Ein möglicher Standort der jüdischen Schule in Falkenberg ist diese Baulücke unterhalb des Standorts der Synagoge (Fotografie: Thomas Schattner)
Lehrer Max Mendel Katz (1862 bis 1938) mit seiner Ehefrau Jettchen Ida Levi (1866 bis 1941), der von 1879 bis 1884 in Falkenberg unterrichtete (Fotografie: Archiv Ori Joseph Avihail)
Levi Katz (1876 bis 1963) aus Borken war der letzte Lehrer, der die jüdischen Kinder nach dem Ersten Weltkrieg in Falkenberg unterrichtete, nachdem die Schule bereits im Jahr 1908 geschlossen worden war (Fotografie 1954, Archiv Paul Katzer, USA)
Leopold Vogel (1895 bis 1941), einer der drei Schüler der Schule, die später selbst Lehrer und Rabbiner wurden (Fotografie: Archiv Thomas Schattner)
Von Thomas Schattner
In der wenigen Literatur zur jüdischen Geschichte Falkenbergs findet sich mehrfach der Hinweis, die israelitische Religionsschule lasse sich ab dem Jahr 1829 nachweisen. Fritz Dreytza vertrat sogar die These, dass die Schule um 1800 gegründet wurde. Dies scheint auch richtig zu sein, da 1805 bereits eine jüdische Schule in Falkenberg nach einer schriftlichen Erwähnung aus dem Jahr 1940 existierte (Fritz Stück, 1940). In dieser frühen Phase sei allerdings vom jeweiligen Gemeindeältesten der Unterricht geleitet worden.
Dennoch ist die Datierung auf das Jahr 1829 vor dem Hintergrund der jüdischen Geschichte Falkenbergs glaubhaft und nachvollziehbar, wenn man regulären Unterricht und reguläre Unterrichtsräume voraussetzt. Vermutlich gab es bereits seit dem 16. und 17. Jahrhundert jüdische Mitbürger im Ort, doch ihre Hochzeit erreichte die jüdische Gemeinde erst um das Jahr 1830. Nach Philipp Losch (Hessenland 1927, Heft 4) lebten um 1830 zehn Handelsjuden mit insgesamt 71 Familienmitgliedern im Dorf, sodass sich die Errichtung einer jüdischen Schule angeboten haben dürfte.
Der 3. November 1829 war der offizielle Gründungstag der Falkenberger Religionsschule, denn an diesem Tag erkannte die Kürfürstliche Regierung in Kassel die Institution als öffentliche Elementarschule für israelitische Kinder an. Dies passt auch mit der Tatsache zusammen, dass im Jahr 1837 die Lehrerstelle nach dem Tod von Meyer Meinfeld (Meyenfeld) neu besetzt werden musste.
Vermutlich wurde der Unterricht noch in provisorischen Privaträumen abgehalten. Aus einer Bauakte im Marburger Staatsarchiv aus dem Jahr 1840 ergeben sich Hinweise darauf, dass sich der Umbau zu einem rein funktionalen Schulgebäude noch im Werden befand. Denn sowohl der Schulsaal als auch ein Festsaal wurden nun gedielt, eine Treppe in Auftrag gegeben und ein Ofen gesetzt (HStAM, Best. 190a Homberg, Nr. 86).
Über den Standort des Schulgebäudes gibt es nur ganz spärliche Hinweise. In einem Dokument im Privatarchiv Henschel von 1805 findet man nach Fritz Stück aus dem Jahr 1940 die Formulierung: „Syhagoge und Plaz vor der Judenschule“.
Ein weiterer Hinweis findet sich erneut bei Philipp Losch: „Die Judenschule stand bis zu den Reichspogromnächten unterhalb der heutigen Schule (1940)“. Dazu gab es nach Paul Arnsberg (1971) eine Lehrerwohnung und eine Mikwe.
Bei ihm heißt es auch, dass aus der Religionsschule ab dem Jahr 1872 eine öffentliche Elementarschule wurde (Arnsberg 1971). Dies geschah am 11. März 1872 vor dem Hintergrund der Gleichberechtigung der jüdischen Bürger im Deutschen Reich. So wurden die israelitischen Religionsschulen zur israelitischen Volksschulen.
Anfang April 1908 endete dann die Geschichte der Schule als Einrichtung, sie wurde nach Homberg verlegt. Dennoch wurden auch danach noch jüdische
Kinder in Falkenberg unterrichtet. Dies geschah nun erneut aber in privaten Räumen und einfacher aufgrund der geringen Schülerzahlen organisiert. Ein Jahr vor der Schulschließung war sie im Dezember 1907 kreisärztlich besichtigt worden. Da diese Visitation gut dokumentiert ist, haben wir Kenntnisse von der Architektur des Hauses und vom inneren Aussehen der Schule.
Das neun Mal sieben Meter große Gebäude war damals in einem sehr schlechten baulichen Zustand. Zudem sorgten Rauchbelästigungen durch das nahegelegene Gemeindebackhaus und Geruchsbelästigungen durch den schlecht belüfteten schuleigenen Abort für Beeinträchtigungen des Unterrichts. Des Weiteren stand der Keller teilweise unter Wasser. Da half es auch nichts, dass neben dem Schulsaal ein großer Festsaal im Gebäude vorhanden war, wie aus einer Bauakte der Jahre 1840/41 hervorgeht. Im Jahr 1907 bestand das Inventar noch drei
Bänken im Schulsaal, dazu einige Tische. Zum Gebäude gehörte auch die Lehrerwohnung, die aber keinen eigenen, separaten Eingang besaß.
Als ebenso schwierig wie beim Schulgebäude selbst stellt sich der Forschungsstand bei den in Falkenberg unterrichtenden Lehrern dar. Viel mehr als einige Hinweise auf der Seite von „Alemannia Judaica“ und Recherchen von Fritz Dreytza sind nicht publiziert.
In dieser Publikation werden die Biografien von zehn Pädagogen, so gut es die Quellenlage zulässt, die eine Anstellung an der Falkenberger Schule besaßen, dargestellt. Hinzu kommt die Biografie von Levi Katz, der nach dem Ersten Weltkrieg als Lehrer der jüdischen Schule in Borken vertretungsweise Falkenberger Schüler unterrichtete. Somit liegt zu allen Lehrern zumindest skizzenhaft Material vor, nur zu Ruben Langes Vorgängern, den ersten vier Lehrern, die in Falkenberg vermutlich noch in Privaträumen und ohne abgeschlossenen Ausbildung unterrichtet haben, liegt ganz wenige Quellen vor.
Ruben Lange wäre demnach der erste „offizielle“ Lehrer der jüdischen bzw. israelitischen Schule in Falkenberg gewesen. Seine dortige Tätigkeit kann durch die Synagogenbücher, die sich im Hessischen Hauptstaatsarchiv in Wiesbaden befinden, ab dem Jahr 1841 nachgewiesen werden. Insgesamt konnten so namentlich elf Pädagogen ermittelt werden, die in Falkenbergs Schule unterrichtlich tätig waren, wobei drei von ihnen vermutlich nur Hilfslehrer gewesen sind.
Soweit wie möglich, wurden auch die Familien der Lehrer miteinbezogen. Schließlich waren die Mitglieder der Familien Lotheim und Katz direkt vom nationalsozialistischen Völkermord betroffen. Einige Familienmitglieder konnten fliehen, andere wurden ermordet.
Abgerundet werden die Betrachtungen zu Falkenbergs jüdischer Schule mit drei Biografien von Schülern, die später selbst als Lehrer und Rabbiner tätig waren, bevor sie Opfer des Rassenwahns der Nationalsozialisten wurden.
Kurzum: Mit dieser Publikation wird erstmals der Versuch unternommen, Biografien von Lehrkräften einer jüdischen Schule im Schwalm-Eder-Kreis zu thematisieren. Vergleichbare Arbeiten existieren bisher noch nicht. Vielleicht spornt diese Publikation den einen oder anderen Lokalforscher dazu an, ähnliche Wege der Spurensuche in seiner Region zu gehen.
Das 427 Seiten umfassende und reich bebilderte Buch von Thomas Schattner und Rainer Scherb ist unter dem Titel „Die jüdische Schule in Falkenberg/Hessen; Die Lehrer, die Familien, die Schüler“ unter der ISBN-13-979-8291848180 erschienen.