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Die Gera-Aue
Ausgabe 10/2025
Institutionen, Vereine und Verbände
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Informationen aus der Stadt Gebesee

Torwand, Dorfwand oder einfach Geschichte zum Anfassen

Bis ins frühe 19. Jahrhundert war die Ausdehnung der Stadt Gebesee durch ihre Stadtmauer begrenzt - im Volksmund liebevoll „Torwand“ oder schlicht „Dorfwand“ genannt. Wann genau dieses Bauwerk errichtet wurde, lässt sich nicht eindeutig belegen. Doch bereits 1587 taucht sie erstmals unter dem Namen „Wellerwand“ in den Quellen auf. Schon lange zuvor schützte sie den Flecken Gebesee, der das Marktrecht besaß.

Laut dem Kreisarchiv Sömmerda wurde Gebesee im Jahr 1334 zum Marktort erhoben.

Drei bedeutende Märkte prägten das städtische Leben bis ins späte Mittelalter:

Die Spende im zeitigen Frühjahr (am 5. Sonntag vor Ostern)

Die Kirmes im Juni/Juli

Der Herbstmarkt im September

Die Markttore mussten gesichert werden, und für die angebotenen Waren war ein Marktzins zu entrichten. Um das unkontrollierte Eindringen von Händlern zu verhindern, wurde bis ins 18. Jahrhundert eine Wellerwand mit drei Toren genutzt. Vor dieser Wand verlief ein wassergefüllter Triftgraben, der zusätzlichen Schutz bot.

Südlich der Stadtmauer erstreckte sich die sogenannte Trift - ein Weg, der dem Viehtrieb zu den südlich und östlich gelegenen Weideflächen diente. Die mittelalterlichen Wellerwände bestanden aus einem Gemisch aus gestampftem Lehm und Stroh. Besonders in Thüringen und Sachsen war diese Bauweise aufgrund der reichen Lehmvorkommen weit verbreitet. Solche Mauern konnten ohne zusätzliche Verstärkung bis zu 2 Meter hoch errichtet werden. Ihre Krone wurde meist mit Schindeln abgedeckt, um sie vor Auswaschungen durch Regen zu schützen.

Die Witterungsanfälligkeit dieser Bauweise führte vermutlich dazu, dass die Gebeseer Wellerwand um 1800 durch eine Bruchsteinmauer ersetzt wurde. In einem Dokument von 1830 wird sie erstmals schlicht als „Wand“ bezeichnet. Diese neue Mauer bestand überwiegend aus Kalktuff und Lettensteinen, die aus dem Raum Langesalz oder dem ehemaligen Steinbruch am Klausberg stammten.

Der Verlauf der Stadtmauer begann im Nordwesten am alten Flusslauf der Mahlgera, wo sich eine Pforte befand - heute trägt die Flur den Namen „Pfortwiesen“. Sie führte entlang der Nordhäuser Straße, bog beim Blumenhaus Braun fasst rechtwinklig ab und verlief nahezu geradlinig durch die heutigen Triftgärten hinter der Bahnstraße bis zum Grundstück der Familie Baumgart. Dort stand einst ein Schlagbaum - vielleicht existiert der alte Schlüssel noch? Die Alt-Gebeseer nennen diesen Straßenzug bis heute „Vor dem Schlag oder Schlaggasse“.

Im weiteren Verlauf schützten nordöstlich der Bornklingergraben und die Mahlgera die Stadtbewohner vor ungebetenen Gästen.

Bis ins 19. Jahrhundert hinein gab es Torschließer für die Tore. Wer mit seinem Fuhrwerk zu spät kam, musste draußen bleiben - bestenfalls konnte man sich noch durch kleine Lückengasse in die Stadt schleichen. Für Fuhrwerke war da kein Durchkommen. Überstunden auf dem Feld? Fehlanzeige - wer nicht rechtzeitig zurück war, übernachtete unter freiem Himmel.

Mit dem Bevölkerungswachstum zu Beginn des 19. Jahrhunderts wurde der Platz innerhalb der Stadtmauer knapp. Der Hausbau verlagerte sich zunehmend in südliche und westliche Richtung. Die deutschen Einigungskriege beendeten nach und nach die Kleinstaaterei, Zollschranken fielen, und die Menschen konnten sich sicherer fühlen. Die Orte der Gera-Aue fielen 1815 an Preußen - zuvor gehörten sie zu Sachsen. Durch die Stein- Hardenbergischen Reformen war Preußen in vielen Bereichen fortschrittlicher als andere deutsche Länder, dazu zählte, dass 1828 die preußische Verwaltung die Privilegien des Gebeseer Schlossherrn, Freiherrn von Oldershausen, stark eingeschränkte und die Selbstverwaltung des Rates förderte. Damit war der Weg frei für Gebesee, über die Grenzen der alten Stadtmauer hinauszuwachsen.

Ein Denkmal mit Seele

Unsere alte Stadtmauer ist heute als schützenswertes Geschichtsdenkmal im Thüringer Denkmalverzeichnis eingetragen. Ihre Reste sind ein Zeugnis der Arbeit und des Schutzes, dem sich die Gebeseer seit Jahrhunderten verschrieben haben. Sie verdient unsere Aufmerksamkeit, unseren Respekt - und dem Erhalt.

Gebeseer-Kulturgut e.V., Albrecht Fischer

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Lit. Quellen:

Gründler, Aus der Vergangenheit der Stadt

Joachim Kuhles, Gebesee

Kreisarchiv Sömmerda

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