Deutscher Jagdpanzer 38 „Hetzer“. Auf direkte Einwirkung des NSDAP-Gauleiters von Thüringen, Sauckel, wurden bis zum 1. April 1945 mindestens fünf dieser Fahrzeuge zum Kampf an die Werra verlegt, allerdings fehlten ausgebildete Fahrer
An der Werra stießen die wenigen deutschen Panzer auf hunderte US-Panzer, vorrangig vom Typ „Sherman“,
Major Hermann Krenzer, 1907 in Nieder-Roden geboren, war als Regimentskommandeur in Finnland mit dem Ritterkreuz ausgezeichnet worden. Eine schwere Verwundung führte dazu, dass er sich im März 1945 in seinem zeitweiligen Heimatort Frankenroda aufhielt. Ein Befehl des Wehrbezirkes aktivierte ihn und machte ihn zum Kommandeur des Werraabschnitts von Mihla bis Treffurt. Nach den verlustreichen Kämpfen bei Mihla befahl er den deutschen Rückzug. In Friedrichroda geriet er wenig später in US-Gefangenschaft
In einigen Folgen möchte ich die Ereignisse von vor 80 Jahren darzustellen und dazu den aktuellen Forschungsstand zu nutzen.
Heute geht es um die Frage, weshalb gerade an der Werra gekämpft werden musste.
Am 31. März 1945 hatte das amerikanische Oberkommando beschlossen, der bereits weit nach Hessen vorgestoßenen 3. US-Armee unter General Patton freie Hand für einen Vorstoß nach Thüringen hinein zu geben. Patton entfernte sich damit weit von seinen linken und rechten Nachbarn, die noch in Kämpfe mit deutschen Streitkräften im Ruhrkessel bzw. im Taunus verwickelt waren.
Erst am 1. April schloss sich der Kessel um die im Ruhrgebiet eingeschlossene Heeresgruppe B und Feldmarschall Model. Dadurch wurden in der Folge weitere US-Streitkräfte frei, die dem vorpreschenden Patton Flankenschutz geben konnten.
Die 3. US-Armee war allerdings selbst stark genug, um in den bevorstehenden Kämpfen gegen die demoralisierten deutschen Wehrmachtstruppen zu bestehen.
General Pattons Plan zum Vormarsch nach Thüringen bestand darin, die Abschnitte der Autobahn für den Vorstoß der Panzerkräfte zu nutzen und mögliche Widerstandsnester zunächst nicht zu bekämpfen, sondern deren Säuberung den nachfolgenden Infanterieregimentern zu überlassen, was als realistisch eingeschätzt wurde.
Vor allem ging es den amerikanischen Stabsoffizieren darum, die in Thüringen vermuteten deutschen Befehlszentralen (vor allem im Raum Ohrdruf) auszuheben und auszuschalten. Ohrdruf wurde tatsächlich am 4. April von den US-Streitkräften erreicht, Generalfeldmarschall Albert Kesselring, der sich bis zum 3. April in Schloss Reinhardsbrunn aufhielt, konnte jedoch nicht festgenommen werden.
So entstand die Situation, die am 1. April 1945 dazu führte, dass am frühen Morgen dieses Tages die CCA der 4. Panzerdivision als Speerspitze der 3. US-Armee von Bosserode aus zur Werra vorstieß.
Je näher die US-Kampftruppen der thüringischen Grenze kamen, umso unruhiger und aktiver wurden die seit Jahren verantwortlichen politischen Größen der NSDAP.
Dies betraf neben den Kreisleitern der NSDAP und den Bürgermeistern der Werragemeinden vor allem Thüringens Gauleiter Fritz Sauckel, seit 1927 in diesem Amt, seit 1932 vor der Machtübernahme Hitlers im Reich erster Nazi-Innenminister in einem Land des Reiches, seit 1939 Reichsverteidi-gungskommissar für den Wehrkreis IX und seit 1942 auch noch Generalbevollmächtigter für den Arbeitseinsatz (GBA).
Als solcher war er für die Deportation von etwa 7,5 Millionen ausländischen Arbeitskräften nach Deutschland und deren zu leistender Zwangsarbeit verantwortlich, alles Umstände, die im Ergebnis des Nürnberger Prozesses zu seinem Todesurteil führten.
Jetzt aber, Ende März 1945, setzte er alles daran, zusammen mit den Militärs an der Werra eine neue Kampflinie aufzubauen, um seinen „Mustergau“ Thüringen zu schützen und seine persönliche Macht zu erhalten.
So ist durch Augenzeugen belegt, dass sich Sauckel gemeinsam mit dem NSDAP-Kreisleiter von Eisenach, Hermann Köhler, und mehreren Offizieren bei Spichra aufhielt und die Sprengung der Werrabrücken forderte. Auch ein „Besuch“ in Creuzburg ist belegt. Dabei wurde er unterstützt vom Creuzbur-ger Ortsgruppenleiter Karl Kabisch und dem zum Stadtkommandanten ernannten Hauptmann Kladik.
Sauckels Forderungen für den Ausbau der Werralinie führten dazu, dass tatsächlich Verstärkungen unmittelbar vor Kampfbeginn eintrafen.
So sollte die Panzerjäger-Ersatz-und Ausbildungsabteilung 9, von der eine Kompanie in der Eisenacher Kaserne und eine weitere in Mihla untergebracht war, mit bereits ergangenem Befehl am 26. März 1945 („Leuthen-Stichwort“) mit Einheiten der ebenfalls in Eisenach liegenden Ersatzabteilung der Panzerjäger zum Stammstandort Neuruppin versetzt werden, um die brüchige Ostfront zu stärken. Die Auslösung des Stichwortes „Leuthen“ bedeutete für alle Ersatz- und Ausbildungsabteilungen die Umwandlung zur Fronttruppe und den sofortigen Einsatz an den Kriegsfronten.
Sauckels Intervention beim Wehrbezirkskommando und als Verteidigungskommissar bewirkte, dass gerade die Panzerjäger-Ersatz-und Ausbildungsabteilung 9, zumindest die Kompanie in Mihla an der Werra, nicht zur Stammeinheit nach Neuruppin, wie am 26. März befohlen, abmarschieren musste.
Sie wurde so zur Kampfeinheit mit dem Einsatz an der fieberhaft aufgebauten Verteidigungslinie an der Werra.
Auch die Abkommandierung von Angehörigen der Offiziers-Bewerberschule 2 für Panzergrenadiere Weimar an die Werra und der Einsatz von mindestens einem Zug der auf dem Truppenübungsplatz Ohrdruf neu aufgestellten 3. (Fla) Panzerersatz- und Ausbildungsabteilung 204 gebildet unter dem Kom-mando des Hautmanns Udo Klausa mit zwei Flakpanzern P IV „Möbelwagen“ und eines von fünf Prototypen des noch in der Erprobung befindlichen Flak-Superpanzers „Kugelblitz“ scheinen durch den direkten Einfluss von Sauckel erreicht worden zu sein. Die anderen Fahrzeuge der Flakabteilung wurden im Endkampf um Berlin eingesetzt.
Nach US-Militärberichten nach den Kämpfen hatte sich bei Verhören deutscher Offiziere ergeben, dass die Flakabteilung, deren Stab in Wechmar bei Gotha lag, am 30. März mit Eisenbahntransport verlegt wurde. Drei der Panzer unter Befehl eines Oberleutnants Manskopf erreichten über Eisenach dann Creuzburg und Spichra.
Auch die militärische Führung versuchte bis zuletzt Verstärkungen aufzutreiben und an die Westgrenze des Gaus Thüringen zu werfen. So kamen ab Ende März 1945 mehrere neue Jagdpanzer vom Typ „Hetzer“ zur Mihlaer Kompanie, für die dort allerdings keine ausgebildeten Fahrer zur Verfügung standen.
Auch der Volkssturm in den Werraorten wurde Ende März mobilisiert: die einzelnen Kompanien mussten zum Appell antreten, erhielten, wenn das noch nicht geschehen war, eine provisorische Uniformierung (meist beschränkte sich diese auf die Armbinde mit der Aufschrift „Deutscher Volkssturm“) und wurde mit Gewehren und Panzerfäusten ausgerüstet. In den letzten Märztagen rückten sie zum Bau von Panzersperren aus.
Rainer Lämmerhirt
Aus: Ostern 1945 - Bad Langensalza 2025