Der Wilde Jäger Elbel blickt von seiner Kanzel und sucht neue Opfer, Rekonstruktionsversuch
Die Nächte sind sehr lang und kalt. Schon früh wird es dunkel. Wir modernen Menschen sehnen uns nach Licht und Wärme. Wie muss es da unseren Vorvätern in diesen Jahreszeiten ergangen sein?
Die Arbeit auf den Feldern war gemacht, alles kam langsam zur Ruhe. Klar, die Tiere im Stall mussten gefüttert werden, aber die meiste Arbeit im Jahreslauf war geschafft. Nun kamen auch Stunden der Geselligkeit, der Gemeinsamkeit am Herdfeuer und bei Kerzenlicht.
Die „Spinnstube“ spielte nun eine große Rolle. Dort trafen sich die Frauen, um gemeinsam Handarbeit zu betreiben, aber auch über alles Neue im Ort zu sprechen, zu Quatschen… So manches Gerücht nahm dort seinen Ausgang.
Die Männer zog es in die Wirtschaften. Dort lockten Kartenspiel und Branntwein, aber auch Geselligkeit und ein Miteinander. Sogenannte „Kneipen“ gab es damals genug. Die Wirte konnten noch vom Verzehr von scharfen Getränken und Bier leben.
Ohne Fernsehgerät, ohne Computer und Handy und den Bequemlichkeiten des elektrischen Stroms blieben neben den Gesellschafts- und Kartenspielen meist nur die Erzählungen, bei denen die Älteren gern über ihre Erlebnisse aus längst vergangenen Zeiten berichteten. Erzählungen und Sagen, sie haben vor allem die Heranwachsenden immer wieder fasziniert und in den Bann gezogen.
Besonders beliebt waren Geschichten aus der näheren Umgebung. In unserer Region spielte da der Hainich mit seinen dichten Buchenwälden eine wichtige Rolle.
So blieb es nicht aus, dass auch völlig spukhafte Geschichten vorgebracht wurden. Der Aberglaube und das angebliche Wissen über Geister, Hexen und Feen war allgegenwärtig. Die harte tägliche Wirklichkeit und sicher auch die schwere körperliche Arbeit der Holzfäller, Waldarbeiter und der Bauern, die ihre kleinen Felder am Randes des Hainichs bewirtschafteten ließen oft keine andere Möglichkeit, als an das Wirken von bösen und guten Geistern zu glauben und auf deren Einfluss auf das eigene Leben zu hoffen.
Besonders in den Tagen nach Weihnachten, in den „Rauhnächten“, den zwölf Nächten um den Jahreswechsel, war es nicht geheuer. In diesen Nächten, in denen das allgemeine Leben und die Arbeit ruhten, den Nächten vom Weihnachtstag bis zum 6. Januar, zogen sich die stürmischen Mächte der Mittwinterzeit in der Nacht auf den 6. Januar zurück, „die Wilde Jagd“ begab sich am Ende der Rauhnächte ebenfalls zur Ruhe. Bis dahin aber heulte die Wilde Jagd durch die Wälder, verzauberte die Menschen, die es wagten, trotzdem unterwegs zu sein und trieb und allerlei Schabernack. Die zwölf Rauhnächte waren zudem als Bauernregel bestimmend für das Wetter der zwölf Monate des neuen Jahres.
Diese Vorstellungen an den dunklen Abenden von den alten Leuten vorgetragen bestimmte das Leben der Heranwachsenden über viele Generationen. Kein Wunder, daran glaubte man, denn wie oft heulte der Sturm in diesen Tagen durch die Nacht, waren die wilden Jäger unterwegs.
In Mihla glaubte man an den Waldgeist Elbel. Unter ihm stellte man sich den Chef der Wilden Jagd vor. Mit seinem Gefolge war er unterwegs.
In den Felsklüften über Wernershausen hatte der Elbel seine Wohnung. Von der „Elbelskanzel" am „Elbelstein" herunter rief er seine Kumpane zusammen, und dann ging es auf zur „Wilden Jagd" durch den weiten Hainichwald. So erzählten es die Alten den Jungen, so hat es mir auch noch mein Vater erzählt. Wobei dieses Wissen schon aus dem Sagenbuch von Bechstein gestammt haben kann, der im 19. Jahrhundert unsere Orte bereiste und bis dahin mündlich überlieferte Sagen und Märchen schriftlich verfasste.
Wo findet man nun die „Elbelkanzel“?
Geht man vom Mihlaer Tal durch das Hühnerloch im Richtung Kammerforst wird dieser Talweg zunehmend steiler. Linker Hand, nach gut 1000 Metern, erkennt man in der blätterlosen Jahreszeit tatsächlich am oberen Schluchtrand steinerne Felsen.
Ein schmaler Weg windet sich empor, leichter ist die dortige Elbelkanzel wohl von Wernershausen her zu erreichen. Euch Andeutungen einer einstigen Höhe lassen sich erkennen. Hier soll er also gehaust haben, der Waldgeist Elbel. Von der Klippe spähte er ins Land, um sich neue Opfer zu suchen. Die Mystik des Platzes überfällt einen, wenn man sich mit der Vergangenheit auskennt. So muss es auch unseren Vorvätern ergangen sein, wenn sie diese Stätte aufsuchten …