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Werratal Bote Mitteilungsblatt der VG Hainich-Werratal und Stadt Treffurt
Ausgabe 42/2025
Verwaltungsgemeinschaft Hainich-Werratal
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Vereine und Verbände

Die Eschweger Tageszeitung „WERRA-RUNDSCHAU“ berichtete in ihren Ausgaben vom 17. und 19.09.2025 ausführlich über das vor 80 Jahren geschlossene „Wanfrieder Abkommen“, mit dem ein damals eskalierender Streit zwischen den Siegermächte USA und UdSSR pragmatisch beendete wurde. Streitursache war, dass die Nachschubtransporte der USA per Schiene von Bremerhaven nach Hessen und Bayern auf der Reichsbahnstrecke bei Bad Sooden-Allendorf ca. 3 km durch Thüringen führten und so von den sowjetischen Besatzern oft schikanös gestört wurden (es gab dabei sogar einen Toten).

Die Amerikaner luden Vertreter der sowjetischen Administration in das Rittergut „Kalkhof“ bei Wanfried ein und in relativ kurzer Zeit konnte vereinbart werden, dass in dem betreffenden Bahnabschnitt die umliegenden Eichsfelddörfer Neuseesen und Werleshausen zur US-Zone in den Landkreis Witzenhausen, also nach Hessen wechselten und die Dörfer Asbach, Sickenberg, Vatteroda, Henningerode und Weidenbach fortan zur sowjetischen Besatzungszone gehören sollten. Man sprach damals auch von der „Whisky-Wodka-Linie“, weil bei den Verhandlungen im Saal des Rittergutes wohl viel von diesen „edlen“ Tropfen getrunken wurde (Details siehe Wikipedia „Das Wanfrieder Abkommen“). Die Einwohner der betroffenen Orte erfuhren erst nach dem Abkommen, was mit ihnen geschehen war, einigen gelang noch die Flucht in die Westzone.

Bei den Recherchen zum Kriegsende 1945 in Herleshausen (2005, R. Lämmerhirt) und zum Band 1 der vom WTV-Zweigverein Südringgau e.V. (Herleshausen) herausgegebenen Grenzdokumentation (2015) „stolperte“ man auch in Herleshausen über Hinweise, die allerdings im „Wanfrieder Abkommen“ nicht erwähnt sind. Man hatte in Wanfried wohl genug „verhandelt“ und dies gehörig mit den genannten „harten Getränken“ besiegelt. Das Ziel der Amerikaner, die Störungen im Bahnverkehr auf „ihrer“ Versorgungs-Linie zwischen Bremerhaven und Nürnberg mit dem Gebietsaustausch bei Bad Sooden-Allendorf zu beheben, war unterschrieben und (für sie) in „trockenen Tüchern“. Übrigens galt das „Wanfrieder Abkommen“ als Ergänzung des „Potsdamer Abkommens“ (02.08.1945) und konnte deshalb 1990 bei der Vereinigung beider deutscher Staaten auch nicht rückgängig gemacht werden.

Ein „Sturm im Wasserglas“ - durch die Werra-Auen?

Im „Wanfrieder Abkommen“ ist darüber nichts vermerkt und nicht nur Heimatforscher hoffen darauf, dass diesbezüglich evtl. doch noch weitere „alte Akten“ gefunden werden. Es gab das Gerücht sowohl in Herleshausen, als auch in Großburschla, dass man von sowjetischer Seite wohl das „Problem“ mit dem „grenzüberschreitenden“ Schienenverkehr zwischen Wartha und Neustädt noch „regeln“ wollte. Dazu sollen die Sowjets Großburschla sowie weitere Dörfer nördlich von Wanfried „zum Tausch“ angeboten haben.

Das Problem in Großburschla: Es gab damals noch keine Straße über den Heldrastein nach Schnellmannshausen, die erst 1952 gebaut wurde. Solange musste man von dort eine als „Neutrale Straße“ (NEUTRAL ROAD) gekennzeichnete Passage über die „West-Zone“ (Bahnhof Großburschla - Heldra) nach Treffurt nutzen. Ähnlich erging es den Weißenbörnern, die diese „Neutrale Straße“ durch Großburschla (= „Ost-Zone“) nutzten, um über den Bahnhof Großbuschla zur Arbeit etc. nach Eschwege zu kommen. Das war natürlich mit entsprechend häufigen Kontrollen auf beiden Seiten verbunden. Verlassen durfte man diese Straße nicht, um z. B. mal kurz die Oma oder Bekannte bzw. Freunde zu besuchen.

Im Gegenzug erwartete die sowjetische Seite einen Gebietsaustausch zwischen Bahnhof Wartha und Neustädt. D. h., die Orte Herleshausen und Wommen sollten der sowjetisch besetzten Zone zugeschlagen werden, damit auch hier - aus sowjetischer Sicht - der „grenzüberschreitende“ Schienenverkehr „störungsfrei“ laufen könnte.

In der „Herleshäuser Chronik 2019“ wird zu diesem Thema unter Berufung auf einen vertrauenswürdigen Zeitzeugen folgendes berichtet:

„… Auch ein Gebietsaustausch Großburschla gegen die nördlich der Werra liegenden Orte der heutigen Stadt Wanfried wurde in Erwägung gezogen. So kam mit Blick auf die Reichsbahnstrecke zwischen Wartha und Neustädt das Gerücht auf, dass Herleshausen und Wommen im Gebietsaustausch mit Großburschla von den Sowjets besetzt werden sollte. Dazu trug auch bei, dass der US-Kontrollpunkt in Herleshausen an der Ecke Waldstraße/Bahnhofstraße vorübergehend geräumt und die Besatzungstruppen aus Herleshausen abgezogen wurde. Es wurden in diesen Tagen sogar sowjetischen Militärpatrouillen in Herleshausen beobachtet. Die Kreissparkasse Eschwege hatte daraufhin vorsorglich ihre Reichsmark-Einlagen von der Geschäftsstelle Herleshausen in die Hauptgeschäftsstelle verlagert. Gerüchten zufolge sollen die namensgebenden Spirituosen dazu beigetragen haben, dass man dann, ‘keine Lust mehr dazu hatte‘, das Problem Herleshausen / Großburschla weiter zu verhandeln.“

Der hier beschriebene Eindruck wurde dadurch noch verstärkt, dass auch die US-Flagge abgenommen und von den US-Truppen in diesen Tagen in und um Herleshausen weit und breit nichts zu sehen war.

Wenn auch die Großburschlaer sicher enttäuscht waren, das der „Deal“ gescheitert war, kann man verstehen dass für die Einwohner/innen von Herleshausen und Wommen (sofern sie es überhaupt mitbekommen hatten, eine Zeitung gab es zu dieser Zeit noch nicht) froh darüber waren, dass das „Potsdamer Abkommen“ hier in der ursprünglichen Form weiterhin Gültigkeit behielt. Damit wurde Herleshausen aus seinem „Dornröschen-Schlaf“ gerissen und schrieb bis 1990 als „Grenzübergangsort“ mit all den damit verbunden Problemen (Reisebehinderungen, Fluchtversuche, Ankunft der Spätheimkehrer aus sowjetischer Kriegsgefangenschaft, Häftlingsfreikäufe, Familienzusammenführungen, Auswirkungen der Reaktorkatastrophe von Tschernobyl, u.v.m., ein Stückchen der „Weltgeschichte“ mit; siehe hierzu Band 2 der WTV-Grenzdokumentation; 2012)

Helmut Schmidt, WTV ZwgV. Südringgau e.V., Herleshausen