Liebe Mitmenschen!
„Als es aber Abend wurde, kam ein reicher Mann von Arimatäa mit Namen Josef, der selbst auch ein Jünger Jesu geworden war. Der ging zu Pilatus und bat um den Leichnam Jesu. Da befahl Pilatus, dass er ihm gegeben werde. Und Josesf nahm den Leichnam, wickelte ihn in ein reines Leinentuch und legte ihn in ein neues Grab, das er für sich in den Felsen hatte hauen lassen….“ Mt 27,1 ff
Wenn einer stirbt, gibt es immer auch einen letzten Dienst. Noch einmal dem Verstorbenen „etwas Gutes“ tun, ihm nochmals einen guten Dienst erweisen. Den Verstorbenen zu waschen. Ihm die Kleidung anzuziehen, die er sich gewünscht hat. Mit der Familie um ihn herum sein Lieblingslied singen.
Oft ist der letzte Dienst, den Sarg oder die Urne zum Grab zu tragen. Mittlerweile sind es im städtischen Bereich bestellte und bezahlte Sargträger. Aber da und dort hat sich die Tradition erhalten, dass Männer aus dem Dorf den Mitbewohner tragen und auch ins Grab lassen. Früher die Männer aus der Nachbarschaft oder die Schulkameraden. Bei Urnenbestattungen lässt sich das wieder öfter erleben, dass die Enkeltocher den Opa zum Grab tragen möchte oder auch ein Ehepartner den letzten Dienst an seiner Partnerin erweist. So bleibt der Verstorbene eingebunden in die Gemeinschaft, die ihm im Leben hoffentlich getragen hat und jetzt im Tode nicht verlässt.
Viele, die das schon mal gemacht haben, berichten davon, dass ihnen der letzte Dienst eine Hilfe auf dem Weg der Trauer war. Noch einmal für den Verstorbenen etwas tun, das kann hilfreich, sogar tröstlich ein. „Der Opa hat mich an der Hand gehalten, bei meinem ersten Schritt, jetzt trage ich ihn auf seinem letzten Gang“ sagt die Enkeltocher. Oder der Ehemann: „Wir sind solange gemeinsam durchs Leben gegangen, wie kann ich sie jetzt von einem anderen tragen lassen?“ Ein erster Schritt für einen guten Abschied. Der wird Menschen oft verwehrt, wenn es - aus nachvollziehbaren Gründen zwar- zu einer anonymen Beisetzung kommt. Selbst der begleitende Gang zum Grab mag eine Erleichterung sein, wenn es anschließend heißt, ohne den Verstorbenen in den Alltag zurückzukehren. Josef von Arimathäa übernimmt einen letzten Dienst. Er kümmert sich. Ein Toter braucht ein Grab. Jesus braucht ein Grab. Keine Ahnung, wo und wie und ob er sonst bestattet worden wäre.
Menschen brauchen einen Ort, an dem sie trauern können. Ans Grab gehen, täglich oder wöchentlich. Einfach erzählen, was der Tag so mit sich bringt, welche Entscheidungen anstehen und sagen, wie sehr der Verstorbene fehlt. „Wenn ich nicht mehr zu meiner Frau ans Grab kann, werde ich ja noch einsamer als ich eh schon bin“ hat ein Witwer mal erzählt, als ihn die Konfigruppe auf dem Friedhof getroffen hat. Die Toten bleiben doch Teil der Gemeinschaft, auch wenn wir sie gehen lassen. Sie zu verscharren ist würdelos. Josef von Arimathäa durchbricht die Entwürdigung, die Jesus in der Passion ausgesetzt war.
Verraten, verspottet, verhöhnt und verlacht- so steigert sich sein Fallen in die menschlichen Abgründe. Am Ende gefoltert und gequält und Pilatus wäscht seine Hände in Unschuld. Josef von Arimathäa gibt ihm Würde zurück. Kauft ein Leinentuch, wickelt ihn hinein und legt ihn in ein Grab. Würdevolle letzte Dienste. Über seine Motivation lässt sich nur spekulieren. So wie es zwischen den Zeilen anklingt, muss er mutig gewesen sein und auch in der Hoffnung gelebt haben, dass die Welt eine andere wird. Weil Gott kommt. Dann hat es ein Ende damit, dass Menschen entwürdigt werden. Nach dem Tode, erst recht aber solange sie leben. Josef von Arimathäa fängt damit an. Es scheint als habe er die Botschaft Jesus begriffen und beginnt am Reich Gottes zu bauen. Ähnlich wie beim barmherzigen Samariter ist das, was er macht, irgendwie nichts Außergewöhnliches. Es erscheint selbstverständlich. Man lässt keinen verletzt liegen. Man verscharrt keine Toten. Man nimmt Menschen nicht die Würde. Doch ist genau das Gegenteil für viele Alltag, und so wird das Handeln von Josef von Arimathäa zum Beispiel. Erstaunlicherweise ist es den Machthabern egal. Pilatus versichert sich beim Hauptmann darüber, wie lange Jesus schon tot ist. Er muss schon richtig tot sein, wenn er ihn aus der Hand gibt, damit er bestattet werden kann. Nicht auszudenken, wenn er nur „scheintot“ wäre und ins Leben zurückkehren würde. Also überlässt Pilatus den Leichnam und geht weiter seinen Amtsgeschäften nach.
Josef von Arimathäa gibt Jesus Leichnam einen Ort. Für Maria und Maria Magdalena ist das wichtig, Zum Grab werden sie sich am ersten Ostermorgen aufmachen. Um zu trauern und noch einmal dem Verstorbenen zu begegnen. Sie machen sich auf den Weg, um an ihm ihren letzten Dienst zu erweisen, der ihnen wichtig und wertvoll ist. Wie unzählige Trauernde sich an die Gräber ihre Liebsten aufmachen. Aber sie werden anders gehen wie sie gekommen sind. Gut, dass Josef von Arimathäa für Jesus gesorgt hat.
Ein gesegnetes Osterfest wünscht Ihnen
Pfarrerin Denise Scheel