Titel Logo
Nachrichten aus Wohratal
Ausgabe 5/2025
Aus den Ortsteilen
Zurück zur vorigen Seite
Zurück zur ersten Seite der aktuellen Ausgabe

Aus den Ortsteilen

Ansprache durch Ronald Kadden

Stolpersteine Familie Kadden

Duo Santiago

Schülerinnen und Schüler der MPS Wohratal

Nachdem 2023 die ersten Stolpersteine in Wohra und Halsdorf verlegt worden waren, folgte nun am Dienstag, 01.04.2025, die zweite Verlegezeremonie in Halsdorf.

Bürgermeister Heiko Dawedeit begrüßte die anwesenden Gäste, dabei Klaus Weber als Vertreter des Landrates, den Vorsitzenden des Kreistages Detlef Ruffert und Peter Hartmann, der die Landtagsabgeordnete Marie-Sophie Künkel vertrat. Ganz besonders begrüßte Heiko Dawedeit die speziell zu diesem Anlass angereisten Nachfahren jüdischer Mitbürger aus den USA und Gunter Demnig, dem Initiator des Stolpersteinprojektes.

Die Verlegezeremonie begann in der Auestraße 15. Hier lebte bis zu ihrer Vertreibung und Ermordung die Familie von Max Rosenfeld. Max Rosenfeld betrieb ein Bekleidungsgeschäft. Zum Gedenken an die Familie wurden fünf Stolpersteine für Max, seine Frau Selma, ihre Kinder Hermann und Bertel, sowie für Julchen Stern, der Schwiegermutter von Max, verlegt.

Thorsten Schmermund von der jüdischen Gemeinde Marburg sprach ein Gebet.

Nächster Verlegepunkt war im Heckenweg 6. Hier lebte die Familie des Viehhändlers Meier Katten III. Es wurden ebenfalls fünf Steine verlegt: Für Meier III, seine Frau Minna und ihren Sohn Manfred, außerdem für die beiden Brüder von Meier III, Siegmund und Julius Katten. Allen Mitgliedern der Familie gelang die Flucht in die USA.

Dieter Engel sagte in seiner Ansprache, dass der „Künstler Gunter Demnig ein einmaliges und dauerhaftes Mahnmal für die Opfer des Holocaust geschaffen habe.“ Jürgen Fischer berichtete in seiner sehr persönlichen Rede über das freundschaftliche Verhältnis seiner Großtante mit den Kattens, wies aber darauf hin, dass es auch in Halsdorf Denunzianten gab, die die Juden bei den Behörden anzeigten.

Eine weitere Verlegung erfolgte in der Hauptstraße 23. Hier lebte die Familie des letzten Vorsitzenden der jüdischen Gemeinde Halsdorf, Meier Katten II. Nach Abriss des Wohnhauses 1978 wurde auf dem Grundstück die heutige Kindertagesstätte „Sonnenblume“ errichtet. Nach einer Ansprache von Pfarrer Martin Hahn, der das frühere Verhalten der protestantischen Kirche gegenüber den Juden kritisch hinterfragte, erfolgte eine gesangliche Darbietung von Kindern der Kindertagesstätte.

Die Kinder sangen das Lied „Schalom Israel“, in das die Besucher aus den USA einstimmten. Dies war ein sehr bewegender Moment.

Hier wurden sechs Stolpersteine verlegt: Für Meier II, seine Frau Johanna (Jette), ihre Kinder Salomon Friedrich (Fritz), Ilse und Hermann, sowie für den Bruder von Meier, Adolf. Die Familie flüchtete in die USA, Adolf Katten beging noch vor Ankunft in Amerika Selbstmord.

Die vierte Verlegung erfolgte nach einer Ansprache des Schulleiters der Mittelpunktschule Wohratal an der ehemaligen jüdischen Schule und der Synagoge Halsdorfs. Hier wurden fünf Steine für Kaufmann Levi (Kantor und Lehrer), seine Frau Laura und ihre Kinder Lore, Manfred und Bertha verlegt.

Die Levis flohen 1935 und 1939 nach Palästina.

Die letzte Verlegung erfolgte in der Mühlbergstraße 16. Hier wohnte die Familie von Salomon und Malchen Kadden. Die aus Amerika und Israel angereisten zwölf Gäste sind Nachfahren von Salomon und Malchen. Ronald Kadden übernahm die bewegende Ansprache für die Nachfahren. Er sprach über das gedeihliche Miteinander von Juden und Christen, zitierte dabei seinen Großvater Salomon mit den Worten „Deutschland war ein gutes Land vor Hitler“. Er ging dann auf die Verfolgung seiner Familie ein. Auf seine Großmutter, die die Thora vor den Nazis während der sogenannten Reichskristallnacht retten konnte und die Verhaftung seines Großvaters wegen „staatsfeindlicher“ Äußerungen. Er wurde zunächst in Marburg inhaftiert und später ins Oranienburger KZ deportiert. Durch Intervention seiner Tochter Gerda durfte er das KZ wieder verlassen.

Gerhard Paesler, dessen Mutter mit der Familie Kadden ein gutes Verhältnis hatte, ergänzte die Ausführungen der Rede von Ronald Kadden.

Bewegender Höhepunkt der Stolpersteinverlegungen war das angestimmte jüdische Lied der anwesenden Kaddens, das als Zeichen der Versöhnung auch viele weitere Besucher der Stolpersteinverlegung zu Tränen rührte.

In der Mühlbergstraße 16 wurden für folgende Personen Steine verlegt:

Salomon und Malchen Kadden, sowie für ihre Kinder Siegmund, Gerda und Adolf.

Am Ende der Veranstaltung bedankte sich Bürgermeister Dawedeit beim Arbeitskreis Stolpersteine Halsdorf für die Recherche und Vorbereitung, dem Bauhof für die Vorbereitung der Verlegungsplätze, Nicole Metke von der Gemeindeverwaltung für Übersetzungsdienste und weitere Vorbereitungsarbeiten, dem „Duo Santiago“ für die einfühlsame musikalische Begleitung und den Gästen aus Amerika. Ganz besonders bedankte er sich bei der Lehrerin Monika Lemmer und ihren SchülerInnen für die Vorbereitung und Verlesung der Kurzbiografien der ehemals in Halsdorf lebenden Juden.

Die Veranstaltung endete mit einem Imbiss und einem interessanten und kurzweiligen Austausch mit den angereisten Gästen und einem anschließendem Besuch auf dem jüdischen Friedhof.

Abschließender Hinweis:

Gemäß den Regeln des Künstlers Gunter Demnig werden Stolpersteine in der Regel am letzten freiwilligen Wohnort der Juden in der Zeit von 1933 bis 1945 verlegt. Menschen jüdischen Glauben, für die bereits ein Stolperstein verlegt wurde, erhalten keinen weiteren Stein.

In Halsdorf betrifft dies:

Goldine Kadden. Sie verzog nach Heirat 1931 nach Bischhausen. Dort wurde 2012 ein Stolperstein für Sie verlegt. Sie konnte in die USA fliehen. (Mühlbergstraße 16)

Sanny Katten heiratete 1935 nach Treis an der Lumda. Auch sie konnte in die USA fliehen. (Hauptstraße 23)

Helmut Levi zog nach Heirat nach Berlin und von dort in die Niederlande. Von dort wurde er ins KZ Auschwitz deportiert und am 24.11.1943 ermordet.

Wir möchten an dieser Stelle auch an diese Opfer des Nationalsozialismus erinnern und gedenken.

Für den „Arbeitskreis Stolpersteine“
Für die Gemeinde Wohratal
Klaus-Dieter Engel
Heiko Dawedeit