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Werratal Bote Mitteilungsblatt der VG Hainich-Werratal und Stadt Treffurt
Ausgabe 27/2024
Amt Creuzburg
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Historisches

Federzeichnung der Scherbdaer Kirche aus dem Jahr 1946.

Schriftvergleich der Zeichnungsrückseite (oben) mit Eintragungen des Hilfspfarrers Wolfgang Rahaus im Scherbdaer Kirchenbuch (unten).

Gedenkmedaille zum Jubiläum „900 Jahre Wartburg“ aus dem Jahr 1967 nach einem Entwurf von Wolfgang Rahaus.  

und eine Federzeichnung der Scherbdaer Kirche

Im Juni 2024 wurde auf einem Eisenacher Trödelmarkt eine hübsche Federzeichnung der Scherbdaer Kirche angeboten. 36,7 cm x 27,0 cm groß, auf etwas vergilbtem Zeichenkarton ausgeführt, zusammengefaltet und auf das Jahr 1946 datiert, zeigt sie einen Blick aus dem gegenüberliegenden Garten auf das im Krieg weitgehend unversehrt gebliebene Bauwerk. Ältere Scherbdaer könnten das Motiv schon einmal zu Gesicht bekommen haben: Es wurde 1948 auf einem Einladungsblatt zum Scherbdaer Kirchweihfest gedruckt, von dem sich ein Exemplar (eingeklebt in der Scherbdaer Kirchenchronik) erhalten hat. Zunächst aber gaben weder dieses Einladungsblatt noch das nunmehr aufgetauchte Original einen Hinweis auf den Namen des Künstlers.

Der rückseitige Vermerk „Scherbda Krs. Eisenach“ führte schließlich zur Lösung des Rätsels: Die markante Handschrift (meist wurde in dieser Zeit noch in Kurrent oder Sütterlin geschrieben) findet sich in den frühen 1940-er Jahren in den Scherbdaer Kirchenbüchern wieder. Sie stammt vom damaligen Frankenrodaer Pfarrer Wolfgang Rahaus, welcher in jenen Jahren für den zum Kriegsdienst eingezogenen Pfarrer Hans Schmidt die Scherbdaer Pfarrstelle verwaltete.

Ein weiteres Indiz, welches für Wolfgang Rahaus als Urheber des Werkes spricht, ist die Tatsache, dass er 1949 auch eine Federzeichnung der Kirche in Kerspleben bei Erfurt anfertigte. Diese im gleichen Stil und im Auftrag der dortigen Kirchgemeinde ausgeführte Zeichnung wurde 1950 als Kunstpostkarte in einer Auflage von 1000 Stück veröffentlicht[1].

Wolfgang Rahaus wurde am 9. Mai 1907 als Sohn des Oberpostsekretärs Hermann Rahaus und dessen Ehefrau Olga Frieda, geb. Kleinteich, in Eisenach geboren. Von 1917 bis 1926 besuchte er das Gymnasium seiner Heimatstadt, studierte zunächst Jura in Leipzig und München und schließlich Theologie an der Universität Jena. Er war Mitglied der Glaubensgemeinschaft „Deutsche Christen“ und wirkte ab 1937 als Pfarrvikar in Waltershausen, Buttstädt, Allstedt und Frankenroda. Von dort aus übernahm er, wie bereits erwähnt, ab Frühjahr 1940 die Verwaltung der Scherbdaer Pfarrstelle. Am 12. Oktober 1941 verheiratete er sich in Pferdsdorf/Werra mit Ingeborg Krieg, einer Tochter des dortigen Pfarrers Bernhard Krieg.

In Scherbda war Wolfgang Rahaus offenbar nicht sehr beliebt, zumindest legt dies der Feldpost-Schriftverkehr zwischen dem in Norwegen stationierten Pfarrer Hans Schmidt und dessen Ehefrau Edith nahe. Am 11. September 1940 schrieb Frau Schmidt an ihren Mann: „Mit den Gottesdiensten in Scherbda ist es schrecklich. Wenn Pfr. Rahaus oben ist, ist grundsätzlich niemand in der Kirche. Der Unterricht bei den Kindern ist furchtbar. Er kann sich nicht durchsetzen. Es ist dasselbe wie bei Hirsch. Ich glaube nur noch etwas schlimmer“. Im April 1942 hieß es dann: „Wenn doch nur Rahaus nicht nach Scherbda gekommen wäre. Er predigt sie ja alle aus der Kirche raus“. Ab Juli 1942 übernahm Rahaus eine Kriegsvertretung in Sondershausen, bevor er im März 1943 selbst zur Wehrmacht eingezogen wurde. Nach seiner Rückkehr aus dem Krieg bekam er eine Anstellung im weimarischen Teil Ruhlas und wurde zum 31. März 1946, die Gründe sind nicht bekannt, aus dem Thüringer Kirchendienst entlassen.

Spätestens ab 1949 firmierte Wolfgang Rahaus als Kunstmaler in Eisenach, bald auch als Numismatiker. Nach einem spektakulären Münzfund in Creuzburg (der Maurer Hans Gutowski war im März 1955 bei Bauarbeiten in der dortigen Pfarrgasse auf neun Goldmünzen aus dem 16. und 17. Jahrhundert gestoßen), wurde Rahaus zur Bestimmung der Münzen zu Rate gezogen[2]. 1967 entwarf er eine Medaille zum Jubiläum „900 Jahre Wartburg“, heute ein recht begehrtes Sammlerstück.

Neben seiner künstlerischen Tätigkeit nahm Wolfgang Rahaus 1962 auch einen Auftrag der Stadt Creuzburg zur Erstellung einer Ortschronik an, welche in den Jahren 1966/67 im Druck erscheinen sollte. Jedoch kam es immer wieder zu krankheitsbedingten Verzögerungen. Bereits 1964 erwähnte Rahaus in einem Schreiben an den Creuzburger Bürgermeister Ernst Seeland seinen schlechten Gesundheitszustand. 1968 ist von sehr umfangreichem Aktenmaterial die Rede, welches Creuzburgs neuer Bürgermeister Willy Türke persönlich in Augenschein genommen hatte, und bis Ende 1969 waren einzelne Abschnitte der Chronik im Entwurf fertiggestellt. Zu einer Veröffentlichung kam es jedoch nie.

Wolfgang Rahaus starb am 30. April 1972, vermutlich ohne seinen Creuzburger Auftrag zu Ende gebracht zu haben. Ob das gesammelte und sicherlich sehr interessante Material überhaupt an die Stadt übergeben wurde, geht aus dem im Creuzburger Stadtarchiv befindlichen Schriftverkehr leider nicht hervor.

Christoph Cron

[1]

Störzner, Frank: „Rätsel um Kersplebener Kirchenbild gelöst! Gedanken zu einer künstlerischen Graphik“, in: „Gemeindebrief für die Kirchgemeindeverbände Kerspleben und Ramsla“, Nr. 3/2024

[2]

Riede, Hermann (Kreisfundpfleger): „Der Goldmünzenfund zu Creuzburg (Werra), Pfarrgasse 2, am 11. März 1955“, in: „Der Wartburg-Türmer“, Programmzeitschrift des Kulturbundes zur demokratischen Erneuerung Deutschlands, Kreisverband Eisenach, Ausgabe Dezember 1956 (Seite 122 ff.)