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Amtsblatt der Gemeinde Unstrut-Hainich
Ausgabe 25/2023
Nichtamtlicher Teil
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Klippmühle Großengottern

2023 Klippmühle Erneuerung Brücke/Steg

1910 Hof Werkstatt Hoher Graben 11 2. v. links: Hermann Keiderling, 3. Lehrling, 4. Ehefrau Emilie Keiderling, geb. Koch, 5. Tochter Elka Keiderling (Sänger)

2023 Antriebsrad der ehemaligen Turbine in der Werkstatt Hoher Graben 11

1930 Hoher Graben 11 Autokarosseriefabrik v. l.: 1. Oskar Born, Schönstedt, 4. Lehrling, 5. Otto Keiderling m. Mütze, 5. Manfred Sänger, 6. Hermann Keiderling

1935 Die Werkstatt pachtete daraufhin für kurze Zeit Schlossermeister Paul Lütze mit seinem Sohn Gerhard Lütze.

Hoher Graben 11

Seit ca. dreißig Jahren befindet sich diese Postkarte in meinem Besitz:

Sie wurde im Dezember 1904 von Großengottern an Musketier Schmidt nach Rendsburg adressiert. Zuordnen konnte ich die Ansicht auf der Karte seinerzeit nur, weil ich die rechts liegende St. Walpurgis Kirche und die Gebäude des gegenüberliegenden Wahlguts (Familien Dennstedt/Stedefeld) im Oberdorf erkannte.

Meine damaligen Nachforschungen ergaben, dass rechts auf Karte der mit Hecken umsäumte Bach von Heroldishausen Richtung Großengottern fließt. Auf der linken Seite ist der Mühlgraben zu sehen, der die ehemalige Klippmühle am Hohen Graben 11 betrieben hatte. Leider konnte ich schon damals nur wenige Einzelheiten von der Klippmühle in Erfahrung bringen. Der Name Klippmühle war mir zwar geläufig, doch als Kind vom Unterdorf kannte ich mich am Hohen Graben nicht aus.

Heimatforscher Peter J. Klippstein schreibt in seinem Heft Beiträge zur Chronik 1994, dass die Klippmühle wohl die älteste Mühle des Ortes war. Ihr Standort am westlichen Dorfrand ergab sich zwangsläufig, wie bei den meisten Wassermühlen, aus der geographischen Lage. Dort, wo der Suthbach in den Ort einfließt, wurde sie durch das Wasser des Baches betrieben.

Der Name Klippmühle ist aus dem Mittelhochdeutschen abgeleitet und bedeutet so viel wie Mühle am Abhang. Ungefähr da, wo heute der Staudamm aufgeschüttet ist, war vor dessen Errichtung bei der Brücke, die dort über den Bach führte, ein uraltes steinernes Wehr. Von dort konnte ein Teil des Wassers über einen in der Vorzeit angelegten Graben zur Mühle geleitet werden (entlang des heutigen Weges von der ehemaligen Ziegelei Wenk zur Ziegelstraße).

Die Klippmühle gehörte zum Grundstück, auf dem Lothar Sänger wohnte (jetzt seine Töchter Andrea Bartsch und Andrea Sänger, ehem. Möbelkonsum). Die Familie Keiderling (Großeltern von Lothar Sänger) waren wohl der letzte Betreiber der Mühle im vorigen Jahrhundert. Das Wasser wurde in einem großen gemauerten Becken im Garten Ziegelstraße dessen Reste noch erkennbar sind, vor der Mühle nochmals gestaut. Mit gezielter Wasserabgabe wurde das Mühlrad betrieben. Der Zeitraum, in der diese Anlage erbaut wurde, wird wohl unbekannt bleiben. Im ältesten Kirchbuch von St. Walpurgis wurde die Klippmühle durch den Besitzer urkundlich erwähnt. Da es in Großengottern nachweislich keine andere Mühle in der Zeit des Mittelalters gegeben hat, ist mit Sicherheit anzunehmen, dass es sich um die später als Klippmühle bezeichnete handelt.

Als im Jahre 1249 die Mühle wüst lag, so kann mit Sicherheit angenommen werden, dass sie zum damaligen Zeitpunkt schon sehr lange bestand und vielleicht durch kriegerische Auseinandersetzungen stark beschädigt wurde. Der Bau dieser Anlage ist eine Meisterleistung und dürfte technisch konstruktiv durch Mönche erarbeitet worden sein, zumindest die Pläne für deren Bauausführung. Zur Anlage der Klippmühle gehörten das steinerne Wehr weit außerhalb der damaligen Ortsumfriedung, der von dort ausgehende künstlich angelegte Mühlgraben von mehr als 1.000 m Länge, das am Uferhang gegenüber der Mühle angelegte Stauwerk und dann die eigentliche Mühle selbst.

Richard Rümpler, Goethestraße hat in den 50iger Jahren in seinen Aufzeichnungen folgendes vermerkt, dass diese Mühle, die Klippmühle mit zwei Mahlgängen und einem Schrotgang, wahrscheinlich vor einigen Jahrhunderten gebaut wurde. Spätere Besitzer hatten ihre Wirtschaftsgebäude rechts vom Bache, auch die Küche (jetzt Karla Sänger), während die Wassermühle links am Bache lag (jetzt Andrea Bartsch) durch eine kleine Brücke miteinander verbunden.

Der Klippmüller Friedrich August Damm baute ca. 1892 ein noch heute stehendes Maschinenhaus im Garten (späteres Hühnerhaus von Lothar Sänger, wurde abgerissen) um in wasserarmen Zeiten mit Dampfkraft arbeiten zu können (jetzt Karla Sänger)

Sein Nachfolger Drechslermeister Eduard Stein baute die im oberen Stock der Mühle liegenden sogenannten Mahlburschen Kammern um und richtete seine vier Drehbänke mit Wasser und Dampfkraft, ebenso eine Bandsäge dort ein (jetzt Fam. Bartsch).

Der folgende Besitzer Hermann Keiderling baute 1905 die Mühle um und errichtete im Wirtschaftsgebäude, früher Kuh- und Schafstall, eine Werkstatt und einen Schrotgang mit Kraftantrieb.

Im Garten (zur Ziegelstraße) baute er zum Becken einen Wasserspeicher mit Turbine. Das gemauerte Becken ist noch heute vorhanden (jetzt Garten Familie Wolf). Auch der Mühlgraben ist bereits lange verfallen.

Der Sohn Otto Keiderling errichtete eine Autokarosseriefabrik im rechten Teil des weiträumigen Hofes Hoher Graben 11 ein, ging aber aus familiären Gründen nach dem Westen.

Hermann Keiderling löste später die Fabrik auf und betrieb sein Stellmacher Handwerk und einen Schrotgang weiter.

Nach seinem Tode 1945 gab seine Tochter Elka Sänger, geb. Keiderling, beides auf, so dass von der alten Klippmühle nur noch der Name vorhanden ist.

In der Zeit von 1949 bis 1956 pachtete Stellmacher Meister Erich Würfel die Werkstatt. Bei ihm erlernte Lothar Sänger den Beruf eines Stellmachers.

In alten Gemeindeunterlagen von 1930 fand ich einen Vermerk über einen Kostenvoranschlag zur Reparatur der Ufermauer (gemauertes Becken). Die Gemeinde Großengottern war der Eigentümer, Familie Sänger zahlte Pachtgeld (Wasser).

Hannelore Hoffmann (Freier) wurde 1940 in der Klippmühle geboren. Die Familie Hoffmann bewohnte die oberen Räume der ehemaligen Mahlburschen Kammern mit Blick auf den Bach und den großen Garten. In Erinnerung ist ihr geblieben, die lange Kammer im Obergeschoss. Hier wurde die Frucht gelagert, und es gab immer Mäuse. Weiteres berichteten mir die damaligen Kinder Bernhard Döbel, Erhard Klippstein, Manfred Hirt, E.D. Krumbein, denn sie wohnten in der Ziegelstraße, Goldner Ring und Wahlstraße. Sie kannten das alte Wehr, den Mühlgraben, die Brücke am Grundstück Gebhardt mit dem Eisengeländer sowie das gemauerte Becken. Gern erinnerten sie sich an ihre Jugendzeit und an die Maschinen in Lothars Werkstatt. Später bis in die 60iger Jahren spielten die Kinder vom Oberdorf im verlassenen Becken im Garten der Klippmühle.

Leider gibt es kein Foto von der Brücke, die über den Bach zum Hauseingang Hoher Graben 11 (Brücke wurde entfernt) führte, während der Hofeingang im Goldner Ring unter der Anschrift Hoher Graben 11 zu betreten ist.

Mit Bildung der LPG (Landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaft) in den 60iger Jahren trat Landwirt Lothar Sänger der LPG „Einigkeit“ Typ I bei. Bis Ende der 80iger Jahre brachten die Gotterschen ihre Säcke mit Frucht wie Hafer, Weizen, Gerste in die ehemalige Klippmühle zum Schroten. Das Getreide wurde einmal gemahlen und wurde zum Füttern der Schweine und Hühner gebraucht. In der alten Werkstatt bediente Lothar Sänger die Schrotmühle. Pro Sack nahm er 0,50 M. Die Schrotmühle wurde später von Ingetraud Sänger, geb. Schneegaß, dem Museum im Rittergut zur Verfügung gestellt.

Ich hoffe, dass ich anhand der alten Postkarte den Weg des Mühlgrabens zur Klippmühle anschaulich beschreiben konnte. Für mich war das Thema Klippmühle eine interessante zeitaufwendige Reise in die Vergangenheit unseres Dorfes, von der sicher nur noch wenige Leute etwas wissen.

Für ihre Unterstützung bzw. Durchsicht meiner Beiträge danke ich Manfred Dennstedt, Thomas Karnofka und Oliver Baumgardt.

Foto/Text: Ingrid Baumgardt, Ortschronistin