Postkarte von Falkenberg, ca. 1920, direkt am Berghang ist in der Mitte in zentraler Lage das Haus von Mendel Plaut Dannenberg deutlich zu erkennen
Siegfried Dannenberg mit Neffe Michael Landsberg in New York 1949
Brief von Siegfried Dannenberg vom 3. Dezember 1937 (Archiv James Dannenberg)
Am Schloßberg Nummer 8
Von Thomas Schattner
Siegfried Dannenberg wurde am 8. Januar 1900 in Falkenberg als Sohn des Handelsmanns David Dannenberg (geboren am 28. Dezember 1864 in Falkenberg) und seiner Ehefrau Rosa, geborene Goldschmidt (geboren am 4. November 1862 in Rosenthal), geboren. Die Familie bewohnte in Falkenberg das Haus Nummer 22, heute „Am Schloßberg Nummer 8. Dieses Haus und 23 Ar Land gehörten der Familie.
Siegfried besuchte zunächst die Volksschule in Falkenberg. Schon bald stand sein Berufswunsch fest, Siegfried wollte Lehrer werden. Dementsprechend besuchte er später das jüdische Lehrerseminar in Kassel. Nach Absolvierung eines einjährigen freiwilligen Examens verließ Siegfried das Lehrerseminar. Kriegsbedingt wurde er Anfang 1917 Soldat und kämpfte als Infanterist bis zum Ende des Ersten Weltkrieges an der Westfront. Als Gefreiter wurde er nach Beendigung der Kampfhandlungen ehrenvoll entlassen. Aus Finanznot war anschließend nicht mehr an eine Fortsetzung der Ausbildung zu denken, von daher ließ sich Siegfried in Falkenberg als Kaufmann nieder.Er betrieb nun einen Handel mit Textilien in Falkenberg und in den benachbarten Dörfern. Schließlich waren sein vier Jahre älterer Bruder Joseph, der das Kasseler Lehrerseminar ebenso besucht hatte und später in Krefeld Rabbiner wurde, wie auch sein Vater David finanziell nicht in der Lage, weitere Ausbildungsgänge zu finanzieren.
Umso erfreulicher war es für Siegfried, dass sein Handel hohe Erträge erbrachte, so betrug der jährliche Gewinn zu Beginn der 1930er Jahre zwischen 5.000,- und 6.000,- Reichsmark. So konnte er schon ab ca. 1929 ein Motorrad benutzen, um seine Kundschaft in den Nachbarorten Falkenbergs zu besuchen. Zwischenzeitlich hatte Siegfried am 10. Januar 1923 geheiratet. Rebekka (Rosa), geborene Wallach (geboren am 12. April 1896 in Baumbach, Kreis Rothenburg), wurde seine Ehefrau. Zwei Jahre später, am 28. Juli 1925, wurde ihr gemeinsamer Sohn Fritz (Isfried) in Falkenberg im Haus Nummer 22 geboren. Möglicherweise war auch Ellenonore Dannenberg, die am 3. November 1924 im Alter von zehn Wochen starb, ein Kind der Familie. Auch Elleonore lebte im Haus Nummer 22 in Falkenberg.
War das Leben der Familie Dannenberg in der zweiten Hälfte der 1920er Jahre durchaus angenehm, so änderte sich dies zu Beginn der 1930er Jahre radikal durch die Machtübernahme der Nationalsozialisten. „Sehr bald nach 1933, ja noch in 1933, wurde mir die geschaeftliche Taetigkeit in Falkenberg und den umgebenden laendlichen Bezirken ueberaus erschwert, so dass mein Einkommen rapide zurueckging“. Doch ein anderes Ereignis war noch viel schwerwiegender für die Familie Dannenberg. Dazu Siegfried selbst: „Ich wurde im Sommer 1933 nachts aus dem Bett geholt und in einen 5 km entfernten Ort Wabern in Haft gebracht. Während der Fahrt musste ich von dem hohen Lastwagen ständig herunterspringen und hinaufklettern. Dabei habe ich mir den Leistenbruch und Rückenschmerzen zugezogen [...]“.Rosa hatte noch versucht, ihrem Mann in dieser Nacht zu helfen, sie trat „[...] dazwischen und wurde von den Nazi-Bestien mit Knueppeln vor die Brust geschlagen“. Infolge der Misshandlungen, dauernder Aufregung und anderer Verfolgungsmaßnahmen fing Siegfried an, über Schlaflosigkeit aus Angst vor neuen Verhaftungen und Herzbeschwerden, die sich in Atemnot und Schmerzen in der Herzgegend äußerten, zu klagen. Mehrfach musste er ärztliche Hilfe in Anspruch nehmen. Dr. Goldschmidt, sein jüdischer Hausarzt aus Homberg, verordnete ihm sogleich ein Bruchband.
Auch geschäftlich wurde die Lage für Siegfried immer schwieriger. „Mein besonderes Pech war, dass ich meine Aussenstände in den laendlichen Bezirken nicht mehr realisieren konnte, weil die Bauern sich einfach weigerten, zu zahlen und weil ich selbst in Falkenberg bei meinen Schuldnern nichts mehr unternehmen konnte, wie etwa gar Mahnbriefe schreiben oder zum Anwalt gehen etc. [...] Sobald die Bauern merkten, wie der Wind wehte, verboten sie mir den Zutritt zu ihren Gehoeften. Ich erinnere mich sogar, dass einmal Hunde auf mich losgelassen wurden und mir ein anderes Mal mit taetlichen Angriffen gedroht wurde“. Zudem litt Ehefrau Rosa seit 1936 „[...] infolge der dauernden Aufregungen verursacht durch Verfolgungsmaßnahmen in Falkenberg [...]“ an starken Schmerzen in der Herzgegend, weswegen sie ärztliche Hilfe in Anspruch nehmen musste.Aufgrund dieser Entwicklungen entschloss sich Siegfried mit seiner Ehefrau und seinem Sohn auszuwandern. Am 11. Juli 1938 meldete er seine Familie polizeilich ab, die USA waren nun ihr Ziel. Über Hamburg schiffte sich die Familie auf den Dampfer „George Washington“ am 14. Juli 1938 ein und verließ ihre Heimat. Dabei nahm sie teilweise die Einrichtungsgegenstände des Falkenberger Hauses mit, zum Teil wurden aber auch Anschaffungen für die neue Heimat getätigt.
Die Vorbereitung der Auswanderung, die ständigen Ängste und Unsicherheiten hinterließen ihre Spuren bei Siegfried und Rosa. Dazu Siegfried: „Während ich in Deutschland ein nachweisbar gesunder Mann war, haben mich die Aufregungen in Verbindung mit der Auswanderung nervlich ausserordentlich stark mitgenommen, zumal ich mit ansehen musste, wie meine Ehefrau als Opfer dieser Aufregungen buchstaeblich in die Brueche ging. Sie ist heute [1956] nicht mehr in der Lage, auch nur unser Haus zu verlassen und leidet seit der Auswanderung an schweren Herzbeschwerden, an Diabetes und an anderen Leiden. Sie ist auch seit der Einwanderung in staendiger aerztlicher Behandlung“.
Betrachten wir den Beginn des Lebens in der „neuen Heimat“. Gleich nach ihrer Ankunft zog die Familie Dannenberg nach Brooklyn, New York, in die Linden Street. Die finanziellen Nöte in diesen ersten Tagen waren besonders groß, da Siegfried nur eine Anstellung als Tellerwäscher bekam. So konnte er nicht alleine den Unterhalt für die Familie aufbringen, stattdessen sorgte die jüdische Hilfsorganisation „HIAS“ ein halbes Jahr fast völlig für die Dannenbergs, zumal das Schleppen des schweren Geschirrs einen Bruch bei Siegfried nach sich zog, der ihn auch weiterhin behindern sollte. 1942 bekam Siegfried zudem eine solch schwere Herzattacke, dass er 1943 und einen großen Teil des Jahres 1944 ohne Einkommen war. Erst im Jahr 1945 konnte er bei der Firma „Green“ ein kleines Einkommen erzielen, welches er durch weitere Tätigkeiten bei der Firma „R Parvin“, bei der er eine beaufsichtigende Stellung in einem kleinen Geschäft hatte, aufbesserte. Ein weiteres Jahr verging, ehe Siegfried wieder in der Lage war, einen kleinen „Candy-Store“ zu eröffnen, in welchem Zigaretten, Zeitungen, Bleistifte usw. verkauft wurden. Allerdings war das Einkommen durch diesen Kiosk in der Brooklyner Knickerbocker Avenue so gering, dass Siegfried keine Einkommenssteuer zu bezahlen brauchte. Das kleine Geschäft gab er nach dem Tod seiner Ehefrau auf. Anschließend arbeitete er bis 1962 als Verkäufer.Siegfried Dannenberg starb am 3. April 1970 in New York, seine Ehefrau Rebekka war bereits am 27. November 1960 in New York verstorben. Siegfried wurde auf dem „Mount Lebanon Cemetery“ in Glendale, New York, beigesetzt.
Betrachten wir nun den Lebensweg von Siegfrieds und Rosas Sohn, das Schicksal von Fritz. Dieser besuchte bis zum 1. April 1932 die Volksschule in Falkenberg, diese verließ er im Sommer 1938 aufgrund der geplanten Auswanderung. In den USA versuchte er zunächst, seine Ausbildung auf der „Public School 93“ in Forest Hills fortzusetzen. Anschließend wechselte er auf die „Queens Vocational High School” in Long Island City. Diese besuchte er vom 8. September 1941 bis zum 17. September 1943.Er verließ sie allerdings ohne Abschluss, da er gezwungen war, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen, um seinen Lebensunterhalt selbst zu verdienen. Später diente er in der US-Armee, wo er es zum Rang des „Private First Class“ brachte. Später arbeitete er als Verkäufer für „American Window and Awning Co“.
Am 14. Mai 1949 heiratete er Anna Mae (Alice), geborene Goss, die am 22. Januar 1932 in Brooklyn geboren wurde. Am 27. Oktober 1950 wurde dann Frederick Calvin Dannenberg in West Islip, New York, geboren. Beruflich stellte er später Schränke her. Im März 1956 kam Tochter Carrol Ann als weiteres Kind hinzu. Später kam ein drittes Kind hinzu, am 2. Mai 1964 wurde Ronald Charles Dannenberg geboren. Carol Ann heirate später John Giunta (1949 bis 2009), im August 1979 wurde ihre Tochter Lee Giunta geboren, es folgten Nancy Giunta und ein weiteres Kind.
Fritz verstarb am 30. Januar 2007 in Port Saint Lucie, Florida, seine Ehefrau Anna Mae (Alice) war bereits am 11. August 1966 verstorben und in New York auf dem „Long Island National Cemetery“ beigesetzt worden.
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Die Verlegung der Stolpersteine beginnt am 14. Juni um 14.00 Uhr „Am Schlossberg Nummer 8“ in Falkenberg.