Die Keysersche Buchhandlung am Anger 11, heute Nordsee (vom Stadtarchiv Erfurt zur Verfügung gestellt)
„Uhuhu oder Hexen-Gespenster-Schatzgräber und Erscheinungs-Geschichten“ herausgegeben von Georg Adam Keyser, Vierter Packt, Erfurt, 1787
„Uhuhu oder Hexen-Gespenster-Schatzgräber und Erscheinungs-Geschichten“ herausgegeben von Georg Adam Keyser, Vierter Packt, Erfurt, 1787, S. 10
Originalunterschrift Georg Adam Keyser, vektorisiert von Wolf-Marcus Haupt
Denkt man an Creuzburgs berühmte Persönlichkeiten überstrahlt Michael Prätorius fast alle anderen. Obwohl er nur eine kurze Zeit in Creuzburg verbracht hat - sein Vater musste die Stadt aus religiösen Gründen bereits 1573 verlassen - wird vor allem sein selbstgewählter Namenszusatz „Creuzburgensis“ oder „Cruciburgensis“ als Verbundenheit mit seiner Heimat interpretiert. Andere berühmte Creuzburger, die nicht diesen Hinweis auf ihre Herkunft gewählt haben, sind leider in Vergessenheit geraten, obwohl es nachweislich erwiesen ist, dass sie Zeit ihres Lebens mit Creuzburg verbunden waren.
Zu nennen wären hier Konrad Lagus (ca. 1500 bis 1546), einer der bekanntesten Juristen seiner Zeit, Friedrich Lagus (1514 bis 1593), Gelehrter, Mediziner, Stifter eines Creuzburger Stipendiums und wahrscheinlich der Gründer der Linzer Landschaftsschule, Mitglieder der Familien Breithaupt, Pfefferkorn, Schelhase, oder auch Johann Erhard Trampel, der in Wilhelmsglücksbrunn geboren wurde und die Solequellen in Bad Pyrmont entdeckt hat und auch ein Denkmal in Bad Meinberg hat.
Ein Glücksfall der Heimatforschung ist es immer wieder, wenn man Personen entdeckt, deren Geschichte bisher nicht oder nur unzureichend beschrieben wurde. Solch eine Entdeckung ist der Erfurter Buchhändler und Schriftsteller Georg Adam Keyser, der wahrscheinlich in Creuzburg geboren wurde und in Erfurt seine Keysersche Buchhandlung aufgebaut hat. Noch mehr Stellenwert bekommt diese überraschende Information, da er Creuzburg auch von Erfurt aus, finanziell unterstützt hat.
Einen absoluten Nachweis, ob er in Creuzburg geboren wurde und wann, haben wir nicht. Zu seinem Geburtsjahr gibt es unterschiedliche Angaben. Im Rundschreiben seines Sohnes Friedrich Keyser an Geschäfts- und Handelspartner (nach seinem Tod im Mai 1814) wird das Alter mit 71 Jahren angegeben, was für das Geburtsjahr 1743 sprechen würde. Andere Quellen (Leipziger Literatur-Zeitung, 1814) gehen von 1746 aus. Gestorben 1814: „Am 9ten May zu Erfurt, der dasige Universitäts-Buchhändler, Georg Adam Keyser, geb. zu Creuzburg im Eisenachischen 1746.“ Ich konnte in den Creuzburger Kirchenbüchern keinen Taufeintrag finden.
Da es sich hier um Sekundärangaben, also aus zweiter Hand, handelt, ist eine Quelle, die von ihm selbst stammt, besonders wichtig. G. A. Keyser hat nur wenig Privates oder Biographisches preisgegeben. Eine Ausnahme ist die von ihm herausgegebene „Dorf-Geographie“ aus dem Jahre 1790 (zweiter Band). In der Vorrede schreibt er: „Nachdem ich von meynem dreyzehnten Jahre an, aus der Schule ins Herzogl. Sächßi. Eisenachische Amt Creuzburg, meiner Vaterstadt kam, so ich 4 Jahre unter der Leitung des nachherigen Herrn Rath und Oberamtmanns Häbling in Eisenach, die Schreiberey besorgte, wurde ich zur Postexpedition nach Weissensee in Chursachsen, von da nach Mühlhausen in Thüringen, dann Sondershausen im Schwarzburgischen, und endlich nach Gotha, zur Herzogl. Post berufen, an welchen Orten ich also bey 15 Jahren die fahrenden- und reitenden Posten besorget habe.“
Nach dem „Intelligenzblatt der Allgem. Literatur-Zeitung“ (November 1792) ist er in Creuzburg, seiner Heimatstadt, zur Schule gegangen. „Sobald der Universitätsbuchhändler zu Erfurt, Hr. Ge. Ad. Keyser, welcher vormals selbst diese Schule besucht und sich durch seine Wohltäthigkeit um die Stadt Creuzburg verdient gemacht hat, einige Nachricht von den neuen Schulanstalten in seiner Vaterstadt erhalten hatte; so fasste er aus Liebe für dieselbe die Entschliessung eine beträchtliche Sammlung neuer Bücher aus seiner Verlagsbuchhandlung zu der obenerwähnten Schulbibliothek und Schulbüchercasse zu schenken, deren Werth nach den Ladenpreissen über 270 Rthlr. steigt.“
1777 hat er die Keysersche Buchhandlung gegründet, nachdem er die Grießbachische Buchhandlung vom damaligen Besitzer Johann Georg Ernst Wittekindt aus Eisenach gekauft hat. Das Gebäude befand sich in der Marktstraße 35 (Information Stadtarchiv Erfurt). Erst im Jahr 1885 erfolgte der Umzug in das Gebäude Anger 11, das heute noch existiert (jetzt Nordsee) und auch vom Erscheinungsbild wesentlich erhalten geblieben ist.
Das Spektrum seines Verlages ist keiner bestimmten Richtung zuzuordnen. Da G. A. Keyser ebenfalls Universitätsbuchhändler war, sind viele Fachbücher darunter. Aber auch Schulbücher, Werke zur Erfurter Stadtgeschichte, Bücher zu religiösen, geschichtlichen, medizinischen und gesellschaftlichen Themen zählten zum Sortiment. Ein Teil der Publikationen kann als Populärliteratur bezeichnet werden und richtet sich an ein größeres Publikum. Neben den Werken anderer Autoren war G. A. Keyser selbst als Schriftsteller tätig. Dazu zählt auch die „Dorf-Geographie“, in der er sein Wissen, das er während seiner Arbeit für die Poststationen sammeln und herausbringen konnte. Von 1785 bis 1792 hat er sieben Bücher in seiner Reihe „Uhuhu oder Hexen-Gespenster-Schatzgräber- und Erscheinungs-Geschichten“ veröffentlicht. In diesen sogenannten als „Packt Eins bis Sieben“ bezeichneten Werken, widmet er sich dem Aberglauben, „daß es Hexen, Gespenster und dergleichen Erscheinungen gebe:“
Um „den gemeinen Haufen und Pöbel vom Aberglauben zu befreyen“ hat Keyser versucht, die Widersprüchlichkeiten bestimmter historischer Ereignisse aufzuzeigen. Dafür haben er und andere Autoren verschiedene Geschichten zu Hexen, Gespenstern und Erscheinungen aus Büchern und Akten zusammengetragen. Im „Packt Eins“ aus dem Jahr 1785 reicht die Spannbreite von der „Aktenmäßigen Geschichte einer im 18ten Jahrh. zu Großrudestedt im Eisenachisch. verurtheilten Hexe“, über „Militärische Gespenstererscheinungen in Schlesien“ bis hin zur „Natürl. Spuckerey eines Hirnschädels, den eine Maus bewohnte“ und vielem mehr. Bereits 1786 bemerkt Meusel in seinen „Literarischen Annalen der Geschichtskunde“ (Bayreuth und Leipzig): „Eine aus gerichtlichen Akten gezogene Sammlung, der es nicht an Lesern fehlen wird, und die auch den Geschichtsforscher, der auf Veränderung der Sitten achtet, willkommen seyn muß. Gleich die erste Nummer ist höchst merkwürdig und unterhaltend...“
Im „Packt Vier“ findet sich ein Kapitel, in dem Gottlieb Wilhelm Pistorius, drei Creuzburger Hexenprozesse beschreibt, die letztlich damit zusammenhängen, dass Pistorius beruflich mit Creuzburg verbunden war. G. W. Pistorius war laut den Regesten des „Geheimen Consilium von Sachsen-Eisenach“ damals Amtsaktuar in Creuzburg, vormals Großrudestedt.
Die Akten lagen zu Pistorius Zeiten in Creuzburg, und befinden sich jetzt mit anderen Hexenprozessakten im Staatsarchiv Weimar, ehemals Ernestinisches Gesamtarchiv. Die Gründe der Übersendung und warum die Akten die verherrenden Brände von 1765 und 1782 unbeschädigt überstanden haben, sind unklar. Die Hexenprozesse richteten sich gegen Else Rupprecht, Anna Lünich und Anna Thiel. Alle drei wurden Opfer einer Anschuldigung. Der erste Prozess beschreibt das Schicksal von Else Rupprecht. Das Gericht beruft sich auf die Angaben von Barbara Pinkernagel, die nach Pistorius am 23. November 1658 enthauptet und dann verbrannt wurde. „Kaum hatte die schon verhörte Pinkernägelin bekannt, daß die Rupprechtin dem Hexentanze ufm Hain zu C-g beygewohnet hatte, so erkannte schon der Schöppenstuhl in dem Urtheil, das jener den Tod brachte, dieser die Gefangennehmung.“ Da die Rupprecht die Vorwürfe nicht eingestehen wollte, wurde sie der „peinlichen Befragung“ unterworfen und hat unter Tortur eine Liste mit 16 Frauen preisgegeben, die am Hexentanz teilgenommen haben sollen. Um weiteren Schmerzen zu entgehen, wollte sich E. Rupprecht selbst umbringen, was jedoch mißlang. Nach einem zweimonatigen Prozess wurde sie am 27. Juli 1660 erst enthauptet und dann verbrannt. Die Angaben decken sich mit Rollberg „Vom Hexenwahn in Westthüringen“ (Thüringer Fähnlein, 7. Jahrg., Heft 4, Jena 1938, S. 105-133). Danach war Else Rupprecht, die Ehefrau des Tagelöhners Hermann Rupprecht, dreimal verheiratet und über 50 Jahre alt. Ihre Ehemänner waren Müller, Soldat und Tagelöhner.
Der zweite Prozess wandte sich gegen Anna Lünich. Sie wollte nicht eingestehen, Kuchen vergiftet zu haben und wurde der Tortur unterworfen. Sie ist während der Folter verstorben und wurde am 26. Mai 1659 unter dem Galgen begraben. Die dritte Akte beschäftigt sich mit den Vorwürfen gegen Anna Thiel. Auch sie wollte die zahlreichen Vorwürfe der Hexerei gegen Nachbarn nicht eingestehen und wurde gefoltert. Anna Thiel wurde am 18. Mai 1660 enthauptet und verbrannt. Keyser und Pistorius haben aus ihrer Ablehnung der Hexenprozesse und den damit verbundenen Ungerechtigkeiten keinen Hehl gemacht, dem sich auch der Autor vollumfänglich anschließen kann.
G. A. Keyser hat die Verbindung zu Creuzburg nie aufgegeben. Besonders das Schicksal der Schule, die er auch besucht hatte, war ihm wichtig. In früherer Zeit wurde dort der Grundstein für zahlreiche Karrieren gelegt (Lagus (Hase), Pfefferkorn, Breithaupt, Schelhase, Spielhaus und viele mehr). Leider hat sich der Zustand der Schule durch die beiden verherrenden Brände von 1765 und 1782 so stark verschlechtert, dass das Oberconsistorium in Eisenach eine neue Schulbibliothek und Schulbücherkasse eingerichtet hat. Die Schulbibliothek stand allen offen: Lehrern, Schülern, aber genauso den Bürgern der Stadt. Für besonders arme Schüler wurden über die erwähnte Schulbücherkasse Schulbücher und das Schreibmaterial finanziert. So hat er einen Teil seiner Bücher der Schule gespendet, um über eine Versteigerung Geld für die Schule einzusammeln.
G. A. Keyser ist am 09.05.1814 in Erfurt nach einem längerfristigen Magenleiden gestorben. Sein Sohn, Friedrich Keyser, der bereits zehn Jahre im väterlichen Geschäft tätig war, hat die Buchhandlung im Mai 1814 übernommen. Zuvor hatte er eine Lehre bei dem bekannten Buchhändler Friedrich Perthes in Hamburg (später Gotha) absolviert und dann seine berufliche Laufbahn in der „Akademischen Buchhandlung von Mohr und Zimmer“ in Heidelberg fortgesetzt. Leider ist Friedrich Keyser bereits 1819 verstorben, so dass die Buchhandlung erst einmal verwaist war. Die Erben verkauften das Geschäft an Wilhelm Winkler, während das Sortiment von Carl Pfefferkorn weitergeführt wurde. Am 03.06.1819 schreibt die Redaktion, der bei Keyser erschienen Zeitschrift „Erholungen“ an Johann Wolfgang von Goethe, dass die Zeitschrift fortgesetzt werde. Es existiert auch ein Rundschreiben mit demselben Datum an alle Mitarbeiter, der Zeitschrift treu zu bleiben. Es gibt keinen direkten nachweisbaren Briefkontakt zwischen Goethe und Keyser. Aber Goethe war mehrmals zu Besuch im Hause Carl Friedrichs von Dacheröden. Dieser lebte mit seinen beiden Kindern im Haus „Zum Großen und Neuen Schiff“ am Anger 37. Dort verkehrten neben Goethe auch andere bekannte Persönlichkeiten wie Schiller, Gneisenau und Alexander und Wilhelm von Humboldt. Man geht davon aus, dass Goethe dort auch G. A. Keyser getroffen hat, der als Universitätsbuchhändler zum akademischen Kreis der Stadt gehörte und auch Artikel in der Zeitschrift "Erholungen" veröffentlicht hat.
In der Folgezeit hat die Keysersche Buchhandlung häufig die Besitzer gewechselt, so dass man sich eine erfolgreiche Zusammenarbeit mit den Geschäfts- und Handelspartnern kaum vorstellen kann. Auch die Trennung zwischen Geschäft und Sortiment war sicherlich nicht hilfreich.
Bei den jeweiligen Inhabern wären hier zu nennen.
| 1819: | Übernahme des Geschäftes durch Wilhelm Winkler, das Sortiment wird weiterhin von Carl Pfefferkorn geführt, später verkauft Winkler das Geschäft an Winter in Leipzig |
| 1851: | Tod Carl Pfefferkorns, wieder Übernahme des Sortiments durch Wilhelm Winkler |
| 1852: | Verkauf an Eugen Robert Thomass |
| 1885: | Verkauf an Felix Cavael |
| 1886: | Verkauf an Georg Ludwig |
| 1890: | Verkauf an Hugo Neumann (Buchhandlung Anger 57) und seinen Sohn Paul Neumann, der als Teilhaber aufgenommen wird. Die bestehende Buch-, Kunst- und Musikalienhandlung Hugo Neumann in Erfurt wird von Hugo und Paul Neumann getrennt weitergeführt. |
| 1897: | Überschreibung der Firma an den bisherigen Leiter, Sohn und Bruder der Vorgenannten, Bruno Neumann. |
Nachdem die Keysersche Buchhandlung fast nicht mehr existent war, hat Bruno Neumann, die Schwierigkeiten erkannt und das Sortiment auf Heimatliteratur, Landkarten und Postkarten umgestellt. Er war einer der Ersten, die in den sich entwickelnden Bahnhofsbuchhandel investiert haben und konnte Geschäfte in den Bahnhöfen von Erfurt, Weimar, Nordhausen und weiteren Orten eröffnen. Dort war neben der deutschen auch die internationale Presse erhältlich.
Nach Inhaberwechseln ging Hans-Joachim Neumann 1948 mit den Verlagsrechten nach Heidelberg und gründete dort die Keysersche Verlagsbuchhandlung neu. Neben Nachschlagewerken, Bild- und Kunstbänden gehörte auch die Karl-May-Bücherei zum Sortiment. So konnten von 1948 bis 1954 einige Werke von Karl May veröffentlicht werden. Die Lizenzrechte liefen 1955 aus.
Der Verlag wurde 1981 von der Frankfurter Allgemeinen Zeitung GmbH übernommen. 2004 kaufte der Berliner Medienunternehmer Detlef W. Prinz die Keysersche Verlagsbuchhandelsgesellschaft.
Die Keysersche Buchhandlung existiert heute nicht mehr und auch der Buchhandel hat sich maßgeblich verändert. Geblieben ist die Erinnerung an einen erfolgreichen Erfurter Buchhändler mit vielen persönlichen Beziehungen zu Creuzburg.
Wolf-Marcus Haupt