 27. Juli 1943 in Riga ermordet. Ihre Tochter Ruth (Jhg. 1920) verstarb kurz nach ihrer Befreiung am 12. April 1945 in einem Warschauer Krankenhaus, nur Sohn Ludwig (Jhg. 1921) überlebte die Lager des Ostens. Er wanderte später in die USA aus, wo er im Jahr 2005 verstarb.
Leopold Vogel (Jhg. 1895) wurde später Lehrer und Kantor in Düsseldorf. Es gelang ihm seine Töchter Ingeborg (Jhg. 1926) und Lore (Jhg. 1930) mit Kindertransporten nach England 1939 in Sicherheit zu bringen. Leopold und seine Ehefrau Ilse wurden im Jahr 1941 ins Ghetto Minsk deportiert, wo sie ermordet wurden. Ihre Töchter gingen über England in die USA, wo sie 1999 und 2024 verstarben.
Max, der jüngste Sohn (Jhg. 1900), wurde ebenfalls im Waberner „Konzentrationslager“ gefoltert. Zusammen mit seiner Ehefrau Rosi Sauer aus Falkenberg floh er mit seinen Töchtern (Jhg. 1932 bzw. 1935 oder 1936) im Jahr 1939 nach Chile. Nach dem Krieg kehrte die Familie nach Deutschland zurück. Max verstarb 1974 in Mannheim, Rosi 1995 in Frankfurt-Bornheim.
Mutter Sara Vogel wurde ebenfalls deportiert. Ihr Weg führte von Düsseldorf aus im Juli 1942 ins Ghetto Theresientsadt, wo sie 68-jährig ermordet wurde.
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