Ob es sich hier um Kunst handelt, muss jeder für sich entscheiden, denn über Geschmack lässt sich nun mal streiten.
Nachdem die Bushaltestellen nun aber bereits seit einigen Wochen unseren schönen Ort Kammerforst verzieren, ist das Feedback positiv, aber was war eigentlich passiert?
Im Gemeinderat wurden mal wieder die vielen anstehenden Aufgaben besprochen und natürlich die fehlenden Mittel, um aller Herausforderungen Herr zu werden. Neben Friedhof, Spielplatz, Straßenbau, Turnhalle, Sportplatz, Obergut, Untergut usw. fiel auch ein Blick auf die Bushaltestellen. Kennt jemand einen Ort, indem diese DDR-Klötze noch stehen? Sie sind schlicht nicht zeitgemäß. Modernere Haltestellen sind jedoch sehr teuer. Andere Orte leisten sich nur die Abrisskosten und lassen die Fahrgäste dann buchstäblich im Regen stehen. Es muss was passieren, das war schnell klar. Dass sich andere betroffene Parteien an den Kosten beteiligen, war die Hoffnung: Fehlanzeige. So kam die Idee der Umgestaltung statt Neubau auf: modern, zeitgemäß, innovativ?
Also direkt an die Jugend: Die angefragten Schülerinnen und Schüler des Gymnasiums Großengottern konnten sich schnell für die Idee begeistern. Diese hatten übrigens auch schon zum lebendigen Adventskalender in Kammerforst die Wichtelbriefe für die „Kleinen“ aus Kammerforst - ganz ehrenamtlich - beigesteuert. Auch das Kunstprojekt 2.13 aus Erfurt war sofort begeistert und voller Ideen. Wer bezahlt aber das Ganze? Fest stand schnell, aus der vermeintlich zuständigen öffentlichen Hand - niemand. Die so oft angepriesenen Töpfe, die angeblich nicht abgerufen würden, lehnten allesamt aus teils fadenscheinigen Gründen ab. Manchmal gar ohne die Notwendigkeit einer Begründung.
Also ging die Geldsuche los. Es fanden sich die Sparkasse, der Nationalpark Hainich, der Förderverein des Gymnasiums und auch das Kunstprojekt 2.13 selbst gab einige Rabatte, erledigte einige Arbeitsschritte ehrenamtlich. Den Großteil der Kosten fing zudem die private Albrecht-Kiesow-Stiftung ab. Hier wurde ziemlich schnell der Mehrwert für die aktiven Schülerinnen und Schüler erkannt. Denn bei den Vorarbeiten und bei der Durchführung wurden nicht nur curriculare Themen erarbeitet, vertieft, reflektiert und evaluiert; nein, auch die aktive Gestaltung des sozialen Umfelds wurde übernommen. Verantwortung für den öffentlichen Raum! Ein kaum zu überschätzender Gewinn, wird doch der Jugend immer Teilnahmslosigkeit oder gar Zerstörung vorgeworfen.
Die schulische künstlerische Begleitung des Projekts übernahm neben dem Kunstprojekt 2.13 eine in Kammerforst nicht unbekannte Künstlerin/Kunstlehrerin: Margitta Weber aus Hollenbach, die bereits ein Auftragswerk des Kirchrats für die Kirche gezeichnet hatte. Die Leinwand ist in der Kirche einsehbar.
Nun wurde also geplant, Modelle und Motive wurden vorbereitet und dann unter Aufsicht durchgeführt. Das Wetter war bestens und einigen Anwohnern gefiel das Treiben so sehr, dass Eis für alle spendiert wurde.
Um das Kunstwerk aber tatsächlich fertigzustellen mussten auch handwerkliche Kniffe vor- und nachbereitet werden. Zimmermeister Werner Giesel kümmerte sich um ein neues Dach samt Dachlatten und Dachkasten. Außerdem entsorgte er Asbestreste und sorgte dafür, dass der Putz fürs Projekt fertig vorbereitet war.
Der Heimatverein, vor allem in Person von Karsten Dietrich, sorgte für einen sauberen, neuen Anstrich der Dachkonstruktion und dafür, dass die Bänke um die Haltestellen herum wieder nutzbar wurden. Im Herbst wird sich der Heimatverein auch darum kümmern, dass die Bepflanzung um die Haltestellen den Malereien der Schulklassen angepasst wird.
Die Gemeinde Kammerforst hat kurzfristig entstandene Unkosten zur Fertigstellung der Haltestellen getragen und die notwendige vorhandene Infrastruktur vor Baubeginn deinstalliert und anschließend wieder angebracht.
Nach vielen Jahrzehnten, in denen die Haltestellen veraltet und Marode wirkten, konnte nun eine Art „Hingucker“ bei der Ortsdurchfahrt gewonnen werden. Aus fachlicher, künstlerischer, pädagogischer, vor allem aber aus gesellschaftlicher Sicht wurde hier etwas Wertvolles geschaffen. Für Anwohner, Touristen, Passanten, vor allem aber für die Jugendlichen, die ihr Werk regelmäßig sehen können und als Vorbild für andere Kinder fungieren. Das Projekt war nur realisierbar, da sich sehr viele Kooperationspartner aktiv verzahnt haben und eigentlich „Unbeteiligte“ sich verantwortlich gefühlt haben.
Und wer weiß, vielleicht gibt es ja bald sogar wieder Licht an den Haltestellen für die dunkle Jahreszeit?
Georg Mey
(Im Namen der Gemeinde und der Schule)