Titel Logo
Amtsblatt der Stadt An der Schmücke
Ausgabe 3/2023
Aus unserer Stadt und den Gemeinden
Zurück zur vorigen Seite
Zurück zur ersten Seite der aktuellen Ausgabe

150 Jahre Zuckerfabrik Oldisleben

15. April 1873:

Vor 150 Jahren endete die erste Kampagne der Zuckerfabrik Oldisleben

Die Südzucker AG, Mannheim, hat im August 2021 die Zuckerfabrik Oldisleben auf die Stiftung Kulturgut Zuckerfabrik Oldisleben, Oldisleben, übertragen. Der Förderverein Kulturgut Zuckerfabrik Oldisleben wurde im November 2022 in Oldisleben gegründet. Stiftung und Förderverein werden sich in kommenden Ausgaben des Amtsblatts vorstellen. Das 150jährige Jubiläum der ersten Kampagne der Zuckerfabrik soll Anfang September 2023 festlich begangen werden.

Karl Nowizki, Direktor der Zuckerfabrik von 1952 bis 1986, berichtet über die Gründung und die erste Kampagne (mit (Anmerkungen) von Dr. Martin Bruhns, Förderverein Stiftung Kulturgut Zuckerfabrik Oldisleben):

„Die Gründung der Zuckerfabrik Oldisleben fiel in die Zeit des gerade geschaffenen Deutschen Reiches. Am 30. Januar 1872 wurde die Zuckerfabrik Oldisleben, eingetragene Genossenschaft mit unbeschränkter Haftpflicht, gegründet. In dem vorliegenden Statut heißt es: die Zuckerfabrik soll in der Flur Oldisleben an einem passenden Platz errichtet und so ausgerüstet werden, daß täglich mindestens Zweitausend Zentner Rüben (100 t pro Tag)* darin verarbeitet werden können.

Am 4. Februar 1872 wurde der Beschluß gefaßt, die Zuckerfabrik neben der bereits um 1835 erbauten Zuckersiederei in Oldisleben zu bauen. Die Gebäude und Einrichtungen sowie das Gelände der Zuckersiederei wurden an die Genossenschaft für 20.000 Taler (entspricht der heutigen Kaufkraft von 460000 €) von den Großgrundbesitzern Göhring und Dittmann verkauft.

Das Bau- und Ausrüstungskapitel wurde durch Zeichnungen von Geschäftsanteilen von je 500 Talern (entspricht der heutigen Kaufkraft von 11500 €) von 96 finanzkräftigen Großgrundbesitzern, Großbauern und Geschäftsleuten aufgebracht. Zwecks Sicherung der Produktionsgrundlage war jeder Genossenschafter verpflichtet, alljährlich auf jeden von ihm gezeichneten Geschäftsanteil eine Fläche von fünf Magdeburger Morgen (ca. 1,3 ha) mit Zuckerrüben zu bebauen und den Ertrag an die Zuckerfabrik abzuliefern.

Mit der Bauausführung wurde die Firma Haake aus Wallhausen und mit der Lieferung und dem Einbau der erforderlichen Maschinen und Apparate die Firma Röhrich & König aus Magdeburg beauftragt. Sie wurden zugleich verpflichtet, die Inbetriebnahme der Zuckerfabrik zum 1. Januar 1873 zu sichern. Der Termin wurde wegen Lieferschwierigkeiten und Verzögerungen im Bau- und Montageablauf nicht gehalten. Im Herbst 1872 waren zwischen Unstrut und dem Dorf Oldisleben das Rüben- und Siedehaus, denen sich der Filterturm und das Füllhaus (Gefäße für Kristallisation) anschlossen, gebaut.

Die erste Kampagne begann am 27. Februar und endete am 15. April 1873.

Während diesen 48 Kampagnetagen wurden 2.840 t Rüben mit einem Zuckergehalt von 12,15 % verarbeitet. Die Tagesverarbeitung lag bei 59 t Rüben. Erzeugt wurden 204 t Rohzucker, gleich 7,20 % Ausbeute auf Rüben. In der zweiten Kampagne, die am 30. September 1873 begann und am 11. März 1874 beendet wurde, verlief die Produktion wesentlich besser. Verarbeitet wurden 16.170 t Rüben mit einem Zuckergehalt von 12,10 %. Die Tagesverarbeitung lag bei 99 t Rüben. …

Die damalige Zuckerrübenverarbeitung war wenig mechanisiert und unter schweren Arbeitsbedingungen von den Kampagnekräften zu bewältigen. Nach dem Wiegen und der Prozentnahme (Probenahme der Rüben für Analyse) wurden die Rüben in der Rübenschwemme eingelagert. Von hier wurden die Rüben mit Transportkarren in eine Schwemmrinne gefahren und mittels Wasser dem Waschtrog zugeführt. Anschließend wurden die Rüben von Arbeitskräften von anhaftendem Schmutz und Blattresten nachgereinigt und in eine sogenannte Steuerwaage (für die Festsetzung der Rübensteuer als Abgaben) gebracht. Nach Zerkleinerung der Rüben wurden die Schnitzel mit Körben bzw. Schubkarren in die Diffusionsgefäße geschüttet. Die ausgepreßten Säfte wurden mit Kalk behandelt und anschließend über Knochenkohlefilter gereinigt. In Vakuumapparaten wurde der Saft verkocht und eingedickt. Die gesättigte Füllmasse wurde in Kästen abgefüllt und durch Abkühlen zur Kristallisation gebracht. In Schleudermaschinen wurde der Syrup vom Rohzucker getrennt. Der Rohzucker wurde mit Schaufeln in 100 kg Säcke gefüllt.“

Dieser Bericht ist mit einer Kürzung der von Karl Nowizki geschriebenen „Geschichtskurzfassung“ entnommen.