Gesichert durch Netzte schwebt das erste, abgetrennte Brückensegment auf den Tieflader.
Im November 2012 war Ruhe an der Brücke. Gut zu erkennen sind die erneuerten Brückenköpfe.
Im Juli 2013 wird das erste überholte Segment wieder auf den Pfeilern montiert.
11. August 2013, Hurra es ist vollbracht!
Kinder wie die Zeit vergeht. Dieser bekannte Spruch scheint in unserer unruhigen Zeit immer aktueller zu werden. Immer begleiten uns im Jahreslauf auch Jubiläen und Ereignisse vergangener Zeiten. Für unsere Gegend und besonders für Angelroda ist der diesjährige August ein besonderer Anlass, sich eines bedeutenden Ereignisses zu erinnern. Am 11. August 2013 fand mit einem rauschenden Volksfest nach einem Jahr Bauzeit die erste Bahnfahrt von Plaue nach Ilmenau, und somit die Einweihung der umfassend sanierten Angelrodaer Brücke statt.
Aber der Reihe nach. Mit der Entscheidung des Gothaer Herzogs Ernst II, dass sein Kur- und Jagdort Elgersburg einen eigenen attraktiven Bahnhof erhält, wurde unsere Eisenbahn zu einer Gebirgsbahn.
Schnittpunkt musste die Überquerung des Zahmen Geratals bei Angelroda werden. Über die Verhandlungen, Widerstände und Pläne bis zur heutigen Laage des Bauwerkes sowie die gesamte Geschichte der Strecke erfahren Interessierte Leser alles in meinem reich bebilderten Buch „Die Strecke Erfurt-Arnstadt- Ilmenau“ vom Verlag Dirk Endisch. Im Winter 1878/79 begann die Gute Hoffnungshütte aus Oberhausen mit der Montage des filigranen Stahlgerüstes auf die gebauten Fundamente.
Schon bei der Brückenbelastungsprobe mit drei Lokomotiven im Mai 1879 war das ganze Dorf auf den Beinen, um dieses Schauspiel zu erleben.
Am 6. August 1879 erfolgte die Eröffnung der Gesamtstrecke bis Ilmenau. Im kommenden Jahr besteht unsere Heimatstrecke also 145 Jahre.
Die Eisenbahn erfüllte die erhofften wirtschaftlichen und sozialen Interessen. Mit der stürmischen Entwicklung der Technik kamen immer schwerere Loks und Wagen auf die Strecke. So wurden eine Verstärkung des Gleisoberbaues und Brückenkonstruktion erforderlich. 1905 begannen die Arbeiten zur Versteifung der Brückenpfeiler. Das Stahlfachwerk schalte man mit Brettern ein und verfüllte es mit Beton. So stehen sie heute noch. Einen Schienenersatzverkehr gab es damals nicht und so musste bei laufendem Verkehr gearbeitet werden. Klugerweise rückte man die Bogenbrücke nach außen und erreichte bei einem nun größeren Radius die Möglichkeit größerer Überfahrgeschwindigkeiten.
Nach Einbindung der „neuen“ Brücke steht nun bis heute das zweite Widerlager ohne Funktion da. Immer wieder kommt es dabei zur Annahme, ein zweites Gleis hätte es darauf gegeben, was nie der Fall war. Zwei Kriege und die darauffolgende Not überstanden unsere Brücke. Im April 1945 entging sie durch das schnelle Vorrücken der Amerikaner der Sprengung mittels Fliegerbomben. Zu DDR Zeiten pflegte man die Brücke durch Korrosionsschutz und dem Freischneiden von Bewuchs. Warum man sie heute zuwachsen lässt, ist mir unverständlich.
Schon in den 1990er Jahren war klar, dass an der Brücke umfangreiche Reparaturen erforderlich sind.
Um 2010 fiel die Entscheidung der Generalüberholung des Bauwerkes und der Ertüchtigung der Strecke auf 80 Km/h.
Im Frühjahr 2012 begannen die Arbeiten zur Baustelleneirichtung. Der Parkplatz an der „Filzlaus“ war als idealer Werkstattbereich festgelegt.
Als der riesige Autokran aus Bremerhaven anrückte, war die Spannung im Dorf schon groß.
Am 1. August 2012 schwebte das erste 80 t schwere Segment nach 107 Jahren hinab auf den Spezialtransporter, welcher es zur „Filzlaus“ fuhr. Schon dieser Tag wurde zu einem Volksfest mit der üblichen Politprominenz.
Im Oktober rollen wieder die Züge, so die Aussage der DB Verantwortlichen. Es kam anders. Mit dem Abriss einzelner Teile zeigten sich größere Schäden als erwartet.
20000 Löcher mussten gebohrt werden, um verschlissene Nieten gegen hochfeste Schrauben zu ersetzten. Zirka 600 Roststellen, auch durch Vogelkot hervorgerufen waren zu beseitigen und verrottete Knotenbleche ersetzte man durch stärkeres Material.
Nach Angaben wurden etwa 13 Mio. Euro verbaut, auch für die Sanierung der 19 km Gleis von Plaue nach Ilmenau. Seitdem fahren die Züge durchgehend 80 Km /h, vorher 50, eine echte Alternative zum Auto, um nach Erfurt zu kommen.
Am 17.07.2013 war es soweit, mit Freude einiger Fans und Bürgern wird das erste Segment 23m hoch über Angelroda auf seinem Platz montiert. Die restlichen Montagearbeiten verliefen nach Plan.
Der 11. August 2013 war, fast wie bestellt, ein strahlender Sommertag. Schon am Vormittag füllten sich die Parkplätze in und um das Dorf. Mit den Festansprachen und dem Lob an die Bauleiter und Bauarbeiter wurde auch die Geduld der Einwohner und Fahrgäste gewürdigt. Altbürgermeister Udo Lämmer rückte in seiner Laudatio wieder einmal Angelroda in den Mittelpunkt Europas. Dann kam sie, die Dampflok des Werkes Meiningen mit dem Sonderzug ganz langsam über die neue Brücke, mit ständigem Pfeifen, begleitet von Hurra und freudigen Klatschen der Menschenmenge. Nun überwältigten mich doch die Emotionen. Sie ist erhalten geblieben, „meine“ Angelrodaer Brücke, nicht durch einen sterilen Neubau ersetzt. Seit meinem ersten Besuch als Kind mit meinem Opa hat sie mich nicht wieder losgelassen.
Tags darauf fuhren wieder alle Züge planmäßig auf der ertüchtigten Strecke.
Menschen können Geheimnisse haben. Auch unsere Brücke hat eines. Bis vor 3 Jahren fuhren die Triebwagen STB mit 80 km/h auch über das Bauwerk. Seitdem bremst der Triebwagen mit zwei spürbaren Rucken auf 60 km/h ab, um danach wieder auf 80 Sachen zu beschleunigen.
Mein Bemühen bei Dienststellen, Eisenbahnern und Brückenfachleuten eine Antwort darauf zu bekommen, blieb bis heute ohne Erfolg.
Zehn Jahre, eine lange Zeit. Und so erinnern wir uns gern an dieses Volksfest der Inbetriebnahme der Brücke. Denn so viele Besucher aus nah und fern bei ausgelassener Stimmung und bester Laune wird Angelroda und unsere VG in absehbarer Zeit nicht wieder erleben.
Stefan Wespa
im Juli 2023