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Öffentlicher Anzeiger - Stadt Püttlingen
Ausgabe 33/2023
Seite 3
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Wer ist Maria?

Auf dem Foto des Elternhauses steht Maria rechts außen.

Hildegard und Maria (rechts)

„Du bist wie eine Farbe. Nicht jeder wird dich mögen. Doch es wird immer jemanden geben, dessen Lieblingsfarbe du bist.“

(Unbekannt)

Maria Alt wurde am 04.08.1914 in Köllerbach in der Bärenbergstr. 48 (heute 124) als Tochter von Maria geb. Altmeyer und Ludwig Alt geboren. Maria hatte zwei ältere und zwei jüngere Brüder sowie eine jüngere Schwester war ledig und half ihrer kranken Mutter im Haushalt. Diesen führte sie nach dem Tod ihrer Mutter weiter. Einen Beruf hat sie nicht erlernt. Nach dem Tod ihrer Mutter (1938), einer gescheiterten Liebesbeziehung und der Evakuierung Anfang September 1939 nach Bebra wurde durch den Hausarzt Dr. Göring im Evakuierungsgebiet am 26.10.1939 ein Attest mit folgendem Wortlaut ausgestellt: „…besteht eine seelische Depression mit vorwiegend ruhigem Charakter, eine dringende Notwendigkeit, die Kranke in eine Anstalt zu bringen, besteht nicht – wenigstens nicht zur Zeit….“. Nur eine Woche später, am 02.11.1939 wies zuvor genannter Arzt Maria wegen einer Depression in die Landesheilanstalt Merxhausen ein. Es wurde ein ausgiebiger Schriftverkehr zur Übernahme der Pflegekosten in Höhe von 2,50 RM pro Tag geführt. Am 22.06.1940 bat der Vater den Direktor der LHA Merxhausen, Maria wegen der geplanten Rückführung der Familie ins Saarland zu entlassen. Bereits vier Tage später wurde die Bitte aufgrund der psychischen Situation abgelehnt. Eine Aufforderung des RMdI (Reichministerium des Innern) erreichte die Landesheilanstalt Hain und Merxhausen am 28.06.1940 (sh. Manfred Klüppel: Euthanasie S. 31), wonach für alle Patienten der Meldebogen 1 ausgefüllt an das Reichsministerium zurückgeschickt werden sollte. Marias Diagnose lautete am 01.07.1940 : „Schizophrenie, Hauptsymptome: autistisch, verschroben, halluziniert, grimassiert, manieriert, dement; Endzustand: ja; ist mit Entlassung demnächst zu rechnen: nein;“ Dieser Meldebogen war Grundlage für die Verlegungslisten in die Tötungsanstalten. Marias Vater hat sich, nach der Rückkehr der Familie nach Köllerbach, erneut am 07.10.1940 an den Direktor der LHA Merxhausen gewandt und sich nach dem Befinden seiner Tochter erkundigt und erneut angefragt, wann er Maria abholen kann. Die Antwort des Direktors folgte bereits am 10.10.1940 mit folgendem Wortlaut: „Wegen ihres unberechenbaren Verhaltens bedarf unsere Patientin für zunächst nicht absehbare Zeit der weiteren Behandlung in einer geschlossenen Anstalt für Geisteskranke.“ Die Recherchen ergaben, dass am 07.02.1941 folgender Eintrag, „In letzter Zeit Gewichtsabnahme….“ in die Krankengeschichte erfolgte. Und einen Tag später folgte eine Mitteilung der LHA Merxhausen, dass Maria fieberhaft erkrankt sei. Es handele sich um eine Erkrankung der linken Lunge, die ernsthafter Natur zu sein scheint. – evtl. Möglichkeit einer ungünstigen Entwicklung – Bitte, die übrigen Angehörigen zu verständigen. Am 25.02.1941 wurde die Erkrankung an offener Lungentuberkulose angezeigt, allerdings ohne Erregernachweis! Der Vater bat in einem Brief am 23.03.1941 darum, Maria in eine heimatnahe Heilanstalt zu verlegen. Diese Bitte wurde am 27.03.1941 mit der Begründung eines schlechten körperlichen Allgemeinbefindens, abgelehnt. Wörtlich heißt es da: „Eine Entlassung nach Hause ist wegen der starken Unruhe und der Ansteckungsgefahr gänzlich ausgeschlossen.“ Zwei weitere Einträge in die Krankengeschichte Marias vom 10.04.1941 und 28.04.1941 lauten: „Geht sichtlich zurück ….“ und „…. an Gewicht stark abgenommen.“ Danach folgen die Einträge „Moribunder Zustand“ (07.05.1941) und einen Tag darauf der Vermerk : um 16.00 Uhr gestorben. Es folgt ein Telegramm an den Vater, Beerdigung am Montag (12.05.1941), 10.30 Uhr.

Maria wurde 26 Jahre alt. Sie ist ein Opfer der Gräueltaten des Naziregimes. Eine von 70.000 Menschen, die wegen ihrer körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderungen von 1940 bis 1941 (Aktion T4) ermordet wurden. Viele offene Fragen bleiben. Der Vater kämpfte darum, sein Kind in seiner Nähe zu wissen. Maria war Tochter, Schwester, Freundin – ein Mensch, der es zu leben verdient hatte.

Der Künstler Gunter Demnig wird am 20. September vor Marias Elternhaus im Gedenken an Maria einen Stolperstein verlegen. Denken wir gemeinsam an Maria, die nach ihrem Leidensweg endlich wieder zuhause ankommt.

Die Quellen wurden durch Franz Meyer erarbeitet und er hat die Fotos zur Verfügung gestellt. Franz Meyer ist der Neffe von Maria und wird die Geschichte seiner Tante anlässlich der Stolpersteinverlegung erzählen.