Die SR-Reporterin Nadine Thielen aus Hermeskeil ist für ihren Podcast „Im Fall Stefanie – Eine von 155“ mit dem Katholischen Medienpreis in der Kategorie Audio ausgezeichnet worden. Die fünfteilige True-Crime-Dokumentation, die am 6. März 2025 erstmals in der ARD Audiothek veröffentlicht wurde, erhielt den mit 2.500 Euro dotierten Preis für ihre herausragende journalistische Qualität, ihre klare Haltung und ihre sensible Auseinandersetzung mit dem Thema Femizid.
Im Mittelpunkt des Podcasts steht die Geschichte von Stefanie, einer vierfachen Mutter aus dem Saarland, die im Februar 2023 von ihrem Ehemann Stefan ermordet wurde. Nach außen schien die Familie glücklich: ein Haus mit Garten, eine langjährige Ehe, die gemeinsame Jugendliebe. Doch hinter der Fassade eines vermeintlich harmonischen Familienlebens verbargen sich Kontrolle, Eifersucht und psychische Gewalt. Stefanie ist eine von 155 Frauen, die im Jahr 2023 in Deutschland von ihrem (Ex-)Partner getötet wurden – Opfer eines Femizids, einer Tötung aufgrund des Geschlechts.
Eine Geschichte, die betroffen macht
Nadine Thielen, Reporterin bei SR 3, hat gemeinsam mit ihrem Kollegen Christoph Borgans den Fall über Monate recherchiert. Obwohl der Täter zum Zeitpunkt ihrer Arbeit bereits wegen Mordes verurteilt war, wollte Thielen wissen, was davor passiert ist: Wie konnte es so weit kommen? „Man bringt nicht aus dem Stand heraus seine Frau um“, sagt die Journalistin. Sie und ihr Team sprachen mit Angehörigen, Freundinnen, Nachbarn, Ermittlern und am Prozess Beteiligten. Stück für Stück entstand ein vielschichtiges Bild einer Beziehung, in der Stefanie zunehmend die Kontrolle über ihr eigenes Leben verlor. Besonders bemerkenswert: Im Gerichtsprozess war keine körperliche Gewalt in der Beziehung bekannt geworden. Das machte Thielen stutzig – und sie entdeckte, dass sich die Gewalt in diesem Fall vor allem psychisch äußerte. Kontrolle, Isolation, Abhängigkeit – typische Dynamiken, die viele Frauen kennen. „Ich war überrascht, wie viele Frauen mir nach der Veröffentlichung erzählt haben, dass sie ähnliche Erfahrungen gemacht haben“, sagt Thielen. „Diese Geschichte geht uns alle an.“
Gesellschaftliche Dimension und klare Haltung
Mit „Im Fall Stefanie“ gelingt es Nadine Thielen, über den Einzelfall hinauszublicken. Sie zeigt, dass Femizide kein Randphänomen sind, sondern Ausdruck tiefer verankerter gesellschaftlicher Strukturen. Der Podcast thematisiert Rollenbilder, patriarchale Machtverhältnisse und den schmalen Grat zwischen scheinbarer Normalität und häuslicher Gewalt. „Der Beitrag leistet weit mehr als reine Fallrecherche“, heißt es in der Begründung der Jury. „Er klagt strukturelle Gewaltverhältnisse an, schafft Bewusstsein und gibt Opfern eine Stimme.“ Die Produktion überzeuge durch „journalistische Tiefe, klare Haltung und eine behutsame Erzählweise, die weder dramatisiert noch distanziert“.
Thielen selbst wollte keinen klassischen „Zeigefinger-Beitrag“ machen. Ihr Ziel war es, aufzuzeigen, dass der Fall Stefanie auch etwas mit uns als Gesellschaft zu tun hat: mit unseren Bildern von Männlichkeit und Weiblichkeit, mit tradierten Erwartungen und der Frage, wie frei Frauen wirklich sind, sich aus vorgegebenen Rollen zu lösen. „Stefanie wollte aus dieser Rolle ausbrechen – und das wurde ihr nicht ermöglicht“, sagt Thielen. „Sie wurde dafür getötet.“
Ein Beitrag, der nachwirkt
Für die Journalistin war die Arbeit an dem Podcast eine ihrer intensivsten Recherchen. „Normalerweise bin ich eher im Tagesgeschäft unterwegs“, erzählt sie. „Aber dieser Fall hat mich nicht losgelassen.“ Die Auszeichnung mit dem Katholischen Medienpreis würdigt nicht nur die herausragende journalistische Arbeit, sondern auch den Mut, ein Thema anzusprechen, das oft im Verborgenen bleibt. Mit „Im Fall Stefanie – Eine von 155“ hat Nadine Thielen eine eindrucksvolle Dokumentation geschaffen – eine, die betroffen macht, aufrüttelt und zum Nachdenken zwingt. Sie zeigt: Diese Gewalt geschieht nicht irgendwo, sondern in unserer Mitte. Und sie erinnert daran, dass hinter jeder Zahl eine Frau, eine Familie und ein zerstörtes Leben steht. Für alle die den Podcast noch nicht gehört haben: Er findet sich unter https://www.ardaudiothek.de/sendung/im-fall-stefanie-eine-von-155/urn:ard:show:ac5e139fa5749c94/. (LeWe)