Vollzug der Verordnung (EU) 2016/429 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9. März 2016 zu Tierseuchen und zur Änderung und Aufhebung einiger Rechtsakte im Bereich der Tiergesundheit (kurz AHL) i. V. m. Delegierte Verordnung (EU) 2020/687 der Kommission vom 17. Dezember 2019 zur Ergänzung der Verordnung (EU) 2016/429 des Europäischen Parlaments und des Rates hinsichtlich Vorschriften für die Prävention und Bekämpfung bestimmter gelisteter Seuchen
Der Zweckverband Veterinär- und Lebensmittelüberwachungsamt Jena-Saale Holzland (ZVL J-SH) erlässt folgende
Allgemeinverfügung
| 1. | Die unter Nummer 2 der Allgemeinverfügung GZ: TG/523-22_AI-Ausbruch 2022-V-140/22 vom 08.12.2022 festgelegte Schutzzone wird gemäß § 49 Abs. 1 Thüringer Verwaltungsverfahrensgesetz (ThürVwVfG) widerrufen. |
| 2. | Das Gebiet bzw. Teile folgender Ortschaften/Gemeinden die bisher unter die Schutzzone gefallen sind, werden der Überwachungszone zugeordnet. |
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| Gemarkung Krippendorf |
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| Gemarkung Vierzehnheiligen |
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| Gemarkung Lützeroda |
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| Gemarkung Cospeda |
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| Gemarkung Isserstedt |
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| Gemarkung Remderoda |
| 3. | Die sofortige Vollziehung der in den Punkten 1 und 2 des Tenors getroffenen Festlegungen wird gemäß § 80 Abs. 2 Nr. 4 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) angeordnet. |
| 4. | Die Allgemeinverfügung wird an dem auf die öffentliche Bekanntmachung folgenden Tag wirksam. |
| 5. | Diese Verfügung ergeht verwaltungskostenfrei. |
Gründe:
I.
Bei der Aviäre Influenza (AI, Geflügelpest) handelt es sich um eine virale Infektionskrankheit, die ihr natürliches Reservoir in der Wildvogelpopulation hat. Diese Viren treten in zwei Varianten (gering/hochpathogen) und verschieden Subtypen auf (H1-16 in Kombination mit N1-9) auf.
Geringpathogene aviäre Influenzaviren (LPAIV) der Subtypen H5 und H7 verursachen bei Hausgeflügel, insbesondere bei Enten und Gänsen, kaum oder nur milde Krankheitssymptome. Allerdings können diese Viren spontan zu einer hochpathogenen Form (hochpathogene aviäre Influenzaviren, HPAIV) mutieren, die sich dann klinisch als Geflügelpest zeigt.
Geflügelpest ist hochansteckend und verläuft mit schweren allgemeinen Krankheitszeichen.
Bei Hühnern und Puten können innerhalb weniger Tage bis zu 100 % der Tiere erkranken und verenden. Enten und Gänse erkranken oftmals weniger schwer, die Krankheit führt bei diesen Tieren nicht immer zum Tod und kann bei milden Verläufen gänzlich übersehen werden.
Infizierte Vögel scheiden AIV zumeist mit dem Kot aus. Bei Legetieren können auch die Eier Virus enthalten. Direkter Kontakt der Vögel untereinander sowie das Aufnehmen virushaltigen Materials oder verseuchten Wassers mit dem Schnabel überträgt die Infektion. Die Verbreitung zwischen Geflügelbeständen kann durch den Tierhandel oder indirekt durch verunreinigte Fahrzeuge, Personen, Geräte, Verpackungsmaterialien oder Ähnliches erfolgen.
Bei Ausbruch hat der Gesetzgeber daher unverzügliche Seuchenbekämpfungsmaßnahmen festgelegt.
Gemäß Artikel 39 i.V.m. Anhang X der VO (EU) 2020/687 ist die Daure der Schutzzone auf eine Mindestdauer von 21 Tagen festgelegt. Nach dieser Dauer kann die Behörde die Maßnahmen der Schutzzone aufheben und die Maßnahmen der Überwachungszone anordnen.
II.
Gemäß § 1 Abs. 2 i. V. m. § 1 Abs. 1 Nr. 3 Thüringer Ausführungsgesetz zum Tiergesundheitsgesetz (Thüringer Tiergesundheitsgesetz - ThürTierGesG) sowie § 3 Abs. 1 Nr. 4 Thüringer Verwaltungsverfahrensgesetz (ThürVwVfG) ist der Zweckverband Veterinär- und Lebensmittelüberwachungsamt Jena-Saale-Holzland für den Landkreis Saale-Holzland und die kreisfreie Stadt Jena zuständige Behörde für den Erlass dieser Allgemeinverfügung.
Zu Nummer 1 und 2
Gemäß Artikel 39 Abs. 1 der VO (EU) 2020/687 kann die zuständige Behörde die festgelegten Seuchenbekämpfungsmaßnahmen aufheben. Die vorläufige Reinigung und Desinfektion und die klinischen Untersuchungen sind gemäß Artikel 39 Abs. 1 abgeschlossen. Des Weiteren ist der Mindestzeitraum im Anhang X der VO (EU) 2020/687 zum 29.12.2022 abgelaufen, sodass die Aufhebung der Schutzzone mit Wirksamwerden der Allgemeinverfügung zum 29.12.2022 erfolgt.
Nach Artikel 39 Abs. 3 der VO (EU) 2020/687 gelten die Maßnahmen in der unter Nummer 2 angeordneten Überwachungszone weiter, sodass auch hier die angeordneten Seuchenbekämpfungsmaßnahmen der Allgemeinverfügung GZ: TG/523-22_AI-Ausbruch 2022-V-140/22 vom 08.12.2022 weiterhin Gültigkeit besitzen. Diese dienen der Konkretisierung der Seuchenbekämpfungsmaßnahmen und sind erforderlich um eine Ausbreitung der HPAI, den Schutz vorhandener geflügelhaltender und in Gefangenschaft gehaltener vogelhaltender Betriebe und wildlebender Vögel zu gewährleisten sowie damit einhergehende wirtschaftliche Verluste vorgenannter Betriebe weiterhin zu minimieren.
Bei jeder einzelnen der getroffenen Seuchenbekämpfungsmaßnahmen ist der ZVL J-SH nach einer Risikoeinschätzung zu dem Ergebnis gekommen, dass die angeordneten Maßnahmen geeignet, erforderlich, angemessen und damit verhältnismäßig sind, um die HPAI zu bekämpfen.
Zu Nummer 3
Die sofortige Vollziehung der Maßnahmen in den Punkten 1 und 2 des Tenors wird gemäß § 80 Abs. 2 Nr. Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) im besonderen öffentlichen Interesse angeordnet.
Aufgrund des Ausbruchs der HPAI in einem Betrieb in Isserstedt liegt diese Voraussetzung dafür vor, da die Ausbreitung der HPAI und somit die Gefahr von tiergesundheitlichen wie auch wirtschaftlichen Folgen sofort unterbunden werden muss. Die Maßnahmen zum Schutz vor einer Verschleppung der Seuche müssen daher sofort greifen. Ein Abwarten von verwaltungsgerichtlichen Entscheidungen ggf. über mehrere Instanzen ist in dieser bestehenden Gefahrensituation für die öffentliche Sicherheit nicht zumutbar. Es liegt im besonderen öffentlichen Interesse, dass die zur wirksamen Seuchenbekämpfung erforderlichen Maßnahmen ohne zeitlichen Verzug durchgeführt werden können. Diesem besonderen öffentlichen Interesse stehen keine vorrangigen oder gleichwertigen privaten Interessen gegenüber, die es rechtfertigen könnten, die Wirksamkeit der Allgemeinverfügung bis zu einer zeitlich noch nicht absehbaren unanfechtbaren Entscheidung über einen möglichen Widerspruch hinauszuschieben. Insofern überwiegt das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung einem entgegenstehenden privaten Interesse an der aufschiebenden Wirkung eines Widerspruchs.
Zu Nummer 4
Die Allgemeinverfügung wird gemäß § 43 Abs. 1 Thüringer Verwaltungsverfahrensgesetz (ThürVwVfG) mit Bekanntgabe wirksam. Entsprechend § 41 Absatz 4 Sätze 3 und 4 ThürVwVfG gilt die Allgemeinverfügung zwei Wochen nach der ortsüblichen Bekanntmachung als bekannt gegeben. In einer Allgemeinverfügung kann ein hiervon abweichender Tag, jedoch frühestens der auf die Bekanntmachung folgende Tag, bestimmt werden. Von dieser Ermächtigung wurde Gebrauch gemacht, da die tierseuchenrechtliche Anordnung keinen Aufschub duldet. Dabei war zu berücksichtigen, dass der Adressatenkreis so groß ist, dass er, bezogen auf Zeit und Zweck der Regelung, vernünftigerweise nicht in Form einer Einzelbekanntgabe angesprochen werden kann.
Von einer Anhörung wurde gemäß § 28 Abs. 2 Nr. 4 ThürVwVfG abgesehen. Im Rahmen der Ermessensentscheidung war zu berücksichtigen, dass bei der vorliegenden Sachlage die Anhörung der Betroffenen nicht zu einer anderen Beurteilung der Dinge geführt hätte.
Zu Nummer 5
Die Kostenentscheidung ergeht nach § 28 Nr. 1 ThürTierGesG.
Rechtsbehelfsbelehrung
Gegen diesen Bescheid kann innerhalb eines Monats nach Zustellung Widerspruch erhoben werden.
Der Widerspruch ist beim Zweckverband Veterinär- und Lebensmittelüberwachungsamt Jena-Saale-Holzland, Kirchweg 18, 07646 Stadtroda einzulegen.
gez. Tschada
stellv. Geschäftsleiter
Bei der Übermittlung mittels Bürgerkonto nach der ERVV können nur PDF- und TIFF-Dokumente verarbeitet werden.
Hinweise
| A. | Der vollständige Inhalt der Allgemeinverfügung kann auch auf der Internetseite sowie zu den Geschäftszeiten beim Zweckverband Veterinär- und Lebensmittelüberwachungsamt Jena-Saale-Holzland, Kirchweg 18, 07646 Stadtroda, eingesehen werden. |
| B. | Widerspruch und Anfechtungsklage haben gemäß § 37 Tiergesundheitsgesetz (TierGesG) i. V. m. § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO zum Zwecke der Tierseuchenbekämpfung keine aufschiebende Wirkung. Mit dieser Regelung bringt der Gesetzgeber seinen Willen zum Ausdruck, dass die Anfechtung bestimmter Maßnahmen auf dem Gebiet der Tierseuchenbekämpfung zu keiner aufschiebenden Wirkung führen darf. Der Grund liegt in der Eilbedürftigkeit dieser Maßnahmen im Sinne einer effektiven Tierseuchenbekämpfung. Für die Gewährleistung einer effektiven Tierseuchenbekämpfung muss jedoch auch für einzelne Maßnahmen, die nicht in dem Katalog des § 37 TierGesG genannt sind, die aber im Zusammenhang mit diesen Tierseuchenbekämpfungsmaßnahmen stehen und unerlässlich sind, die sofortige Vollziehung nach allgemeinen verwaltungsrechtlichen Vorschriften angeordnet werden. |