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Ausgabe 4/2025
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Neues Buch: Wabern in den Jahren 1930 bis 1932 in der Republik von Weimar von Thomas Schattner

Wabern in den Jahren 1930 bis 1932 in der Republik von Weimar

von Thomas Schattner

Blickt man zu Jahresbeginn auf die politische und gesellschaftliche Situation der Bundesrepublik in der letzten Wochen und Monaten, denkt man sofort an das Aus der Ampel-Koalition, aber auch an eine zunehmende politische Bedeutung durch die Wahlerfolge populistischer Parteien wie der AfD und des BSW. Bereits jetzt dominiert der anlaufende Bundestagswahlkampf medial. Und viele Zeitgenossen fürchten eine weitere politische Radikalisierung der Gesellschaft.

Thomas Schattner hat das zum Anlass genommen, eine in Teilen vergleichbare Zeit historisch zu dokumentieren, die Jahre 1930 bis 1932. Dies geschieht exemplarisch am Beispiel von Wabern. Die Geschichte des Ortes in diesen Jahren ist sehr gut in Akten des Marburger Staatsarchivs überliefert. Zwei große Themenkomplexe dominieren die historische Überlieferung Waberns in dieser Zeit: Der Wahlkampf der NSDAP (Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei) im Vorfeld der Reichstagswahl im September 1930, der einer permanenten Mobilmachung glich (die heute auf Telegram und TikTok stattfindet), und die Bauernkundgebung im Sommer 1931.

Der Historiker Ingo Sielaff schrieb in seinem Vorwort: „ Der NSDAP-Ortsgruppe Wabern kam in den Landkreisen Fritzlar und Homberg eine Vorreiterrolle zu. Von ihr gingen zahlreiche Impulse in andere Regionen Nordhessens aus. Thomas Schattner stützt sich bei seinen Recherchen auf zahlreiche aussagekräftige, historische Quellen und arbeitet sorgfältig heraus, wie die lokalen NSDAP-Repräsentanten aus kleinesten Anfängen heraus eine - im wahrsten Sinne des Wortes - schlagkräftige Parteiorganisation aufbauten. […] Es wird deutlich, welchen Zulauf und welch hohe Zustimmungswerte die neu gegründete Ortsgruppe erhielt. […] Die radikalen Parolen, die nationalsozialistischen Wertvorstellungen, der Antisemitismus und der offen zutage tretende Rassismus fanden in breiten Bevölkerungskreisen Gehör. Die NS-Veranstaltungen und Kundgebungen in Wabern waren gut besucht. Das Besondere: Thomas Schattner stellt die lokalen Ereignisse der Jahre 1930ff. in den zeithistorischen Kontext und schlägt zudem gedankliche Brücken in die Gegenwart. So werden deutliche Parallelen des Geschehens zu Beginn der 1930er Jahre mit heutigen gesellschaftlich-politischen Entwicklungen offenkundig. Der Weg in die Diktatur fing mit kleinen Schritten an“.

Das Buch ist im Ergebnis ist eine „Warnung der Geschichte“. „Wir haben Hitler nicht aus Dummheit gewählt, sondern aus Not“, schrieb später ein Waberner

Das Plakat zur Bauernkundgebung in Wabern 1931 (HStAM, Slg. 16, Nr. c 26, ein zweites Exemplar befindet sich in: HStAM, Best. LA FZ 180, Nr. 1576)

Landwirt. Dazu erneut Ingo Sielaff: „Dieses Zitat sagt viel aus. Zum einen liefert es eine vermeintliche Erklärung für die Wahlerfolge der rechtsradikalen Partei. Motto: Wir wählen die Partei, die verspricht, uns aus der Krise zu führen. Die anderen Parteien schaffen es ja nicht. Wir wählen also notgedrungen die NSDAP.

Wirklich? Außer der Not und politischer Naivität gab es - wie Thomas Schattner aufzeigt - für die Zeitgenossen zahlreche andere Beweggründe, die Hitler-Partei zu wählen: Viele sympathisierten grundsätzlich mit den Werten der Nationalsozialisten, waren selber antisemitisch eingestellt, intolerant und forderten einen autoritären, starken Staat. Es gab Opportunisten, die sich

Karrierechancen versprachen. Viele glaubten nur zu gerne an die Illusion einer einheitlichen Volksgemeinschaft.

Angst vor einem wirtschaftlichen Niedergang Deutschlands, Sorgen vor einer ungewissen Zukunft, der Wunsch nach einfachen Antworten und Erklärungen für komplizierte Problemlagen - all das waren weitere Gründe für Wahlentscheidungen. Thomas Schattner belegt, dass derartige Überlegungen auch in Wabern eine wichtige Rolle gespielt haben.

Durch den Vergleich historischer und gegenwärtiger Tatsachen wirft er unweigerlich die Frage nach Analogien und Gemeinsamkeiten auf. Ähnelt der heutige Erfolg rechtspopulistischer Parteien dem Aufstieg der Waberner NSDAP-Ortsgruppe?

Thomas Schattner bejaht diese Frage, zieht daraus die logische Schlussfolgerung und empfiehlt seinen Leserinnen und Lesern: „Wehret den Anfängen“.

Zu Recht. Die Nationalsozialisten brauchten nur zwölf Jahre, um Deutschland militärisch, wirtschaftlich, gesellschaftlich, kulturell, finanziell und moralisch vollständig zu ruinieren. Die Historiker haben nach dem Zweiten Weltkrieg die Schritte in diese ´totale Katastrophe´ detailliert und für jedermann leicht nachvollziehbar nachgezeichnet“.

Fotografien und Presseberichte runden die Dokumentation ebenso ab wie „Wahlkampfschlaglichter“ aus dem Uttershausen der Jahre 1931 und 1932. Dazu werden drei frühe NS-Repräsentanten Wabern in biografischen Skizzen vorgestellt, u.a. der NSDAP-Ortsgruppenleiter. Anhänge in Form einer Zeitleiste und eines Glossars zum historischen Kontext runden das Buch ab.

Das 196 Seiten starke Buch ist bei Amazon unter dem Titel „Wabern am Ende der Republik von Weimar: Eine Mahnung der Geschichte - Exemplarische Studien und Dokumente zur lokalen Machtübernahme der NSDAP 1930ff.“ mit der ISBN-Nr. 979-8303046030 erschienen.