Beim Aufbau der Ausstellung, die ersten beiden Aluminium-Rahmen stehen
Julius Heilbronn, am 19. November 1897 in Falkenberg geboren, später im AEL Breitenau inhaftiert, am 1. Juni 1942 ins Vernichtungslager Sobibor deportiert und dort am 3. Juni 1942 ermordet
Isaak Wertheim, am 30. Juni 1871 in Falkenberg geboren, am 7. September 1942 ins Ghetto Theresienstadt deportiert von dort am 29. September 1942 ins Vernichtungslager Treblinka verschleppt und dort ermordet (Stadtarchiv Kassel, Best. A, „Volkskartei - Sonderkartei J“)
Von Thomas Schattner
Das jüdische Sprichwort der Überschrift dient als Motto für eine Ausstellung zur Geschichte der Synagogengemeinde Falkenberg-Hebel, die ab dem 13. Juni im Café am Gänsemarkt in Falkenberg zu sehen sein wird. Im Rahmen der 775-Jahrfeierlichkeiten des Waberner Ortsteils wurde diese Ausstellung im Auftrag von „Wir in Falkenberg e.V.“ konzipiert. Zur Eröffnung der Ausstellung um 14.00 Uhr im Rahmen des Ortsjubiläums haben sich Landrat Winfried Becker und Waberns Bürgermeister Claus Steinmetz angekündigt.
Auf 24 auf hochwertigen Aluminium aufgezogenen Stoffbahnen wird ein Bogen der jüdischen Geschichte der beiden Waberner Ortsteile von der ersten namentlichen Erwähnung eines jüdischen Mitbürgers im Jahr 1619 bis zu den heutigen Nachfahren der ehemaligen jüdischen Familien gespannt. Der Holocaust mit der absolut erschreckenden Anzahl von 42 ermordeten Mitbürgern aus Falkenberg und Hebel ist wichtiger Bestandteil der Ausstellung, schließlich ist er Teil der deutsch-jüdischen Geschichte der beiden Orte, aber bei weitem nicht der einzige. Symbolisch stehen dennoch die Nachfahren am Ende der Ausstellung, denn die Nationalsozialisten erreichten ihr Ziel nicht, Europa komplett „judenfrei“ zu machen. Auch deshalb leben heute Nachkommen der ehemaligen jüdischen Mitbürger aus Falkenberg und Hebel auf allen Kontinenten der Welt, z.B. in Argentinien, Australien, England, Israel, Italien, Simbabwe, Südafrika und in den USA.
Etwa 320 Jahre lebte die religiöse Minderheit in den beiden Orten, errichtete dort eine Synagoge, eine jüdische Schule, eine Mikwe (rituelles Tauchbad) und einen eigenen Friedhof. Diesen vier Themenkomplexen widmet die Ausstellung alleine die ersten sechs Stoffbahnen.
Die nächsten Themenkomplexe thematisieren die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts. Diese spiegelt zum einen Auswanderung und Emigration wider, zum anderen aber auch Abenteuerlust, Gold- und Diamantenrausch. Auf dem Höhepunkt des deutsch-jüdischen Zusammenlebens waren um das Jahr 1830 71 von 419 Falkenbergern Anhänger des jüdischen Glaubens, so dass es nicht verwunderlich ist, dass viele Kinder der jüdischen Familien auswanderten.
Drei weitere Kapitel der Ausstellung widmen sich herausragenden Persönlichkeiten aus der Synagogengemeinde, die als Thoraschreiber, Rabbiner usw. überregionale Bedeutung erlangten. Gleichzeitig assimilierten sich immer mehr jüdische Bewohner von Falkenberg und Hebel, die sich immer stärker als Deutsche, jüdischen Glaubens, definierten. Das zeigte u.a. auch der Erste Weltkrieg, an dem zahlreiche Gemeindemitglieder teilnahmen, allein zehn Hebeler Juden, darunter viele, die mit einer Tapferkeits- bzw. Kriegsauszeichnung für ihren Mut im Einsatz bedacht wurden.
Die sich in der Republik von Weimar änderten politischen Verhältnisse werden in der Ausstellung anhand von Biografien der Familie Goldschmidt aus Hebel dargestellt. Während Vater David Goldschmidt noch im Jahr 1930 unter großer Anteilnahme der Bevölkerung in Falkenberg auf dem jüdischen Friedhof beigesetzt wurde, wurden seine Söhne verfolgt, zur Auswanderung gezwungen und in Konzentrationslager verschleppt. Biografien von Erna Sauer und Margot Frenkel thematisieren beispielhaft Fluchtschicksale. Erna floh über Shanghai in China in die USA, Margot über England, die Tschechoslowakei und Israel nach Australien.
Auch dem vorläufigen Höhepunkt der antisemitischen Verfolgung, den Reichspogromnächten im November 1938 wird ein breiterer Raum in der Ausstellung eingeräumt. Ebenso den Kindertransporten, eine direkte Folge der Pogromnächte, die am Schicksal von Irmgard Wertheim (Jhg. 1924), nachvollzogen werden können.
Das Erlöschen alles Jüdischen im Jahr 1942 in den beiden Orten ging fließend in den Holocaust über, der mit zehn Hebeler und 32 Falkenberger ermordeter Juden und Jüdinnen eine unglaubliche Dimension erreichen sollte und insgesamt 42 Menschen am Ende das Leben kosten sollte. Auch den Opfern werden zwei Stoffbahnen gewidmet. Den Abschluss der Ausstellung bilden die Nachfahren, die einen großen Anteil am Zustandekommen der Ausstellung haben. Sie öffneten ihre Privat- bzw. Familienarchive und steuerten zahlreiche Dokumente und Fotografien zur Ausstellung bei. Dazu zeigt die Ausstellung Funde, z.B. aus amerikanischen, australischen, südafrikanischen, aber auch zahlreichen deutschen Archiven, die in rund 30-jähriger Forschungsarbeit zusammengetragen wurden.
Öffnungszeiten
Die Ausstellung ist vom 13. Juni bis zum 13. Juli 2025 in Falkenberg im Café am Gänsemarkt zu den normalen Öffnungszeiten zu sehen: Do u. Fr von 9.00 bis 18.00 Uhr, Sa von 7.30 bis 17.00 Uhr und So von 14.00 bis 17.00 Uhr. Führungen werden auf Wunsch angeboten.
Kontakt: hallo@falkenberg.jetzt
Nach Beendigung der Jahrfeier kann die Ausstellung über die gleichen Kontaktdaten von interessierten Institutionen, wie z.B. Schulen oder anderen Bildungseinrichtungen im Kreisgebiet ausgeliehen werden.