Titel Logo
Amtsblatt der Kur- und Erholungsstadt Bad Frankenhausen
Ausgabe 10/2025
Kirchliche Nachrichten
Zurück zur vorigen Seite
Zurück zur ersten Seite der aktuellen Ausgabe

Evangelisch-Lutherische Kirchgemeinde Bad Frankenhausen

Bad Frankenhausen hatte sich für das „DENKjahr 2025 - 500 Jahre Bauernschlacht“ sehr viel vorgenommen mit Veranstaltungen, die direkten Bezug zum Bauernkriegsgeschehen zutun hatten, aber auch welche, die nur im weitesten Sinne mit dem Geschehen vor 500 Jahren in Verbindung gebracht werden konnten.

Panorama und Regionalmuseum haben wichtige Beiträge zum Geschehen und den Nachwirkungen bis in unsere Zeit geleistet.

Eine besondere geschichtlich-musikalische „Lehrstunde“ erlebten etwa 500 Besucher in der Unterkirche Bad Frankenhausen mit dem Müntzer-Oratorium „Solange ihr Tag habt!“ - ein Werk des Komponisten Christoph Reuter (Musik) und Andreas Hillger (Text). Das Werk ist für zwei Chöre, Solisten, Orgel, Band, Instrumentalensemble und Percussion mit modernen Klängen komponiert, nur am Schluss erklingt in einer Bearbeitung der alte Hymnus aus dem 9. Jahrhundert: „Verleih uns Frieden gnädiglich“. Im Text sind viele Zitate von Luther und Müntzer im Original eingeflochten. Es geht um den Konflikt zwischen Thomas Müntzer und Martin Luther, der zugleich eine zentrale Frage des Bauernkriegs 1525 zuspitzt: Sind die Forderungen des „Dritten Standes“ im Glauben gerechtfertigt und daher gerecht?

Im Programmheft ist zu lesen:

„Herr Gott, zu unser’n Zeiten - 500 Jahre Bauernkrieg - was gäbe es dazu feiern? Das Wort, das in Gestalt der Zwölf Artikel gegen die herrschende Ungerechtigkeit erhoben wurde - oder die Tat, die in der Schlacht von Frankenhausen ihren schrecklichen Niederschlag fand?

Die berühmte Predigt, mit der Thomas Müntzer in Allstedt den Fürsten ins Gewissen redet - oder das berüchtigte Pamphlet, mit dem Martin Luther die Aufständischen zu „tollen Hunden“ erklärt, die man würgen und stechen soll? Man kann die Geschichte nur von ihrem Ende her erzählen - so, wie es auch der Reformator in seiner letzten öffentlichen Rede am 14. Februar 1546 in seiner Geburtsstadt Eisleben getan hat.

Im Angesicht des eigenen Endes sprach Luther hier über den Bibelvers „Kommt her zu mir alle, die ihr mühselig und beladen seid. Ich will euch erquicken.“ (Matthäus 11,28) - und erinnert beiläufig an seinen Widersacher, der mehr als zwei Jahrzehnte zuvor bei Mühlhausen enthauptet wurden war. Dieser finale Moment wird in unserem Oratorium zum Echoraum, in dem Worte wie Waffen noch einmal Widerhall finden…und in dem auch über “Uffruhr“ als ultimative Stufe des Widerstands zu reden ist.

Die Titelzeile aus der Feder Thomas Müntzer, in der er die eigene Endlichkeit zum Zeitmaß des Handelns erhebt, findet durch Martin Luthers Bitte: „Verleih uns Frieden gnägiglich“ ihr utopische Entsprechung - eine Bitte, der…Nachdruck verliehen werden soll.“

Seit Januar 2025 studierten Chöre aus den Kirchenkreisen Eisleben-Sömmerda und Bad Frankenhausen-Sondershausen die zugedachten Passagen als Stimme des Volkes und der Bauern, auf geteilt in zwei Gruppen mit insgesamt 180 Teilnehmern.

Als Kontrahenten agierten Müntzer als Sprecher und Sänger (Burkhard von Puttkamer) und Luther als Sprecher von der Kanzel (Frank Roder). Barbara Berg als Sopran verkörperte Müntzers Frau Ottilie, auch eine Kinderstimme kam zum Einsatz (Hanna Hollerbuhl).

Das Oratorium gliedert sich in 13 betitelte Abschnitte, welche die verschiedensten damaligen Situationen beschreiben.

  • -„Unter dem Joch“ besinnt sich auf die Kreuzigung Christi und die Glaubenshoffnung auf das Jenseits, aber „Wer aber schafft auf Erden Recht? Wer hilft den Armen aus der Not? Wer scheidet zwischen Gut und Schlecht? Wer bricht den Hungernden ihr Brot? Herr, ohne Dich sind wir verlor’n. Wir dürsten nach Gerechtigkeit! Am falschen Tag und Ort gebor’n sind wir zum Untergeh’n / Aufersteh’n bereit!
  • -„Uffruhr“ (= Aufruhr) macht die Vertröstungen der Herrschenden auf die himmlische Zukunft deutlich: „Den falschen Frieden soll kein Frager stören, denn Widerspruch reißt alte Ordnung fort.“ - das führt zunehmend zum Uffruhr!
  • -„Doktor Lügner“: Luther wehrt sich gegen die Beschimpfungen seitens Müntzers und verweist auf seine Thesen 1517 und ihre Wirkungen.
  • „Rabe oder Taube“: bezieht sich auf die biblische Sintflut und deren Symbolik - „Gott spannt seinen Regenbogen und die Taube (als Friedensbringer) fliegt zum Sieg. Frieden bringen, Feinde zwingen, Gottes Reich auf Erden bringen.“
  • „Omnia sunt communia“ (Alles gehört allen): nimmt die zwölf Artikel der Bauern ins Visier: „Unrechtes Gut darf nimmermehr gedeihen, das freie Land sei frei für alle Freien!“
  • „Erbarmet euch der armen Leute“ - so rechtfertigt sich Luther wegen seiner Schrift „wider die mörderischen und räuberischen Rotten der Bauern“
  • „Ottilies Lied“ - Müntzers Frau beklagt ihr Schicksal und ihre Lebensrealität zusammen mit dem Chor der Frauen.
  • „Der ewige Rat“ thematisiert die politische Situation in Mühlhausen.
  • „Glaube, Liebe Hoffnung“/Die Liebe ist langmütig“: Was lässt uns glauben, lieben, hoffen? Müntzer und Luther stellen ihre Ansichten gegenüber.
  • „Bergpredigt“ beinhaltet die Ereignisse des Abends am 14. Mai 1525 mit der hoffnungsvollen Erscheinung des Regenbogens.
  • „An’s Sterben“ bezieht sich auf Luthers letzte Predigt am 14. Februar 1546, 4 Tage vor seinem Tod. Er hält Rückschau auf sein Leben - Fazit: „Lasset die Geister aufeinander prallen - aber die Fäuste haltet stille….wir sind Bettler, das ist wahr!“
  • „Verleih uns Frieden“ - der Abschluß des Oratoriums zitiert noch einmal den Regenbogen und seine zukunftsweisende Bedeutung: „Der Regen bogen ist verblasst… Was bleibt noch, wenn wir nicht mehr sind? Wenn wir wie Rauch im Winde verweh’n? vielleicht ein Baum, ein Haus, ein Kind und And’re, die den Bogen seh’n. Den Gott erneut am Himmel spannt, vergänglich und doch ewiglich… Es bleibt ein Wunsch, ins Herz gebrannt: Verleih’ uns Frieden gnädiglich!“

Nach solch einem bedenkenswerten Abschluss ist eine Zugabe oder Wiederholung eines Stückes nicht üblich, doch die fast 500 Besucher „erbaten“ mit ihrem Beifall die Wiederholung von „Verleih uns Frieden gnädiglich!“ und nach der Aufforderung des Komponisten (Dirigent dieser Aufführung) mitzusingen taten es sehr viele.

Mit diesem Text Oratorium ist es dem Autor Andreas Hillger gelungen, Müntzer und Luther mit ihren Stärken und Schwächen geschichtlich gerecht darzustellen, Christoph Reuter schuf kongenial eine Musik mit modernen Rhythmen.

Auf die Frage eines Reporters nach dem Wesentlichen der Aufführung antwortet Christoph Reuter: „So, wie uns die damaligen Fragen durch die Zeiten hinweg bis heute beschäftigen: Nach Widerstand und Gewalt, Duldung und Freiheitsdrang.“

Mit der Aufführung des Müntzeroratoriums „Solange ihr Tag habt!“ erlebte Bad Frankenhausen einen dem Anlass „DENKjahr 2025 - 500 Jahre Bauernschlacht“ würdigen gerechten Beitrag.

Einträge im Gästebuch: Herzlichen Dank zur Aufführung „Solange ihr Tag habt!“ Frank Roder (Martin Luther)

Liebe Gemeinde von Bad Frankenhausen, so gern habe ich bei Ihnen nochmal richtig für die Sache der Gerechtigkeit gekämpft! Herzlich Burkhard von Puttkammer (Thomas Müntzer)

Liebe Gemeinde, vielen Dank, dass wir unsere Aufführung bei Ihnen am 5.9.25 spielen durften. Ich war sehr glücklich über die Zusammenkunft und den tollen Kirchenraum. Danke Christoph Reuter.

Vielen Dank für die wunderbare Zeit mit den Sängerinnen und Sängern! So habe ich mir den Text gedacht…. Andreas Hillger