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Ausgabe 46/2025
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Erinnern, um zu verstehen

Gedanken zum Volkstrauertag

Am 16. November 2025 begeht Deutschland den Volkstrauertag – ein Tag des stillen Gedenkens an die Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft. Im Mittelpunkt steht wie jedes Jahr die zentrale Gedenkveranstaltung in der Neuen Wache in Berlin, der zentralen Gedenkstätte der Bundesrepublik Deutschland seit 1993.

Zentrale Gedenkfeier in Berlin

In der Neuen Wache werden Repräsentanten der Verfassungsorgane, der Staatspräsident Italiens, Vertreter des Landes Berlin, der Präsident des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge (VDK) sowie der Generalinspekteur der Bundeswehr Kränze niederlegen.

Sie gedenken dort der Opfer an der eindrucksvollen Bronzeskulptur „Mutter mit totem Sohn“ – einer Pietà der Bildhauerin Käthe Kollwitz, die mit schlichter Symbolkraft das Leid von Krieg und Verlust ausdrückt.

Bundesweit werden an diesem Tag öffentliche Gebäude auf halbmast beflaggt – ein sichtbares Zeichen der Trauer und Mahnung.

Vom Ersten Weltkrieg zum Tag der Mahnung

Seinen Ursprung hat der Volkstrauertag im Gedenken an die gefallenen Soldaten des Ersten Weltkriegs. Nach dem Ende des Krieges 1918 setzten sich der Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge, Politiker und Vereine für ein öffentliches Erinnern ein. Die Motive waren damals vielfältig: Sie reichten von der patriotischen Heldenverehrung bis zur mitfühlenden Anteilnahme mit den Hinterbliebenen.

Während Länder wie Frankreich und Großbritannien den 11. November, den Tag des Waffenstillstands, zu ihrem nationalen Gedenktag erklärten, suchte das Deutsche Reich noch nach einer eigenen Form des Erinnerns. Erst 1922gedachte der Reichstag erstmals offiziell der Gefallenen. Der damalige Reichstagspräsident Paul Löbe fand Worte, die bis heute nachhallen:

„Leiden zu lindern, Wunden zu heilen, aber auch die Toten zu ehren […] bedeutet die Abkehr vom Hass, bedeutet die Hinkehr zur Liebe.“

Instrumentalisierung und Neubeginn

Mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933 verlor der Tag seine ursprüngliche Bedeutung. 1934 erklärte die NSDAP den Volkstrauertag zum „Heldengedenktag“, ein propagandistisch geprägter Feiertag unter der Regie von Joseph Goebbels.

Nur wenige Jahre später begann mit dem deutschen Überfall auf Polen der Zweite Weltkrieg – ein Krieg, der weltweit etwa 70 Millionen Menschenleben forderte.

Nach 1945 entwickelte sich die Erinnerungskultur in Ost und West unterschiedlich. In der Bundesrepublik wurde der Volkstrauertag 1952 als staatlicher Gedenktag neu eingeführt – nun nicht mehr nur für gefallene Soldaten, sondern für alle Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft.

In der DDR gedachte man der Opfer des Faschismus, vor allem kommunistischer Widerstandskämpfer; gefallene deutsche Soldaten blieben weitgehend ausgeklammert. Erst seit der Wiedervereinigung 1990 gilt der Volkstrauertag wieder bundesweit einheitlich.

80 Jahre nach Kriegsende: Die letzten Stimmen der Zeitzeugen

Der Volkstrauertag fällt stets zwei Sonntage vor dem ersten Advent – zwischen den katholischen Gedenktagen Allerheiligen/Allerseelen und dem evangelischen Totensonntag.

Das Jahr 2025 steht im Zeichen des 80. Jahrestags des Endes des Zweiten Weltkriegs. Die Generation der Zeitzeugen wird womöglich zum letzten Mal ihre Erinnerungen persönlich weitergeben können. Umso größer ist die Verantwortung der nachfolgenden Generationen, die Erfahrungen und Mahnungen dieser Zeit lebendig zu halten.

Erinnern für die Zukunft

Der Volkstrauertag ist heute kein Tag der heroischen Erinnerung, sondern einer der stillen Besinnung und Menschlichkeit. Er fordert dazu auf, die Lehren aus der Geschichte zu ziehen – gegen das Vergessen, gegen Hass und Gewalt, für Frieden und Verständigung.

Oder, um es mit den Worten Paul Löbes zu sagen:

„Unsere Welt hat Liebe not.“