Uttershausens Ortstafel (Fotografie Thomas Schattner)
Das „MLC-Schild“ an der Uttershäuser Schwalmbrücke beim Brückenhäuschen (Fotografie: Thomas Schattner)
Sprengschacht an der Schwalmbrücke zwischen Uttershausen und Unshausen (Fotografie: Thomas Schattner)
Von Thomas Schattner
Im Jahr 2022 kam in Uttershausen ein historisches Kleinod auf einem Dachboden zu Tage, welches rund 100 Jahre zuvor seine Bedeutung verloren hatte. Umso erfreulicher, dass es sich bis heute erhalten hat: Die kaum beschädigte alte preußische Ortstafel aus dem Jahr 1869 wurde im März diesen Jahres 155 Jahre alt.
Bei ersten Recherchen stellte der Autor fest, dass sich zwar einige Ortstafeln in der Umgebung erhalten haben und oft auch als Illustration in Dorfchroniken finden, aber dass es kaum einordnende Literatur zum Thema gibt. Nach einem halben Jahr forschendem Suchen und Recherchieren kann nun ein Ergebnis in Form einer kleinen Publikation vorgelegt werden, die erstmals in Ansätzen in die Thematik der preußischen Ortstafeln in Kurhessen bzw. dem heutigen Regierungsbezirk Kassel einführt. Dabei erwies sich eine Akte im Bestand des alten Landratsamts Fritzlar, die sich im Marburger Staatsarchiv befindet, als besonders erhellend und ergiebig. Zusammen mit Erkenntnissen aus einer kleinen Anzahl von Publikationen kann so eine Einführung in die Thematik der interessierten Öffentlichkeit vorgestellt werden. Zum Vergleich werden auch acht weitere Ortstafeln, die im Kreisgebiet erhalten geblieben sind, vorgestellt.
Ergänzend dazu geht der Autor auch auf die „MLC-Schilder“ an Uttershausens Schwalm-Brücke ein, da diese in gewisser Weise in der Tradition der preußischen Ortstafeln mit ihren militärischen Inhalten und Informationen stehen. Die Abkürzung „MLC“ steht für „Military Load Class“, was frei übersetzt „Klasse der militärischen Last“ bedeutet. Ihre Geschichte begann im Kalten Krieg, etwa ab dem Jahr 1960 wurden sie von der NATO (Nordatlantisches Verteidigungsbündnis) aufgestellt.
Die damaligen Militärkarten kannten keine Angaben über die zulässige Belastung von Brücken. Um rasche und reibungslose militärische Bewegungen auch und gerade von schwerem Gerät wie Panzern zu sichern, sollten diese Schilder den Panzer- und Lastkraftwagenfahrern wichtige Informationen liefern. Deshalb wurden diese beiden militärischen Transportmittel auch häufig durch Symbole auf diesen Schildern abgebildet. Im Zuge des Endes des Kalten Krieges sind diese Schilder in den alten Bundesländern verschwunden, in den neuen wurden sie bereits gar nicht mehr aufgestellt. Aber in der Gemarkung Uttershausen haben sie überlebt.
Und noch etwas Militärisches aus dem Kalten Krieg hat sich in der Gemarkung Uttershausen bis zur Gegenwart erhalten. An der Schwalm-Brücke zwischen Uttershausen und Unshausen befinden sich noch heute zwei Sprengschächte. Auch zu diesem Themenkomplex finden sich Ausführungen in der kleinen Publikation. Die NATO ging im Kalten Krieg davon aus, dass wenn ein Angriff des Warschauer Pakts stattfinden würde, dieser im Raum Fulda (Fulda Gap) erfolgen würde. Da auch Kassel im Norden ein Angriffsziel in diesen Planungen war, gehörte es zur NATO-Strategie, innerhalb eines etwa 50 Kilometer langen Streifens innerhalb der innerdeutschen Grenze Sprengschächte an Ausfahrtstraßen, Brücken, Gleisanlagen, etc. anzulegen, die den möglichen Vormarsch nach ihrer Zündung des Gegners behinderten sollten. Dass diese auch möglicherweise gegen die flüchtende westdeutsche Zivilbevölkerung eingesetzt werden sollten und konnten, verschwiegen die US-Truppen zum damaligen Zeitpunkt. Dazu ein ehemaliger Bundeswehroffizier: „Überall in der Bundesrepublik gab es vorbereitet Gelände- und Straßensperren. Diese bestanden u.a. aus drei mehrere Meter tiefen Schächten, in denen bei Feindangriff Sprengstoff zur Explosion gebracht werden sollte, um so das weitere Vordringen des Gegners zumindest vorübergehend zu stoppen. Diese Sperren gab es auch im Schwalm Eder Kreis. Es waren aber auch grenznahe atomare Bodensperren geplant [...]“. Die Sprengladungen und die Zündschnüre für die Sprengschächte lagerten in den Depotbunkern (sogenannten Sperrmittelhäusern).
Die kleine 87 Seiten starke Publikation ist unter dem Titel „Uttershausens preußische Ortstafel aus dem Jahr 1869“ unter der ISBN-Nummer 9798334568082 erschienen.