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Neues aus Merzig
Ausgabe 46/2023
Redaktioneller Teil
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Gedenkveranstaltungen zur Reichspogromnacht in Merzig und Brotdorf

Am 9. und 10. Oktober fanden in der Kreisstadt Merzig Gedenkveranstaltungen zur Reichspogromnacht statt.

Kranzniederlegungen am Gedenkstein in der „Synagogenstraße“ in Merzig und an den Gedenktafeln an der Ecke „Hausbacherstraße/Helenenstraße“ in Brotdorf sollen an die Ereignisse und die Opfer in diesem Zusammenhang erinnern sowie ein Zeichen gegen Hass, Gewalt, Ausgrenzung und Antisemitismus setzen.

In der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938, vor 85 Jahren, brannten die Synagogen in Deutschland, Österreich und der Tschechoslowakei. Jüdische Geschäfte, Arztpraxen, Gotteshäuser und Wohnungen wurden von organisierten Schlägertrupps verwüstet und zerstört. Tausende Jüdinnen und Juden wurden misshandelt, verschleppt oder getötet. Auch hier in unserer Stadt litt die jüdische Gemeinde: Die Synagogen in Merzig und Brotdorf brannten, jüdische Kaufhäuser in der Poststraße wurden beschädigt und der jüdische Friedhof wurde verwüstet.

Die Reichspogromnacht steht für staatsoffiziellen Antisemitismus und läutete den Wandel hin zur systematischen Verfolgung der Juden ein, die im größten Völkermord der Geschichte, dem Holocaust, endete.

Dass sich diese Geschichte nicht wiederholen darf, betonte auch Oberbürgermeister Marcus Hoffeld in seiner Rede:

„Menschen sollen in Frieden und Freiheit leben können, unabhängig von Herkunft, Geschlecht, sexueller Neigung, Hautfarbe oder Religionszugehörigkeit. Nur leider ist das aktuell nicht überall der Fall.

Jüdische Sportvereine haben aus Angst vor Übergriffen ihren Spielbetrieb eingestellt, Synagogen werden verstärkt bewacht und auch auf deutschen Straßen erleben wir Antisemitismus, Extremismus, Hass, Gewalt und Ausgrenzungen. Nicht nur auf unseren Straßen, sondern auch im Internet, insbesondere in den sozialen Medien, nehmen Diskriminierung und Hetze zu.“

Außerdem appellierte er an alle anwesenden Personen, dass jeder oder jede Toleranz verdient hat. Intoleranz hat in der Kreisstadt Merzig keinen Platz. Gerade jetzt ist es wichtig, dafür einzustehen und sich entschieden gegen Hass und Gewalt zu stellen. Diese Gedenkveranstaltungen, aber auch die Orte des Erinnerns, sollen jedem oder jeder bewusst machen, dass Frieden keine Selbstverständlichkeit ist und, dass jeder oder jede Verantwortung übernehmen kann und auch sollte.

„Unsere Gemeinschaft ist eine Gemeinschaft der Demokratie, die stärker ist als Hass und Terror“ so der Oberbürgermeister. Marcus Hoffeld dankte während beider Veranstaltungen den Mitbürgerinnen und Mitbürgern, welche schon Verantwortung für ein friedliches Miteinander übernehmen.

Eine Initiative, die schon bewusst Verantwortung übernimmt, sind die „Omas gegen Rechts“. Frau Ingrid Buchberger richtete stellvertretend Worte an die Anwesenden der Gedenkveranstaltungen. Unter anderem nahm Prof. Dr. Roland Rixecker, Beauftragter für jüdisches Leben und gegen Antisemitismus im Saarland, mit teil. Auch Frau Kunger, die Vorstandsvorsitzende der Synagogengemeinde Saar, wandte sich mit einer Rede an die Zuhörerinnen und Zuhörer.

Schülerinnen und Schüler der Christian-Kretzschmar-Schule, des Gymnasiums am Stefansberg und der Jean-Francois-Boch-Schule beteiligten sich mit Vorträgen an der Gedenkveranstaltung und zeigen, dass auch junge Menschen ein Zeichen gegen das Vergessen und gegen Hass setzen wollen.

Zum Abschluss der Veranstaltung in der Kernstadt wurden Blumen auf die Stolpersteine von Sara und Julius Frenkel gelegt. Sara und Julius Frenkel bewohnten das Kantehaus neben der Synagoge und wurden am 9. November mit Gewalt gezwungen, den Schlüssel der Synagoge herauszugeben. Beide wurden von den Nazis deportiert und in Konzentrationslagern umgebracht.

Im Stadtteil Brotdorf wurde am späten Freitagnachmittag gemeinsam mit Oberbürgermeister Marcus Hoffeld und Ortsvorsteher Torsten Rehlinger den Opfern des Nationalsozialismus gedacht. Wie auch am Tag davor zitierte Frau Buchberger vor der Kranzniederlegung das gedichtete Lied „Ich wandre durch Theresienstadt“ von Ilse Weber. Ilse Weber wurde 1942 in das Konzentrationslager Theresienstadt deportiert und starb 1944 im KZ Auschwitz-Birkenau. Dort schrieb sie das Lied für ihren Sohn Hanus, den sie vor dem Krieg nach England schickte, um ihn in Sicherheit zu wissen und eines Tages wiederzusehen.