Ormesheimer: Hans Werner Braun (de Wiss)
Alles was wir für unsere Arbeit brauchten, die Geräte und die Dinge für Operationen wurden verpackt. Während die Verwundeten mit Militärfahrzeugen transportiert werden sollten, war für alles andere und für uns die Eisenbahn vorgesehen. Doch vorher erlebte ich noch eine schlimme Geschichte. Ein Soldat lag da in einem elenden Zustand. Er brauchte unbedingt eine Blutübertragung. Hierfür wurden immer Leute aus dem Volk ausgesucht. Da die Blutgruppe des Spenders immer identisch mit der des Empfängers sein musste, gab es da Schwierigkeiten. Für uns Schwestern war es streng verboten, Blut zu spenden. Ich wusste jedoch, dass ich Blutgruppe 0 besaß und sagte dies dem Oberarzt. Der sagte erfreut dem sterbenskranken Soldaten, jetzt ginge es aufwärts und diese hübsche Schwester ist ihr Glück. Sofort wurde mit der Blutübertragung begonnen. Doch welch ein Schock! Mittendrin bei der Übertragung kam auf einmal nur noch Schaum. Das Blut hatte nicht ausgereicht und gleich fiel mir ein, dass ich als Kind unter Blutarmut gelitten hatte. Matt und müde schlich ich an der Wand entlang und begegnete ausgerechnet der Oberschwester Lydia, die mich gründlich ausgeschimpft hat. Zu allem Übel erfuhr ich am nächsten Morgen, dass der junge Soldat, den ich retten wollte, verstorben ist.
Dann ging die lange Fahrt los. Im Sudetenland sahen wir ganz junge Buben, die mit Panzerfäusten unterwegs waren, hinein ins Kriegsgebiet, aus dem wir geflohen sind. Oh Gott, habe ich gedacht, die Kerlchen gehen dem Tod entgegen. In einem Ort hielten wir an, da wurden die mitgeführten Sanitätskraftwagen ausgeladen, mit denen wir weiterfuhren. Der Oberarzt teilte uns in Gruppen ein für die einzelnen Wagen. Ich konnte in dem Wagen mitfahren, in dem auch der Oberarzt saß. Als wir einmal an einer Straßenkreuzung anhielten, beriet ich mich mit einer Schwester aus Dillingen, ob wir nicht einfach feldeinlaufen sollten, der Heimat entgegen. Dass der Krieg zu Ende ging, wussten wir. Der Oberarzt bemerkte das und fragte uns, was wir vorhätten. Er sagte uns, dass alles vermint wäre und viel zu gefährlich für ein solches Vorhaben. Bleibt lieber bei mir, dann seid ihr sicherer. Bald darauf sagte er uns, er mache jetzt mit uns was Unerlaubtes. Er steckte eine Rote-Kreuz-Fahne auf das Fahrzeug und wir fuhren querfeldein los. Ein Vorteil war, dass sich der Oberarzt gut auskannte, weil er in früheren Zeiten hier Urlaub gemacht hatte. Dadurch, dass wir über straßenloses Gelände gefahren waren, sind wir so den Russen entkommen, unter denen andere Schwestern Schlimmes erlebt haben. Auf einem Hügel wurden wir von Tschechen gestoppt. Einer von ihnen wollte sich an einer von unseren Schwestern vergreifen. Da sprang unser Beschützer, der Oberarzt, hervor und schrie ihn an, wir unterständen der Genfer Konvention. Er konnte sie damit einschüchtern und sie ließen von uns ab. (Fortsetzung folgt!).