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Ausgabe 29/2024
Aus dem Rathaus wird berichtet
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Aus dem Rathaus wird berichtet

Siegfried Dannenberg (Sohn von David Dannenberg 1864 bis 1930) und sein Neffe David Michael Landsberg (1945 bis 2016) in New York im Jahr 1949 (Fotografie: Archiv James Dannenberg)

David Dannenberg, undatierte Fotografie, wahrscheinlich in Homberg aufgenommen (Fotografie: Archiv James Dannenberg)

Zeichnung von Johannes Kleinschmidt oder nach dem Werk von Johannes Kleinschmidt (Archiv James Dannenberg)

Postkarte von Falkenberg aus den 1920er Jahren, direkt am Berghang ist leicht von der Mitte nach rechts versetzt das Haus von Mendel Plaut Dannenberg deutlich zu erkennen, heute schließt ein Garagenanbau die Lücke zwischen den beiden Gebäuden (Postkarte: Archiv Thomas Schattner)

Joseph Dannenberg (Sohn von David Dannenberg 1864 bis 1938) im Jahr 1938, Joseph wurde im Jahr 1942 ermordet (Fotografie: Yad Vashem)

Neues Buch zur jüdischen Geschichte

Von Thomas Schattner

Falkenberg besitzt eine große jüdische Vergangenheit. Trotzdem oder gerade deswegen tat sich der Ort lange sehr schwer mit seiner jüdischen Geschichte. Nach Philipp Losch lebten im Jahr 1830 71 Juden unter den 348 Bürgern des Dorfes. Eine dieser Familien bewohnte seit dem Jahr 1835 das Haus „Am Schlossberg Nummer 8“. Diese Familie war die Familie von Mendel Plaut Dannenberg (1777 bis 1880).

Mendel wurde in Züschen geboren, kam in der napoleonischen Ära nach Falkenberg, gab sich 1808 den Nachnamen Dannenberg und gründete hier eine Familie. Mendel war zweimal verheiratet und Vater von elf Kindern. Trotzdem lebte er im Alter in Armut, so dass in israelitischen Zeitungen Spendenaufrufe für ihn veröffentlicht wurden. Dennoch erreichte er ein hohes Alter, Mendel wurde über 102 Jahre alt. Spenden und das hohe Alter machten sogar Kaiser Wilhelm I. auf Mendel aufmerksam. In diesem Zusammenhang entstand ein Gemälde des alten Mannes, von dem heute noch eine Zeichnung existiert, die von Johannes Kleinschmidt (1858 bis 1905) stammen dürfte, so dass wir auch wissen, wie Mendel aussah. Nebenbei dürfte diese Zeichnung das älteste Bildnis eines Falkenberger Bürgers sein.

Da Falkenberg einer so hohen Anzahl von Kindern einer Familie keine Lebensperspektiven bieten konnte, entschlossen sich etliche Kinder Mendels zur Auswanderung in die USA. Vor Ort in Falkenberg blieb der erstgeborene Sohn Josef(ph) Levi (1816 bis 1894), der als Viehhändler tätig war. Zusammen mit seiner Ehefrau Vagel (Fania) aus Sontra (1822 bis 1849) hatte er zehn Kinder, die sie gemeinsam versorgen mussten. Als Mendel alt und hilfsbedürftig wurde, konnte er sich nur noch auf Sohn Josef(ph) Levi verlassen, da ihm mit Sohn Joseph Isaak 1872 der zweite Sohn, der noch in Falkenberg gelebt hatte, verstorben war.

Diejenigen, die auswanderten, gingen in den USA ihren Weg. Einige Dannenbergs machten sogar Karriere. Und auch ihre in den USA gegründeten Familien waren erneut sehr kinderreich. Mendel und seine Ehefrau Bienchen (Moses) hatten insgesamt 34 Enkelkinder (Sohn Joseph hatte 15 Kinder, Sohn Moses 11 und Sohn Meyer 8). Die hatten wiederum 23 Nachkommen. Spätestens nun war in den USA eine Dynastie von Dannenbergs, deren Wurzel aber in Falkenberg lag, entstanden. Und auch in dieser finden wir sehr außergewöhnliche Lebensläufe.

Ein Teil der Familie blieb aber im Deutschen Reich, einige sogar in Falkenberg selbst. David Dannenberg (1865 bis 1938), ein Enkel von Mendel, lebte mit seiner Familie weiterhin „Am Schlossberg 8“ im heutigen Waberner Ortsteil. Im Jahr 1890 hatte er Rosa Goldschmidt (1862 bis 1938) geheiratet. Aus der Ehe gingen drei Söhne hervor, von denen ein Sohn als Jugendlicher verstarb.

Der jüngste Sohn Siegfried (1900 bis 1970) war dann der letzte Dannenberg, der im Haus, das einst sein Großvater eingetauscht hatte, wohnen blieb. Hier in Falkenberg wurde nach der Heirat mit Rebekka (Rosa) Wallach (1896 bis 1960) auch Sohn Isfred (Fred, 1925 bis 2007) geboren. Im Herbst 1938 sah sich die Familie gezwungen, in die USA auszuwandern, zu groß war der Druck der Nationalsozialisten auf die jüdische Bevölkerung des Deutschen Reiches geworden. Damit endete die Falkenberger Geschichte der Dannenbergs nach 130 Jahren. Noch schlimmer traf das Schicksal Siegfrieds Bruder Joseph (1894 bis 1942), der als Rabbiner in Krefeld mit seiner Familie lebte. Er wurde ein Opfer des NS-Rassenwahns. Joseph wurde im Jahr 1942 im Ghetto Izbica (Nähe Lublin, Polen) in einem nationalsozialistischen Vernichtungslager ermordet.

Während der Autor vornehmlich in deutschen und besonders in hessischen Archiven zur Familie Dannenberg recherchierte (Arolsen Archives, HHStAW und HStAM) gelang es ihm im November 2023, per E-Mail Kontakt zu James Dannenberg, einem Nachfahren der Falkenberger Dannenbergs aufzunehmen. Seit dem gingen zahlreiche Emails hin und her. In diesen hat James Dannenberg für diese Publikation sein Familienarchiv zur Verfügung gestellt. In einer E-Mail vom 19. Dezember 2023 schrieb James: „Mein Urgroßvater Simon Dannenberg hatte Fotoalben, die ich schließlich geerbt habe. Die Fotos der Geschwister waren allesamt hochwertige Studioporträts, die sich im Laufe der Zeit gut gehalten haben. Ich habe auch Porträts der Ehegatten der Geschwister und habe alle Familienlinien zurückverfolgt“. An deren Ende steht Mendel Plaut Dannenberg (1777 bis 1880), der erste Falkenberger Dannenberg.

Die Ergebnisse der jahrzehntelangen Forschungen zur Familie von James Dannenberg und der gemeinsamen interkontinentalen Kooperation können hier erstmals einer interessierten Öffentlichkeit in Form von einzigartigen Dokumenten und Fotografien in stattlicher Anzahl in Buchform vorgelegt werden. Falkenberg kann sich glücklich schätzen und vor allem stolz darauf sein, eine solch bedeutsame Familie wie die Dannenbergs in seiner Ortsgeschichte verankert zu wissen, die zahlreiche außergewöhnliche Biografien hervorgebracht hat.

Das Buch von James Dannenberg und Thomas Schattner ist unter dem Titel „Die Dannenbergs aus Falkenberg: Spurensuche zu einer jüdischen Familiengeschichte aus Nordhessen“ unter der ISBN-Nummer 979-8329632255 erschienen. Dort ist zeitgleich eine englischsprachige Ausgabe des Buches mit dem Titel „The Dannenbergs from Falkenberg: Tracing a jewish familiy history from northern Hesse“ verlegt worden.