Die Zeiten ändern sich! - Kaninchen auch?
Wir leben in der Ära des schnellen Wandels, in der technologische Innovationen und gesellschaftliche Veränderungen immer schneller voranschreiten. Traditionelles Wissen und die Erfahrungen, die in der Vergangenheit als stabil und bewährt galten, reichen möglicherweise nicht mehr aus, um den aktuellen Herausforderungen gerecht zu werden und mit der Erneuerung Schritt zu halten. Die Halbwertzeit des Wissens, also die Zeit, in der altes Wissens überholt scheint, nimmt rapide ab.
Vereine sind die feste Instanz unserer dörflichen Gemeinschaft, sie spielen eine wichtige Rolle bei der Bewahrung und dem Weitergeben von „altem“ Wissen. Sie tragen entscheidend dazu bei, dass bestimmte Fähigkeiten, traditionelle Arbeitsweisen und Bräuche nicht verloren gehen und an zukünftige Generationen weitergegeben werden. Das ist für die historische, kulturelle und handwerkliche Kultur des Dorfes sehr bedeutsam und sehr wertvoll. Zudem trägt dies dazu bei, dass das Wissen nicht nur bewahrt, sondern auf diesem „alten“ Wissen neues Wissen aufbauen kann, aktualisiert, weiterentwickelt und erneuert wird.
So werden Vereine zu einem der letzten Eckpfeiler des sozialen Zusammenhalts. Ohne sie wären unsere Dörfer heute nicht mehr. Durch die ihnen eigene Ausstrahlung, Anziehung und soziale Gemeinschaft, sind sie die erhofften Sehnsuchtsorte für viele Menschen, die diese spezielle Mischung eines Lebensstiles und sozialem Zusammenhang lieben und suchen.
90 Jahre besteht, „lebt“ der Rassekaninchenzuchtverein Nalbach e.V. nun schon in unserem Dorf. Bei der Gründung des Vereins 1934 wurde die Zucht von Kaninchen aus praktischen Gründen betrieben, um eine kostengünstige Nahrungsergänzung für hungrige Menschen zur Verfügung zu stellen, die in Industrie und Handwerk schwer arbeiteten. Kaninchenfleisch war so in eigener Züchtung damals die erschwingliche Alternative zu anderen Fleischsorten.
Ich kann mich an meine Kindheit, an meinen Opa und unsere Nachbarn erinnern, wie sie ihre Kaninchen großgezogen haben, bis die Kaninchen als Festbraten geschlachtet wurden. Die Liebe zum Opa wurde damals ganz hart geprüft, gerade auch als eins unserer Kaninchen als Braten auf dem Tisch stand.
Heute wäre dieses ohne psychologische Betreuung für die Kinder undenkbar. Wir waren noch von solch alltäglichem, echten Dorfleben umgeben. Wir wussten noch wo zum größten Teil unser Essen herkommt, konnten die Aufzucht der Tiere und die Verwertung im Dorf miterleben. Nahrungsmittel waren wertvoll, Lebensmittelverschwendung ein Unding. Reste die achtlos weggeworfen wurden waren selten.
Heute ist das Kaninchen bei unseren Kindern überwiegend als Kuscheltier bekannt und sehr beliebt. Die Urenkel der damaligen Züchter halten ihr Kaninchen stubenrein in der Wohnung. Schnuffel, das Kaninchen meines Nachbarn, hat ein für Kaninchen biblisches Alter von 14 Jahren bei bester Kost und Logis, in der harmonischen Wohngemeinschaft als ein von allen geliebtes Haustier erlebt. Heute denkt man bei so einem geliebten Kaninchen nicht mehr an ein Nutztier.
Essen kommt aus dem Supermarkt. Die Haltung und Herstellung, gerade von Produkten aus Fleisch, sind weit weg und unbekannt. Wurst, Fleisch immer günstig verfügbar. Den wenigsten Verbrauchern sind die Bedingungen bewusst, unter denen Tiere gehalten werden und wie unser Konsumverhalten die Umwelt beeinflusst.
Ich freue mich und bin dankbar, dass es Vereine, Verbände mit Menschen gibt, die aktiv daran arbeiten, Wissen und Erfahrungen in Bezug auf artgerechte Tierhaltung und den respektvollen Umgang mit Lebewesen weiterzugeben. Insbesondere Kinder profitieren von solchen Veranstaltungen, wie z.B. diese 39 Landesschau, durch direkte Begegnung, Berührung mit den Tieren und dem echten Erfahrungsaustausch mit den Züchtern. So entsteht ein tieferes Verständnis für die Bedürfnisse und die Verantwortung und für das notwendige persönliche Engagement für die Aufzucht solcher Tiere.
Und wenn wir heute unsere Kaninchen nur noch emotional zum „fressen“ gernhaben, zum Kuscheln und Liebhaben züchten, - auch sehr gut! So erhalten wir mit dem weiter vermittelten Wissen, den Züchtungen der verschiedenen Rassen unserer Vereinsmittglieder aus den Anfangstagen, die bunte Vielfalt der Rassen am Leben. Dann haben sich die Zeiten geändert. Der Anfangsimpuls zur Zucht hat sich verändert. Der Mensch sucht nach wie vor aber die Nähe, die sinnvolle, befriedigende Beschäftigung mit dem Tier. Das hat Bestand, das ist gleichgeblieben!