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Amtsblatt der Gemeinde Unstrut-Hainich
Ausgabe 2/2025
Nichtamtlicher Teil
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Nichtamtlicher Teil

Als interessierter Bürger und Beobachter aus der Landeshauptstadt verfolge ich das Geschehen im heimatlichen Hainichwald, inklusive des Nationalparks Hainich, insbesondere das Wirken der Bürgerinitiative (BI) „Triftchaussee“.

Die „Thüringische Landeszeitung“ Bereich Erfurt -vom Freitag, 17.01.2025- veröffentlichte unter dem Titel

„Der wilde Mann und seine Moose“,

„Das neue Mitmach-Programm im Hainich steht.“,

einen Teil des Jahresprogramms des Nationalparks Hainich.

Als großer Freund des heimischen Hainich-Holzes las ich mit Interesse die dort vorgestellten Termine und Programmpunkte.

Leider waren da schon die beiden ersten interessanten Programmpunkte vom Samstag, dem 11.01.25, für die auch noch Anmeldemöglichkeiten mit Rufnummer und Mail-Adresse angegeben waren, fast eine Woche verstrichen.

Weitere interessante Termine für das erste Halbjahr und darüber hinaus, kann der Interessierte, der den Artikel nicht lesen konnte, der beiliegenden Collage entnehmen.

Auf eine wichtige Wanderung kann der Zeitungsartikel des Nationalparkprogramms nicht hinweisen, auf die schon zur Tradition gewordene Walpurgiswanderung am 1. Mai 2025, auf einem Stück des Jacobsweges durch den Hainich.

Diese gewachsene Initiative aus dem Wirken der Mitglieder der BI „Triftchaussee“, die auch an die Waldfeste im Hainichwald erinnert, oder an die Fahrten und Wanderungen zum Gänsekropf, zur Thiemsburg oder zum Ihlefeld und anderen längst verschwundenen Ausflugzielen unserer Jugendzeit, wie auch unserer Vorfahren im Hainich-Holz, selbst noch zu DDR-Zeiten - aber mit dem Einzug der Volksarmee der DDR auf dem Panzerschießplatz Weberstedt, ein sofortiges Ende bedeutete und erst mit der Wende und Friedlichen Revolution zu Beginn der vergangenen 90er Jahre wieder belebt wurde.

Diese aus der Initiative entstandene Walpurgiswanderung knüpft an alte Traditionen der Anrainer-Dörfer des Hainich-Holzes an, die weit über die Zeit des Nationalparks zurückreichen, bis zur Christianisierung in die Zeit des Heidenbekehrers Winfried Bonifacius, also bis ins 7. und 8. Jahrhundert.

Zur Organisation der bisherigen Walpurgiswanderungen ist zu vermerken, die Bürgerinitiative hat zu jeder dieser Wandetage auch für das leibliche Wohl gesorgt und am Zielort, dem Ihlefeld, bzw. was vom Ihlefeld übriggeblieben ist, für alle „Pilger“ Speisen und Getränke bereitgestellt.

Walpurga, die Namensgeberin dieser Wanderung, war eine nahe Verwandte von Winfried Bonifacius und hat in jener Zeit ihre Spuren im Hainich und der umliegenden Orte und Städte hinterlassen (748), u. a. auch durch Kirchen die ihren Namen und anderer ihr nahestehender Heiligen tragen (Bonifacius, Walpurga, Wigbert,...).

Darüber wurde von dieser Stelle schon mehrfach berichtet und muß nicht nochmal wiederholt werden, nur so viel, der 1. Mai ist der Walpurgistag, der Tag ihrer Heiligsprechung, und der Walpurgistag hat auch seine Bedeutung in der Mülverstedter Holzordnung von 1466, als letzten Holztag, das sind wichtige Gründe für die Festlegung der Wanderung an diesem besonderen Tag.

Auch über den Jacobus-Altar der Kirche St. Walpurgis zu Großengottern, sowie die Traditionen der mittelalterlichen Jakobsbrüder die von hier, egal welchen Weg sie schon hinter sich hatten, durch den Hainich über die damaligen Triftwege, vorbei an der Klause Ihlefeld über Eisenach gen Spanien nach Santiago de Compostela pilgerten, soll hier nur erinnert werden (diese Brüder pilgerten tatsächlich von ihrem Ursprungsort durch ganz Europa zu ihrem Ziel Compostela - heute macht man lediglich die letzten km vor dem Ziel zu Fuß auf dem Jacobsweg, und schreibt dann Bücher über die eigene „Selbstfindung“).

Unser Hainichwald und die Dörfer am Hainich sind im Laufe der Geschichte durch Ereignisse und Personen mit den Traditionen und der Historie tief im Bewusstsein der bodenständigen Leute unserer Landschaft fest verwurzelt.

Einige Ereignisse und Personen sollen dazu einfach nur genannt sein.

Kaiser Heinrich II. und Gattin Kunigunde weilten im Jahr 1017 in unserer Gegend und siegelten eine Urkunde in Gottern über Länderei in Heroldishausen, diese Ländereien kamen dem Kloster in Kaufungen zu gute. Noch heute bestehen Bindungen zwischen Heroldishausen und dem Stift Kaufungen in Hessen, die ein Jahrtausend überdauert haben.

Die Schlacht bei Flarchheim zwischen Heinrich dem IV. und Rudolf von Schwaben im 11. Jahrhundert (1080), hier schlugen sich die Heere zweier Kaiser gegenseitig die Köpfe ein.

Unser heimatlicher Hainichwald mit dem Nationalpark in seinem Kern, liegt mittig im Süden des ehemaligen Kirchenkreis Oberdorla/ Seebach (1836-1935) mit letztem Sitz der Superintendentur in Großengottern, über dessen Geschichte der letzte Superintendent Otto Matthies 1935 in einem Bericht informiert, viele dieser historischen Ereignisse beleuchtet und ins Bewusstsein der damaligen Angehörigen der einzelnen Kirchgemeinden bringt, von Großburschla an der Werra im Westen, über den Hainich, bis Altengottern an der Unstrut im Osten1 (siehe beiliegende Karte). Ein Kirchenkreis mit einer einzigen Stadt, Treffurt an der Werra, die aber nicht als Amtssitz der Superintendentur genutzt wurde.

Wie waren da die Verkehrsverbindungen, von der Werra bis zur Unstrut durch den Hainich?

Der Superintendent musste ja seine „Schäfchen“ in allen seinen Gemeinden besuchen, da gab es zu Anfang (1836) lediglich den Kutschwagen oder das Pferd.

Eine besondere Erleichterung war dann schon der Wege- und Straßenbau, der u.a. auch die alten Triftwege zu geraden und festen Straßen umgestaltete, wie die Triftchaussee2 im Mülverstedter-Holz.

Dieser „Hainich-Kirchenkreis“ wurde im Norden von der politischen Kreisstadt der ehemaligen Freien und Reichsstadt Mühlhausen und im Süden von der ehemaligen Amts- und Kreisstadt Langensalza flankiert, zu deren politischen Kreis die politischen Gemeinden des Kirchenkreises jeweils etwa zur Hälfte gehörten.

Beide historischen Städte deren heutige Bausubstanz mit ihrer hervorstechenden Architektur und teilweise erhaltener Stadtmauer und Toren vielseitig Geschichte pur atmen. Es soll erspart bleiben weiteres dazu auszuführen.

Um diese Gedanken-Splitter nicht ausufern zu lassen, sollen nur noch drei Personen in ihrem Umfeld genannt werden.

In Langensalza wirkte und lebte Hermann Gutbier (*1842, +1936), dessen Familie tief in der alten sächsischen Amtsstadt verwurzelt war, ein Gymnasiallehrer, Archivar und verdienter Heimatforscher. Seiner Feder entsprangen neben vielem anderen eine Beschreibung von Wanderwegen durch den Hainich und auch die Erforschung des Adels des kleinen Dörfchens Flarchheim.

Aus Flarchheim stammt ein Zeitgenosse Gutbiers, Friedrich Polack (*1835, + 1915) Lehrer (in Schierschwende, Kammerforst, Erfurt), Schuldirektor in Nordhausen, Schulrat auf dem Eichsfeld und Schriftsteller, seit seiner Pensionierung in Treffurt. Einen Großteil seiner Lebenszeit verbrachte er somit im „Hainich-Kirchenkreis“3.

Aus dem Adelsgeschlecht der Familie von Berlepsch auf Seebach stammt der „Vogeldoktor“ Hans Freiherr v. Berlepsch (*1857, +1933), Begründer der zweiten Vogelschutzwarte in Deutschland (1908)4, der zur gleichen Familie gehört wie sein Namensvetter der Wartburg-Hauptmann und Beschützer des Reformators Martin Luther, Hans von Berlepsch (*1480,

+1533).

Mehr soll nicht gesagt werden, es sind einige Gedanken-Splitter und Informationen zu den Traditionen und geschichtlichen Ereignissen die mittelbar, unmittelbar und direkt mit unserem geliebten Hainich-Holz zu tun haben, die weit über die Geschichte und Entwicklung eines Viertel-Jahrhunderts des Nationalparks hinausreichen.

Aber all diese geschichtlichen Ereignisse sind es wert, wenn der Geist des Nationalparks tief in die bodenständige Bevölkerung der Hainich-Anrainerorte eindringen soll, dass auch das Geschichtsverständnis von mehr als 15 Jahrhunderten in den erweiterten Nationalparkplan Einzug hält. Damit verbunden ist auch der Erhalt der historischen Triftchaussee.

PJK, Erfurt/ Großengottern im Januar 2025

Gotterscher Gemeindehistoriker

Jeder Leser dieser Darlegung ist berechtigt diesen Text in seiner Gesamtheit weiterzugeben bzw. zu veröffentlichen.

1

Publikationen des Pfarrers und Superintendenten Otto Matthies 1868-1950. Klippstein, Peter-Jürgen, Großengottern, Beiträge zur Chronik Bd. VIII, Erfurt 2021, S. 5-7.

2

Der Geldgeber für diesen Straßenbau war im weitesten Sinne der Ort Mülverstedt, federführend die „Von Hopffgartensche milde Stiftung zu Mülverstedt“ mit dem Spittel zu Großengottern (dessen Waldbesitz hauptsächlich auf dem Ihlefeld lag, das Siechenholz, dass zu DDR-Zeiten ein Opfer des Panzerschießplatzes wurde, durch “kalte Enteignung“, also für -nen Appel und en Ei-).

3

Kley, Gerd: Friedrich Polack (1835-1915). Der Pestalozzi des Eichsfeldes, Verlag Rockstuhl, Bad Langensalza 2021; auch hat selbiger Autor interessante Leute seines Heimatortes Kammerforst, einem wichtigen Anrainerort des Hainich, biographisch bearbeitet, deren Biographien erst als Serie im „Heimatblatt“ und 2024 als Buch erschienen ist.

4

Die erste deutsche Vogelschutzwarte wurde durch den aus Gangloffsömmern/ Thüringen stammenden Prof. Dr. Johannes Thienemann (*1863, +1938) in Rossitten/Ostpreußen (Kurische Nehrung), gegründet, die zugleich auch die erste Vogelschutzwarte der Welt (1901) war.