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Öffentlicher Anzeiger - Stadt Püttlingen
Ausgabe 19/2025
Amtliche Bekanntmachungen
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Wer sind Jakob, Margarete und Rosa Nalbach? Wer ist Ludwig Brader?



„Wer sich seiner Vergangenheit nicht erinnert, ist dazu verdammt sie zu wiederholen.“

(George Santayana, Philosoph, Spanien)

Von links: Rosa, Jakob, Margarete, Maria mit Sonja

Vorne von links: Ludwig, Maria, Helene

Eigentlich sind Jakob, Margarete und Rosa Teil einer ganz normalen Familie. Jakob Nalbach wurde am 08. Januar 1886 in Püttlingen geboren. Am 30.12.1908 heiratete er Margarete Schneider, die am 06.05.1887 ebenfalls in Püttlingen geboren wurde. Gemeinsam bekamen sie sieben Kinder: Maria (geb. am 27.11.1907); Cäcilia (geb. am 27.10.1909). Rosa (geb. am 20.11.1910), Peter (geb. am 07.03.1912), Franziska (geb. am 13.07.1913), Fridolin (geb. am 04.12.1914) und Maria Louise (geb. am 14.10.1919). Rosa war schwerbehindert, was ihr später zum Schicksal wurde.

Aber der Reihe nach:

Jakob Nalbach wurde 1912 Mitglied des Bergarbeiterverbandes. Als Mitglied der KP-Fraktion gehörte er ab 1930 dem Gemeinderat in Püttlingen an. Am 16. Januar 1935 musste er aufgrund seiner politischen Gesinnung mit seiner Familie seine Heimatstadt Püttlingen verlassen und floh nach Frankreich. Vom 18.01.1935 bis 01.10.1935 lebte die Familie in Cacassone und während der Zeit vom 01.10.1935 bis zum 01.05.1937 war sie in Prats de Mollo (Spanien) ansässig. Von dort siedelte die Familie am 01.05.1937 nach Homécourt (Departement Meurthe-et-Moselle)

Dort fand Jakob als Hüttenarbeiter Arbeit. Die deutsche Staatsbürgerschaft wurde ihm und seiner Familie am 04.06.1938 aberkannt.

Ein Freiheitsentzug nach dem anderen begann nach dem Kriegsausbruch. Zunächst befand sich Jakob in der Zeit vom 10.09.1939 bis 20.06.1940 im Internierungslager Bar-le-Duc. Zuvor verbrachte er zwei Tage (1939) im Gefängnis in St. Etienne/Loire. Eine Verhaftung durch die Gestapo erfolgte dann sehr zeitnah am 18.08.1940 wonach er ins Gefängnis nach Saarbrücken überführt wurde. Am 28.01.1941 wurde er wegen Vorbereitung zum Hochverrats zu zwei Jahren Haft verurteilt. Dieses Urteil wurde vom Oberlandesgericht in Stuttgart ausgesprochen. Die Hauptverhandlung fand letztendlich in Saarbrücken statt. Die Haftstrafe von 2 Jahren verbüßte er 1941/1942 in Frankfurt-Preungesheim. Doch damit hatte seine Odyssee noch längst kein Ende, da er am Ende seines Freiheitsentzuges am 06.10.1942 nach Saarbrücken überführt wurde. Kurz vor Weihnachten, am 18.12.1942 verlegte man ihn ins KZ Dachau. Die Befreiung aus dem Lager Nordhausen durch die Engländer erfolgte am 23.04.1945. Der Gutachterausschuss stellte am 19.08.1947 fest, dass er „durch die alliierten Behörden entlassen“ wurde. Aufgrund seines schlechten Gesundheitszustandes kam er nach seiner Entlassung zunächst in ein Erholungsheim und kehrte erst im Juli 1945 in seine Heimatstadt Püttlingen zurück. Er erhielt eine Anstellung bei der Gemeinde Püttlingen und wurde 1952 rehabilitiert. Jakob starb am 26.01.1963 in Püttlingen.

Nicht zur Ruhe kam auch seine Ehefrau Margarete Nalbach. Nach der gemeinsamen Flucht ergaben sich zahlreiche Parallelen zu ihrem Mann, denn Margarete befand sich im gleichen Zeitraum im Internierungslager Bar-le-Duc. Auch verhaftete die Gestapo die 7fache Mutter. Zunächst zwei Tage im Gefängnis in St. Etienn/Loire, dann wurde sie ins Gefängnis nach Metz „verschubt“ und wurde nach vier Wochen ins Gefängnis nach Saarbrücken verlegt. Am 03.10.1940 kam Margarete in Untersuchungshaft ins Landgerichtsgefängnis Kaiserslautern. Nach knapp drei Monaten - am 21.01.1941 - kam die Rücküberführung ins Gefängnis nach Saarbrücken und wurde dort wegen „Vorbereitung zum Hochverrat“ in Schutzhaft genommen. Das Oberlandesgericht Stuttgart verurteilte sie zu 2 Jahren und 6 Monaten, die sie im Gefängnis in Rotenfeld/Bayern verbüßte. Die Vollstreckung wurde vom 14.09.1942 bis 30.09.1945 wegen Haftunfähigkeit/Krankheit ausgesetzt. Wegen körperlicher Misshandlungen während ihrer Haft war Margarete später arbeitsunfähig. Margarete starb am 06.01.1963.

Die 25jährige Rosa Nalbach begleitete ihre Eltern auf der Flucht nach Frankreich. Rosa war schwerbehindert und teilte bis 20.06.1940 das Schicksal ihrer Eltern. Rosa wurde am 03.09.1940 von der Gestapo verhaftet. Ab 25.05.1942 war sie als Putzfrau bei den Röchlingwerken Völklingen beschäftigt. Nach einem Unfall wurde sie ab 13.02.1943 im Hüttenkrankenhaus behandelt und wurde von dort am 17.04.1943 durch die Gestapo in die Heilanstalt nach Lorchingen/Lorquin in Lothringen abtransportiert und im Alter von knapp 33 Jahren zwangssterilisiert. Ihre Mutter Margarete konnte sie dort am 03.05.1943 abholen. Es wurde Rosa durch den Arzt zur Zwangssterilisation mit der Begründung „ist Sache der Gestapo“ keine Bescheinigung ausgestellt. Auch nach dem Krieg konnte kein Nachweis mehr über diese zu Unrecht durchgeführte Operation gefunden wurden. Es ist davon auszugehen, dass die Unterlagen vernichtet wurden. Rosa wurde offiziell nicht als Opfer des Nationalsozialismus anerkannt. Der Gutachterausschuss urteilte am 02.11.1948: „Der Nachweis einer politischen Verfolgung ist nicht erbracht. Über die angebliche Sterilisation konnten keine Feststellungen getroffen werden. Selbst dann, wenn ein operativer Eingriff vorgenommen wurde, dürfte dieser seine Ursache ausschließlich in der krankhaften Veranlagung der Antragstellerin finden, den, wie der Bürgermeister in seinem Bericht vom 11.09.19848 angibt, war die Antragstellerin bei ihrer körperlichen und geistigen Verfassung zu irgend einer politischen Betätigung nicht in der Lage, sodass damit erwiesen ist, dass von einer Verfolgung und Schädigung im Sinne des Wiedergutmachungsgesetzes vom 31.07.1948 nicht die Rede sein kann….. Die Kommission ist jedoch nicht bereit, den vorliegenden Antrag auf Anerkennung als Opfer des Nationalsozialismus zu befürworten.“ Rosa starb am 04.06.1954.

Aber: Wie passt Ludwig Brader nun zum Leben der Familie Nalbach?

Von links: Rosa, Jakob, Cilly und Margarete

Der Schreiner Ludwig Brader wurde am 01.10.1907 in München geboren und war Mitglied der KP (Kommunistische Partei) und arbeitete zunächst in Freiburg/Breisgau. Nachdem Hitler die Macht ergriffen hatte, floh Ludwig zunächst nach Basel und von dort nach Püttlingen. Im Oktober 1933 fand er Obdach bei Familie Nalbach. Getreu seiner politischen Gesinnung verteilte er Flugschriften gegen die Saarrückgliederung und heiratete Maria Nalbach, die älteste Tochter der Familie, am 27.03.1943. Gemeinsam hatte das Paar vier Kinder. Maria (Cilly, geb. 1928), Ludwig (geb. 12.08.1934), Helene (geb. 11.08.1935) und Sonja (geb. 02.12.1936). Am 16.01.1935 - 3 Tage nach der Saarabstimmung - emigrierte er mit seiner Ehefrau, den Schwiegereltern und Rosa, nach Frankreich. 1936/37 schloss er sich den Spanienkämpfern an und seine jüngste Tochter wurde in Spanien geboren. Am 15.08.1940 wurde der Familienvater verhaftet und am 30.10.1940 ins Gefängnis nach Saarbrücken überführt. Von dort überstellte man ihn am 25.03.1940 zum Gerichtsgefängnis Kaiserslautern. Eine Rückführung nach Saarbrücken fand alsdann statt. Seine Ehefrau und die Kinder wurden am 03.09.1940 zwangsweise nach Püttlingen zurückgeführt. Am 08.04.1941 verurteilte ihn das Oberlandesgericht Stuttgart wegen Vorbereitung zum Hochverrat zu zwei Jahren und 6 Monaten Zuchthaus. Einen Teil der Strafe verbüßte er vom 21.04.1941 bis 23.04.1942 im Zuchthaus Amberg, von wo er am 23.04.1942 zur Stapo Saarbrücken überstellt wurde. Am 14.08.1942 kam er ins KZ Dachau und wurde in der Kategorie „Sch“ Schutzhaft und „Sp.K“ Spanienkämpfer, geführt. Am 26.10.1942 kam Ludwig ins KZ Auschwitz (Häftlingsnummer 71284, „Rsp“ Rotspanienkämpfer). Aufenthalte im Häftlingskrankenhaus Monowitz des KZ Auschwitz folgten vom 24.07.1943 bis 02.08.1943 und vom 14.12. bis 17.12.1943. Am 07.11.1944 erfolgte die Eingliederung in SS Grenardierformation. Am 08.11.1944 erreichte sein letzter Brief seine Ehefrau Maria und seine Kinder. Laut Beschluss des Amtsgerichts Völklingen/Saar vom 02.09.1952 wurde Ludwigs Todeszeitpunkt auf 30.11.1944 festgestellt.

Familie Nalbach/Brader stand für ihre Überzeugungen ein. Für uns sind Jakob, Margarete, Rosa und Ludwig Opfer der Politik des 3. Reiches. Sie mussten ihre Heimat verlassen, waren auf der Flucht, wurden voneinander getrennt, waren eingesperrt und Rosa gar zwangssterilisiert.

Die Projektgruppe Erinnerungsarbeit recherchiert die Leidenswege der Opfer aus der Stadt Püttlingen und verlegt Stolpersteine an den zuletzt frei gewählten Adressen. Am 14. Mai werden die Stolpersteine von Jakob, Margarete und Rosa in der Marktstr. 46 und er Stolperstein von Ludwig wird am gleichen Tag in der Schulstr. 1 verlegt.

Denken wir gemeinsam an Jakob, Margarete, Rosa und Ludwig. Wünschen wir ihnen, dass sie nun für immer in Püttlingen bleiben.

Die Quellen wurden durch Rudolf Hahn, unter Zuhilfenahme der beim Saarländischen Landesarchiv geführten Dokumente und Akten erarbeitet. Danke an die Familie der Opfer, die uns mit der Übergabe von Fotos und Briefen geholfen haben, die Schicksale aufzuarbeiten.

Die Patenschaft dieser Stolpersteine haben Patricia und Prof. Dr. Franz Folz übernommen.

Stadt Püttlingen, Mai 2025