vor 4 Jahren - fast auf den Tag genau - wurde ich kerngesund zum Bürgermeister unserer Gemeinde gewählt. Meine Motivation war und ist es, der Welt etwas Gutes zurückzugeben, unsere Gemeinde harmonisch und gleichberechtigt zu gestalten und unseren Bürgern eine moderne und leistungsfähige Gemeinde zu entwickeln und diese zu erhalten. Seit dem 13.02.2020 trage ich die Amtsbezeichnung „Bürgermeister“ und die anschließenden Ereignisse, ob bisher nie-dagewesenes oder weltumspannende Krisen haben mich förmlich über Nacht in die Tiefen der Gesetze und Regelungen sowie unsere Gemeinde und ihre einzelnen Institutionen eintauchen lassen (ohne diese Ereignisse hätte es wohl Jahre gedauert bis in diese Tiefe vorzudringen).
Zur Ehrlichkeit gehört dazu, dass auf meinem Namensschild eher „Insolvenzverwalter“ stehen müsste. Mit meiner Amtsübernahme bekam ich eine Gemeindekasse überlassen, die sich auf der Mindestrücklage befunden hat (200.000 €) - also einer ausgeplünderten Handlungsunfähigkeit - faktisch einer knallharten wirtschaftlichen Insolvenz. Dafür aber mit 3 Dorferneuerungen und endlosen Wunschlisten - teilweise schon begonnen und wegen der Fördermittel nicht mehr zu stoppen.
Vieles konnte ich in dieser Zeit anschieben, strategisch entwickeln und finanzielle Atempausen für die Gemeinde schaffen. Die Gemeinde Hörselberg-Hainich hat nun auch eine feste Geltung innerhalb des Wartburgkreises und ist freundschaftlicher Partner vieler Gemeinden und konstruktiver Zukunftsgestalter in der Region - auf Augenhöhe mit der Stadt Eisenach. Dabei sind die Mitgliedschaften der beiden KAGs zu nennen und zu unterstreichen. Aber auch den beispiellosen Schuldenabbau in den letzten Jahren durch Umschuldungen und Darlehensablösungen - die uns jährlich ca. 70.000 € an Kosten einsparen. Weiterhin der nicht vollzogene Verkauf eines Teils des Behringer Kulturhauses - der nach Abzug des Erlöses der Gemeinde uns immer noch Kosten von ca. 200.000 € beschert hätte. Wegweisende Richtlinien zur Bewirtschaftung unseres kommunalen Vermögens - Pachtpreise oder Einnahmeregelungen rund um Energieerzeugungsanlagen findet man in der Form nirgends anders. Die Aufwertung unserer Kindergärten zu TheKiZ mit jährlicher Förderung von ca. 85.000 € ohne nur einen Euro an Eigenmitteln. Die Aufzählung lässt sich in großen und kleinen Dingen noch sehr lange fortsetzen … ebenso die unendlich vielen Abende im Bürgermeisterbüro schreibend und recherchierend zwischen Aktenstapeln und PDFs.
Kehrseite des Ganzen ist der Schlag ins Gesicht durch Entzug von Unterstützung der Wählergruppe der Freien Wähler, die mich in der Wahl noch mit aufgestellt hat. Die unendlichen und zehrenden Diskussionen um Themen, die wir hier vor Ort nicht ändern können, auch das Desinteresse vieler Gemeinderäte über den eigenen Ortsteil hinaus. Und die fehlenden Gestaltungsmöglichkeiten durch die leere Gemeindekasse. Ohne ein bisschen Pulver beschränkt sich der Gestaltungsrahmen des Bürgermeisters auf die Entscheidung ob eine Tür eine Klinke haben kann oder eher einen Knauf und wenn es nichts kostet, darf ich über die Farbe reden. Mehr ist dann nicht drin und von kommunaler Selbstverwaltung bleibt nicht mehr übrig, als ein müdes Lächeln. Wir als Gemeinde und ich als insolvenzverwaltender Bürgermeister sind nicht mal Herr über das, was in unserem Gemeindegebiet passiert - wenn es nicht der Landesplanung und dem Dünken des Landesverwaltungsamtes entspricht, wir können nichts selbst gestalten, alles kann kassiert werden - aber wir werden gestaltet, sei es PV, Windkraft und das wir keine Bauplätze brauchen.
Hier muss ich attestieren, dass Großgemeinden nur zum Scheitern organisiert sind und gemessen an der Verbesserung des Lebens vor Ort in den Dörfern krachend gescheitert sind. Genau das bringt das ständige Lamentieren von „die Gemeinde muss“ genauestens auf den Punkt.
Fusionsprämien sind vergiftete Geschenke, die eine Handlungsfähigkeit vorgaukeln und letztlich nur zu Neid, Missgunst und Häme führen und dörfliche Eigenverantwortung - wie es in kleinen Strukturen mit wenig Mitteln selbstverständlich ist - sogar noch verhindern. Das aufgebauschte Verwaltungshandeln lähmt und erstickt jede Initiative schon im Entstehen. Übrig bleibt Frust und „die Gemeinde muss!“ und natürlich rücksichts- und skrupellose Gemeinderäte, die gar kein Interesse an der Gesamtgemeinde haben, sondern verführt werden, nur Ortsinteressen gegen jede Vernunft und koste es, was es wolle, durchzusetzen. Das zeigt sich dann auch in Äußerungen: „Wo es dem einzelnen Ort doch überall besser ginge.“ Denn in einem solidarischen Haushalt bezahlen alle Bürger für die kleinen und großen Denkmäler - was bei kleinen Einzelgemeinden undenkbar wäre.
Und so muss ich die Gemeinde - die ich immer als Gemeinschaft der Bürger definiere - und die kommunalen Finanzen immer vor ihren Vertretern im Gemeinderat beschützen. Das macht wenig Freude und wenig Freunde, ist aber notwendig um als Insolvenzverwalter ein bisschen Handlungsrahmen zu erhalten. Das wird auch allen Nachfolgern so gehen. Das alles kostet unendlich an Energie, macht müde, erschöpft und legt sich auf die körperliche Gesundheit, auch wenn der Geist schwer gerüstet ist und kämpfen will, aber der Körper zeigt die Grenzen auf, wenn er nicht mehr kann.
In so einer Situation steht man ganz alleine da und muss für sich auch ganz alleine eine Entscheidung treffen. Mein Streben und Ziel ist es immer die Gemeinde Hörselberg-Hainich und ihre Handlungsfähigkeit zu erhalten. Im Gemeinderat habe ich seit geraumer Zeit immer mehr den Eindruck, dass ein Teil der Gemeinderäte genau das gar nicht wollen - ich vermute nicht mal Absicht dahinter - aber den Wunsch mal große Bundespolitik zu Hause spielen zu wollen. Das hilft weder der Gemeinde noch den Bürgern, sondern schafft den „Staat“ und die Demokratie mehr und mehr ab. Das Ganze führt zu ewigen sinnlosen Diskussionen über Kleinigkeiten - wie der Wasserrinne für einen Kindergarten - aber mal weitere 100.000 € zweifelhafter Verlustumlage an einen Wasserverband rauszuhauen, damit hat keiner ein Problem. Wer so agiert, nimmt das staatlich organisierte Scheitern einer Gemeinde billigend in Kauf und fühlt sich dabei noch gut - das haben wir erlebt.
Ich kann dieses von aussen und innen gelenkte Scheitern nicht vertreten und mir selbst gegenüber auch nicht rechtfertigen. Aber die wichtigsten Pflöcke für das langfristige Bestehen der Gemeinde sind eingeschlagen. In wichtige und richtige Wege sind wir aufgebrochen und die Felder für die Zukunft sind bestellt. Auch sind wir bisher immer mit einem oder zwei blauen Augen davongekommen - also macht was draus.
Aber mein gesundheitlicher Zustand macht mir derzeit das umfängliche und mit voller Kraft geführte Kämpfen nicht mehr möglich. Das braucht es aber für die Herausforderungen, gerade wenn man ohne breite Unterstützung dasteht. Da ich nur dieses eine Leben habe und die Gemeinde das breite Fundament an Einigkeit und Unterstützung braucht, gebe ich den Bürgern das Mandat und das Amt tieftraurig und menschlich zutiefst enttäuscht zum 31.12. diesen Jahres zurück.
Ich danke allen Bürgern sowie meinen Unterstützern für das entgegengebrachte Vertrauen und die gemeinsame Arbeit. Meine ehemaligen Unterstützer und meine Widersacher möchte ich vor „großen Würfen“ warnen, denn das führt unweigerlich zur Auflösung der Gemeinde oder Fusion in größere Strukturen - paradiesisch wird beides nicht.
Ich bin aber gerne Insolvenzverwalter im Auftrag unserer Bürger gewesen, aber zum Abwickler lasse ich mich nicht machen und Totengräber unserer Gemeinde kann und werde ich nicht sein.
Ihr Bürgermeister
Christian Blum