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Amtliches Mitteilungsblatt - Amtsblatt der Verwaltungsgemeinschaft Bad Tennstedt
Ausgabe 22/2023
Stadtnachrichten aus Bad Tennstedt
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Neues Leben in einem alten Haus

In der Bahnhofstraße unserer kleinen Stadt steht es - das mittelalterliche Hospital. Den Einheimischen ist es als „Spittel“ bekannt und kümmert seit vielen Jahren vor sich hin. Niemand schenkt dem Gebäude mehr Beachtung. Seine Fenster sind blind, teilweise zerschlagen und in seinem Inneren befindet sich jede Menge Unrat und Siedlungsmüll, den die letzten Mieter hinterlassen haben.

Es gehört leider nicht zum Sanierungsgebiet Tennstedts und die Plakette, die das alte Haus als eigentliches Denkmal ausweist, die fehlt schon lange. Seit jeher ist unsere Stadt Eigentümer des Areals. Unsere Vorfahren erbauten es als Leprosorium. Derartige Häuser wurden ab dem 9. Jahrhundert in größeren Orten gebaut. Genau zu dieser Zeit wuchs auch unser Ort zu einem beachtlichen Marktflecken heran, welcher von Menschen aus allen Himmelsrichtungen besucht wurde. Sie brachten ihre Waren und ihr Geld mit, aber auch ihre Krankheiten. Und so wurde aus dem ehemaligen Leprosorium mit Siechhöhlen ein „Hospitalis extra muros“ - also ein Hospital außerhalb der Mauern der Stadt. Schwer erkrankte Menschen - egal ob Einheimische oder reisende Kaufleute - wurden im Hospital untergebracht und durften nicht in die Stadt hinein. Manche wurden nicht wieder gesund und für sie wurden Totenmessen in der kleinen Kirche nebenan abgehalten. Die AHA-Regeln sind also keine Erfindung der Neuzeit.

Kirche mit Hospital wurden im Jahr 1506 erstmals in Tennstedts Chronik erwähnt und bilden seitdem eine Einheit. Kriege, Hochwasser und große Stadtbrände verschonten beide Gebäude nicht und trotzdem wurden sie jedesmal von unseren Vorfahren unter großen Mühen wieder aufgebaut. Noch Anfang des 20. Jahrhunderts wurde das Gebäude als Krankenhaus bzw. Isolierstation und zuletzt als Wohnraum genutzt. Die letzten Mieter sind ausgezogen. Zurückgeblieben ist nur das, was sie nicht mitgenommen haben - Möbel, Teppichbeläge, Öfen und jede Menge leere Flaschen.

Laut Untersuchung der regionalen und überregionalen Denkmalschutzbehörden sind die Strukturen des ehemaligen Spitals noch sehr gut erkennbar und von der Größe her ist es wohl hier in der Region auch einzigartig. Daher haben wir ein Konzept erarbeitet, wie das Gebäude zukünftig genutzt werden kann. Geplant ist, hier u. a. das Stadtmuseum unterzubringen. Hier fänden die vielen Exponate, die von den Bürgern unserer Stadt zur Verfügung gestellt wurden ein würdiges zu Hause. Denn nur ein Bruchteil dessen, was gesammelt wurde, kann im jetzigen Museum in der Fronveste gezeigt werden. Wir wollen auch auf die Suche nach den 2 kleinen Glocken der Spitalskirche gehen, die im 2. Weltkrieg eingeschmolzen und für Kriegszwecke verwendet werden sollten. Möglicherweise sind sie doch noch auf dem Glockenfriedhof in Hamburg zu finden. Vor wenigen Wochen erhielt die Stadt Bad Tennstedt einen Spendenscheck von Lotto Thüringen über 10.000 Euro.

Weitere Fördermittel wurden mit Hilfe des Denkmalschutzes beantragt. Voraussetzung für weiteres Vorgehen ist unter anderem die Baufreiheit im Gebäude selbst, was so viel heißt wie: „Alles muss raus!“ Seit dem 11. Oktober sind wir Gästeführer in Zusammenarbeit mit Frank Henning und Stadtrat Wolfgang Spaar am Räumen. Hilfe jeglicher Art ist uns sehr willkommen. Wer mehr wissen will, kann gern mal reinschauen. Wir sind vor Ort jeweils Montag und Mittwoch zwischen 10:00 und 14:00 Uhr.

Renate Sommer

Gästeführerin im Ehrenamt