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Neue Werra-Zeitung
Ausgabe 13/2024
Nichtamtlicher Teil
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ESV Gerstungen

Turnhalle und Turnplatz in der Weinbergstr.

Brief an den Bürgermeister

Vereinsgründer

Frühe Turner um die Jahrundertwende

Flussbad am heutigen Werrastadion

Schwimmfest 1934

Mädchenturnen ca, Ende der 1920er Jahre

Erste Fußballmannschaft im TVG ca. 1935

150 Jahre Sportverein in Gerstungen!

Nachdem wir 2021 neuzig Jahre Werrastadion, coronabedingt, nicht feiern konnten, steht uns in diesem Jahr das nächste Jubiläum rund um den Sport ins Haus. Dieses Mal wollen wir das feiern und dieser Artikel soll der Auftakt sein. 150 Jahre Sportverein ist nicht ganz richtig, denn schon 1863 wurde der Schützenverein in Gerstungen gegründet und ist damit der älteste Sportverein Gerstungens, aber der TV Gerstungen, um den es nachfolgend geht, ist der erste Turnverein, den man als direkten Vorfahren unseres heutigen ESV Gerstungen sehen kann. Aber der Reihe nach....

Am 1. Juni 1874 ging beim damaligen Bürgermeister Gerstunges ein Brief ein, mit der Bitte, einen Sportverein gründen zu dürfen. In diesem wurde weiterhin darum gebeten, dass man sich einen Turnplatz auf dem Mühlrasen einrichten dürfe. Das Grundstück solle die Gemeinde bitte zur Verfügung stellen.

Das der Bitte stattgegeben wurde, ist unbestritten. Doch wann die Gründungsversammlung stattfand, ist uns bis jetzt noch nicht bekannt.

Wahrscheinlich fand diese aber im Gasthof Hering auf dem Markt statt, denn auch später wurde er als Vereinslokal genutzt.

Überliefert ist auch, dass man sich tatsächlich den ersten Turnplatz auf dem Mühlrasen einrichtete. Anfangs musste man sich diesen noch mit den Schützen teilen. Denn auch sie hatten ihren ersten Schützenplatz auf dem Mühlrasen, bevor man 1903 auf den neuen Schützenplatz am Erlenbach umzog.

Der Turnplatz soll nach dem Vorbild der Berliner Hasenheide, dem ersten Turnplatz Deutschlands, eingerichtet worden sein und die von der Familie Rösing heute noch genutzte „Scheune“ wurde damals als Unterstellmöglichkeit für die Turngeräte genutzt.

Bekannt sind auch noch alle 27 Grünungsväter des „Turnverein Gut Heil Gerstungen von 1874“, wie er nämlich offizell hieß.

Es waren: Louis Hottenroth, Karl Echardt, Armin Stein, Jakob Bauer, Heinrich Apel, Julius Steinmetz, Theodor Lützenroth, Christian Kurz, Karl Bühl, Hermann Bühl, Christian Sömmer, Andreas Wiedemann, August Stunz, August Müller, Martin Hoffmann, Carl Bühl, Heinrich Kieber, Carl Anding, Thieseon Ludwig, Johannes Deutscher, August Phieler, Friedrich Waldmann, George Kohlhaus und Friedrich Siegmund, die den Grundstein für nun 150 Jahre Sportverein in Gerstungen legten.

Lange blieben die Turner nicht auf dem Mühlrasen, denn schon 1896 wurde mit dem Bau der ersten Turnhalle in der Weinbergstraße begonnen, die man schon 1898 beziehen konnte. Vor dieser 8x16m großen Halle wurde ebenfalls ein Turnplatz eingerichtet. Für Großveranstaltungen, wie das alljährliche An- bzw. Abturnen, wo auch Turnvereine aus der Umgebung und sogar Eisenach zu Gast waren, reichte da der Platz nicht aus. Für diese Veranstaltungen, an denen bis zu 500 Leute teilnahmen und diese besuchten, stellte die Familie Kranz (heute Golle) ihre Wiese zur Verfügung.

Im TVG 1874 gab es später auch einen Badeverein. Er nutzte das ab 1908 eingerichtete Fluss- und Sonnenbad, was sich an der Werrabrücke, oberhalb des Wehres, befand. Als man nach dem ersten Weltkrieg mit der Bebauung des Gebietes oberhalb der Post begann und sämtliche Abwässer in die Werra geleitet wurden, wurde das Bad 1926/27 weiter flussaufwärts, an das heutige Werrastadion, verlegt. Dieses wurde bis in die 1950er Jahre noch genutzt, bevor die Kaliverschmutzung eine weitere Nutzung unmöglich machte und die Bauten langsam verfielen.

Außer dem Turnen und Schwimmen wurden noch Fechten, Faustball, Feldhandball und Jägerball betrieben. Als man 1931 das Werrastadion mit einem großen Fest, was über ein ganzes Wochenende ging, einweihte, gehörte Fußball im TVG 1874 noch nicht zu den ausgeübten Sportarten. Das heißt aber nicht, dass noch kein Fußball zu der Zeit in Gerstungen gespielt wurde. Höchstwahrscheinlich wurde 1922 die erste Fußballmannschaft in Gerstungen gründet, zu der wir in einem anderen Artikel vielleicht noch ausführlicher berichten. Im TVG kam diese Sparte erst ab 1935 dazu.

Kegeln war in Gerstungen auch sehr beliebt, ob von Anfang an im TVG schon gekegel wurde ist nicht bekannt, doch Anfang der 30er Jahre baute der TVG eine eigene Kegelbahn in der Gartenstraße. Bis zum 2. Weltkrieg war der TVG ein guter und reger Sportverein der sich in der Region auch einen guten Namen machte. Ab 1941 kam dann aber der Traings- und Spielbetrieb fast völlig zum Erliegen, nur noch vereinzelte Freundschaftsspiele im Feldhandball und Fußball sind für diese Zeit bis 1943 noch überliefert, dann war ganz Schluss.

Nach dem Ende des Krieges wurde der Turnverein Gut Heil Gerstungen von 1874, mit dem Erlass des Kontrollgesetzes Nr.2 vom 10.10.1945 aufgelöst und verboten und nach 71 Jahren exsistierte der erste Sportverein Gerstungens nicht mehr. Auch die Turnhalle in der Weinbergstraße, die im und nach dem Krieg teilweise als Viehstall genutzt wurde und in den 50er Jahren auch noch zu einem spannenden Rechtsfall wurde, verfiel zunehmend, bis sie irgendwann komplett abgebrochen wurde und somit auch das steinerne Zeugniss der Anfangsjahre des Gerstunger Sports verschwand.

Thomas Bauer, ESV Gerstungen e.V.