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Amtsblatt der Gemeinde Unstrut-Hainich
Ausgabe 6/2024
Nichtamtlicher Teil
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Amtliche Bekanntmachungen

14.03.1947: Brücke Kreuzstraße

März 1947: Kreuzstraße Nr. 14 und Nr. 13

14. März 1947: Kreuzstraße

14. März 1947: Obere Kirchstraße um 7:00 Uhr

März 1947: Wahlstraße Gärtnerei Krumbein (Reiterhof Anhalt) steht unter Wasser

März 1947: Brückenstraße Schleusenbrücke mit Blick zur Goethestraße

März 1947: Schulhof der Grundschule steht unter Wasser

Teil I

Der Suthbach fließt harmlos durch unseren Ort. Doch das war nicht immer so. In früheren Zeiten verbreitete er oft Angst und Schrecken. Bei Unwettern oder starker Schneeschmelze führte der Bach oftmals Hochwasser, wie z.B. in den folgenden Jahren:

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Februar

1940

Überflutung innerhalb von 30 Minuten

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Mai

1946

starkes Gewitter

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März

1947

Dauerfrost und Schneeschmelze

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Juli

1956

Wolkenbruch in Flarchheim

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Juni

1961

Durch wolkenbruchartigen Regen und Niedergang einer Wasserhose bei Mülverstedt wurden große Teile der Flur und die Langensalzaer Straße überschwemmt und die Keller unter Wasser gesetzt. Unter dem Sportplatz (Langensalzaer Straße Edeka) stand das Wasser beinahe meterhoch. Der Autoverkehr musste gesperrt werden. Der Spittel stand vollständig unter Wasser.

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Juli

1965

Regenhose bei Kammerforst

Bei den oft auftretenden Hochwassern standen in unserem Ort in den tiefer gelegenen Straßen, Keller, Ställe, Gehöfte und Scheunen unter Wasser und richteten in der Flur große Schäden an.

So erfolgte zum Beispiel am Freitag, dem 14. März 1947, ein Wetterumschwung. Es setzte nach tagelangen Schneefällen Tauwetter ein, und hinzu kamen starke Regenfälle. Der tiefgefrorene Boden war nicht in der Lage, das Wasser aufzunehmen. Der Trichter, der sich in der gotterschen Flur 14 im Suthbach zwischen Großengottern und Heroldishausen befand, diente zwar dem Hochwasserschutz. Er konnte aber die Wassermassen nicht fassen und „lief über“. Das plötzliche einsetzende Hochwasser überflutete den Suthbach. Besonders für die am Bach wohnenden Einwohner war Eile geboten. Der Goldene Ring, Wahl-, Brücken- Goethe- und Schulstraße sowie Schulhof, Entenlaich, Untere Kirch- und Angerstraße, Rosen- und Bachgasse waren stark betroffen.

Die Toreinfahrten in den Gehöften waren wegen des ständigen Wasserdrucks weit geöffnet worden.

Meine Erinnerungen als achtjähriges Mädchen:

Wir wohnten nun wie alle betroffenen Hausbewohner der Kreuzstraße im Obergeschoss mit Blick auf die kaum zu erkennbare Brücke. Trotz des Verbots, aus dem zu Fenster zu schauen, sah ich die grauen Wasserfluten, die sich durch unsere Straßen wälzten.

Bei dem hohen Wasserstand war ein russisches Militärfahrzeug mit dem rechten Vorderrad in das Senkloch der Kreuzstraße 27 (Fam. Herbert Möncher) eingebrochen und steckengeblieben. Die Fracht musste daher auf ein zweites, kleineres Auto umgeladen werden. Diese bestand aus Salzheringe, die in Kisten verpackt waren. Den Bewohnern, die aus den oberen Fenstern alles verfolgten, wurden die Salzheringe zum Kauf angeboten. Die Fische waren begehrt, denn auch Salzheringe sind in der Zeit nach dem 2. Weltkrieg eine Mangelware gewesen. In der Kreuzstraße gab es in den folgenden Wochen zum Mittagessen oft Fischgerichte. Im Kränzchen meiner Großmutter wurde immer wieder vom „steckengeblieben Russenauto“ erzählt.

Gegenüber von unserem Haus wohnte Uhrmachermeister Hans Schneider mit seiner Familie (Kreuzstraße 30, Fam. Rolf Schneider). Nachbar Schneider nahm vom Obergeschoss die seltenen Aufnahmen vom Hochwasser 1947 auf. Es herrschte überall Hektik und Aufregung, wenn das Hochwasser, bedingt durch die Schneeschmelze, vom Hainich kommend einsetzte. Große Eile war geboten, denn das Wasser drang schnell in Keller, Ställe, Scheunen und Wohngebäude ein.

Mein Großvater Willy Häußner (Kreuzstraße 14), trieb dann mit dem 16 jährigen Heinz Langer die Schweine und die Kuh in das höhergelegene Haus von Hugo Rheinß (Kreuzstraße 36, Fam. Holzapfel). Die Hühner und die Ziegen wurden auf den Futterboden gebracht. In der Küche erreichte das Wasser auch die unteren leergeräumten Regale der Küchenschränke. Auf den Küchentisch wurden die Stühle gestellt. Alles andere wurde nach oben ins Haus gebracht, auch die schwere Nähmaschine. Da die Holzwaschmaschine mit Handbetrieb nicht transportierbar war, blieb diese auf dem Hof stehen, wie Handwagen, Schubkarren und Leiterwagen. Die Kellerlöcher an den Häuserfassaden wurden zum Hochwasserschutz mit Mist zugepackt. Trotzdem schwammen im vollgelaufenen Hauskeller Runkeln und Kartoffeln.

Heinz Langer (93 Jahre, Obere Kirchstraße 10), der in dieser Zeit bei uns wohnte und arbeitete, erzählte mir schon vor vielen Jahren von diesem Hochwasser. Heinz konnte damals den Ziegenbock retten, indem er diesen auf seinen Armen durch das Wasser zum Hause Hugo Rheinß getragen hat. Auf dem Rückweg hatte ihm das reißende Wasser den Weg über die Brücke abgeschnitten. Mit großer Kraftanstrengung schaffte er es zurück. An unserem Haus hatte die Gewalt des Wassers drei Stufen weggerissen. An der dargereichten Hand von Opa Willy konnte der total durchnässte junge Mann in das Haus gelangen. Auch die Holzwalzen, die vor den Bauerngehöften lagen, schwammen davon. Unsere Walze wurde in der Angerstraße gefunden, als das Wasser abgezogen war.

Im Backhaus Schein (Obere Kirchstraße, Fam. Bartholomäus) stand das Wasser vor dem Backofen.

Vor ca. dreißig Jahren erzählten mir auch einige Bewohnern Goldener Ring vom Hochwasser 1947. Die Berichte hatte ich aufgeschrieben.

Mit langen Stangen versuchten die Anwohner vergeblich die im Wasser treibenden leeren Fässer (Halbstücke) der Einlegerei Krumbein von ihren Häusern fernzuhalten. Doch diese schwabten (schwabbelten) regelmäßig mit einem dumpfen Ton gegen die Häuserfassaden. Das Vieh wie Pferde, Kühe und Schafe wurden zur Sicherheit in die höhergelegenen Gehöfte der Ziegelstraße, Hoher Graben und Mühlhäuser Straße getrieben. Die Ferkel wurden vorsichtig im Kartoffelkorb auf den Futterboden transportiert. Unter großer Kraftanstrengung gelang es, die Sau die Stufen zum Futterboden hochzubringen. Im Goldner Ring stand das Wasser in den Häusern bis 1,40 m und in der Goethestraße bis zu 1,00m hoch.

In der Brückenstraße stieg das Wasser in das Küchenfenster bei Familie Emil Heyer (Nr. 19, Familie Ohnesorge). Von der Bäckerei Kindervater (Goethestraße 18, Thomas Seebach) schwammen Brot und Brötchen mit dem Korb im Wasser. Bei Olga Zeng lief das Wasser durch das tiefgelegene Fenster in ihren Kolonialladen (Goethestraße 9).

Von einem sowjetischen Schwimmwagen aus besichtigten am Folgetag Mitglieder des Rats des Kreises Mühlhausen die Hochwasserschäden Goldner Ring und in den angrenzenden Straßen.

Erst im Jahre 1948 erfolgte auf dem Schulhof die Bachverlegung von der Südseite auf die Nordseite, da der Verlauf des Suthbachs bis zu diesem Zeitpunkt über den Schulhof führte.

Die Feuerwehr setzte in der Goethestraße ein Schlauchboot ein, um die Leute vom Unterdorf nach Hause zu bringen. Die Fahrt ging bis in die Kreuzstraße/Angerstraße Bäckerei Gottschalk. Hier konnten die wartenden Einwohner abgeholt werden. Durch die Gewalt des Wassers drehte sich das Boot und trieb in die Richtung Angerstraße bzw. Untere Kirchstraße. Eine Folge des Hochwassers war auch, dass der Strom abgestellt wurde. Die Bewohner der Rosengasse hatten den Eingang mit Holzleitern versperrt und mit Mist verdichtet. Dieser sollte als Damm dienen. Allerdings war dies vergeblich, denn die Wassermassen fanden immer einen Weg und rissen alles mit sich.

Als das Hochwasser abgezogen war, begann das große Aufräumen. Große Mengen an Unrat, Dreck, Geröll und Schlamm mussten von den Straßen und den Gehöften entfernt und weggefahren werden. Das Reinigen der Wohnungen, Möbel, Geräte, Höfe usw. erforderten viel Zeit. Die gottersche Bevölkerung hat sich hierbei gegenseitig geholfen, um die Schäden zu beseitigen. Tagelang pumpten die Feuerwehrleute mit Motor- und Handspritzen Gebäude, Keller und Höfe aus.

Auf den Feldern waren deutlich die Spuren zu sehen, die das Hochwasser angerichtet hatte. Die Bauern mussten nun in mühseliger Arbeit teilweise die Felder erneut bestellen, um wenigstens einen Teilertrag bei der Ernte zu erzielen. Auch die Verhandlungen mit der Deutschen Versicherungsanstalt (DVA) wegen der Hochwasserschäden waren nervenaufreibend und brauchten viel Zeit und Geduld.

Bereits vor 1947 lebten die Gotterschen mit Gefahr des Hochwassers, welches unregelmäßig, aber immer wieder unseren Ort heimsuchte. Leider gibt es hierzu keine alten Aufzeichnungen.

Nach dem Hochwasser 1947 folgten bis zum Jahr 1965 noch weitere Überschwemmungen. Hierüber berichte ich demnächst im Teil II.

Vielen Dank an Rolf Schneider für die Überlassung der Fotos!

Ingrid Baumgardt

Ortschronistin

Der Suthbach kommt vom Hainichwald

so sprudelnd hell geflossen,

nur wenn im Tal das Wetter tollt,

treibt er so seine Possen.

Dann werden seine Kräfte wach

und reißend braust durch`s Dorf der Bach.

Helmut Dennstedt, verst. 1976