Titel Logo
Werratal Bote Mitteilungsblatt der VG Hainich-Werratal und Stadt Treffurt
Ausgabe 39/2025
Amt Creuzburg
Zurück zur vorigen Seite
Zurück zur ersten Seite der aktuellen Ausgabe

Historisches

Weimarer Husar in einer Darstellung des 19. Jahrhunderts um 1806

Eine der ältesten erhaltenen Kirmesfotografien zeigt drei Mihlaer Husaren um 1910 in der traditionellen älteren Uniform, dem meist 18reihigen Dolman.

Husarenuniform aus dem Jahre 1912

Husaren und Vorreiter

In diesen Tagen laufen bereits die intensiven Vorbereitungen für die diesjährige Kirmes in Mihla, aber auch in den anderen Orten der Region.

Steigende Kosten, eingebunden in eine strenge Arbeitsdisziplin und viele andere behindernde Faktoren. Man muss den heutigen jungen Leuten dankbar sein, sich in jedem Jahr den vielen Verpflichtungen der Kirmeszeit zu stellen und diese älteste Tradition in unseren Dörfern nicht einschlafen zu lassen!

Besuchen Gäste diese Feste wird oft die Frage nach der Herkunft und Bedeutung der bunten Husarenuniformen gestellt.

Einige Antworten:

Als besondere Ehre galt es, als Husar zu reiten. Diese Funktion, meist auch die der Platzmeister, hatten im Verlauf des 19. Jahrhunderts die Söhne der angesehensten Bauernfamilien inne. Hier wird eine weitere Besonderheit in der Entwicklung der Kirmes sichtbar: Es war vor allem ein Bauernfest, das zugleich dem Abschluss der Ernte vorbehalten war, aber auch viel Statusdenken zum Ausbruch brachte. Sich zeigen, gesehen werden, einmal in allen Bereichen für wenige Tage Dorfobrigkeit sein, das waren Gefühle, welche die Bauernsöhne zur Kirmes ausleben konnten.

Die Kirmesfeier war immer mit Pferden verbunden. Hoch zu Ross ging es im Umzug durchs Dorf, zum Propel, zum Frühschoppen in die Nachbarorte. Ganz wichtig war das Wettreiten, eine besondere Ehre, alle anderen Bauernsöhne geschlagen zu haben!

Pferde besaßen nur die „Anspänner“, die reicheren Bauern im Dorf. Deren Söhne dienten, weil sie den Umgang mit den Pferden gewohnt waren, auch meist in den Reiterregimentern der Fürsten und brachten von dort ihre Uniform mit.

Entlassung war meist in den Herbstmonaten, so dass dies ein Grund gewesen sein kann, warum einige Mitglieder des „Stabes“ in Uniformen aufritten.

Sich nach der Entlassung das erste Mal in der alten Uniform vor der Dorfgemeinschaft und den Mädchen zu zeigen, das gefiel!

Die Weimarer Husarentruppe entstand 1725. Nach 1808 wurde sie nur noch zu Ordonnanzdiensten eingesetzt, aus „Der bunte Rock“, Köln, Sammlung Autor.

Wann die Tradition in Mihla aufkam, den Vorreiter in blauer preußischer Dragoner- ursprünglich Ulanenuniform - und die Husaren in roten Dolmanen der Husarenabteilung aufreiten zu lassen, ist nicht eindeutig geklärt.

Die gleiche Sitte herrscht noch heute in einigen der umliegenden Dörfer (in Lauterbach, Bischofroda, Berka, Nazza, Hallungen und Scherbda), wobei die dort vorherrschenden Farben der Dolmane (grün, blau) wohl auf die Zugehörigkeit ihrer Träger zu anderen Rekrutierungsbezirken zu erklären sind. Unsere Untersuchungen anhand ältester Fotos ergaben, dass die Mihlaer rote Husarenuniform aus der Zeit der Befreiungskriege gegen Napoleon stammt.

Vermutlich waren die ersten Mihlaer „Husaren“ ehemalige Angehörige der Weimarer Husarentruppe, die der dortige Großherzog unterhielt.

Diese trugen rote Uniformen und die ältesten uns bekannten Fotografien von Husaren zeigen Uniformen, die jenen der Weimarer Haustruppe sehr ähnlich sind. Eigentlich kein Wunder, gehörte doch der große Marktort Mihla zum Großherzogtum Sachsen-Weimar-Eisenach.

Erst nach 1866, als der Großherzog seine eigene Militärhoheit aufgeben musste, wurden Mihlaer Männer auch in die preußischen Husaren-und Ulanenregimenter eingezogen, tauchten preußische rote und blaue Husarenuniformen im Ort auf, Uniformen, die ebenfalls durch Fotos zu belegen sind und die meist die Grundlage für Neuanfertigungen der Jahrzehnte nach dem II. Weltkrieg bildeten.

Wichtig zur Unterscheidung des Alters der auf Fotos zu sehenden Uniformen ist ein Blick auf den Dolman oder die Attila, die Husarenjacke mit ihren verzierenden farbigen Schnüren.

Die ältesten erhaltenen Kirmesfotos zeigen eine sehr dichte Verschnürung des Brustteils der Uniform. Bis zu 18 solcher Brustschnüre waren üblich.

Solche Husarenuniformen wurden in Deutschland typisch in der Zeit der Befreiungskriege (1813-1815) und in den Jahrzehnten danach bis etwa 1850 getragen.

Danach, von Preußen auf königlichen Befehl von 1853 ausgehend, setzten sich schnell die fünfreihige bequemere Attila durch, wie sie dann in Mihla in der Zeit vor und nach dem 1. Weltkrieg getragen wurde.

Häufig wurden Husarenuniformen durch Mihlaer Schneider neu hergestellt. Dabei geschah es schon oft, dass eigenwillige Uniformtypen entstanden, die nur noch entfernt an die Originale erinnerten. Wichtig war, dass der Träger gut darin aussah.

Wie wir aus den Berichten vom Ablauf der Kirmesfeiern in Mihla und auch aus den Fotos der Jahre nach dem 1. Weltkrieg wissen kam immer wieder einmal eine blaue Husarenuniform zum Einsatz.

Diese Uniform hat ihre eigene Geschichte. Bei ihr handelt es sich tatsächlich um eine Originaluniform eines Kassler Husarenregiments und auch der Husar, der in dieser Uniform kurz vor dem 1. Weltkrieg diente, ist auch bekannt.

Auch nach dem 2. Weltkrieg wurde diese Uniform ab und zu getragen. So sind mir aus meiner Jugendzeit noch Helmut Hering, Bernhard Scheibe und Herbert Böhnhardt mit einer blauen Husarenuniform im Gedächtnis.

Husarenregiment Landgraf Friedrich II. von Hessen-Homburg

2. Kurhessisches Regiment Nr. 14 („Blauen Husaren“)

Stationiert in Kassel und Wilhelmshöhe.

Attila: dunkelblau mit weißem Schnurbesatz

Kolpak: ponceaurot.

Im Zusammenhang mit den Uniformen des Stabes ist auf weitere Besonderheiten der Mihlaer Kirmes zu verweisen: Nur in Mihla reitet ein Vorreiter.

Zwar sind ältere Fotografien aus dem Nachbarort Lauterbach bekannt, auf denen ebenfalls ein Vorreiter in Dragoneruniform zu erkennen ist, doch scheint diese Sitte vielleicht durch die Zugehörigkeit zur gleichen Kirchgemeinde beeinflusst zu sein und bestand wohl auch nur bis in die Zeit Anfang der 20er Jahre des 20. Jahrhunderts.

Aber auch der Anblick des Mihlaer Vorreiters hat sich im Verlauf der Kirmesfeiern geändert. Auf den ältesten Fotografien ist der Vorreiter in einer Ulanenuniform zu erkennen. Typisch für die Ulanen der Zeit um 1900 war die Tschapka, eine aus Polen (dem Herkunftsland der Waffengattung der Ulanen, der leichten Lanzenreiterei) stammende traditionelle Kopfbedeckung, und der vorne geschlossene Uniformrock, die Kurtka.

Wann denn die Sitte, als Vorreiter nicht mehr in Ulanenuniform aufzureiten gegen die bis heute übliche blaue Dragoneruniform zu wechseln aufkam, lässt sich nicht mehr nachvollziehen, hat aber vielleicht auch mit Änderungen der Rekrutierungsbezirke der Mihlaer Militärtauglichen zu tun.

Also, nun auf zur Mihlaer Kirmes!

Rainer Lämmerhirt

Ortschronist