Heiligenstadt war in diesem Jahr Gastgeber der zentralen Gedenkveranstaltung des Landes Thüringen zum Volksaufstand vom 17. Juni 1953 und zur Erinnerung an SED-Unrecht.
Gedenken am 17. Juni - Thüringen erinnert in Heilbad Heiligenstadt
Die zentrale Gedenkveranstaltung des Landes Thüringen zum Volksaufstand vom 17. Juni 1953 fand in diesem Jahr in Heilbad Heiligenstadt statt. Rund um das Einheitsdenkmal auf dem Friedensplatz versammelten sich am Vormittag zahlreiche Gäste aus Politik, Gesellschaft, Bildung und Kirchen, um der Opfer der SED-Diktatur zu gedenken.
Kranzniederlegung: Denkmal am Friedensplatz
Die Veranstaltung begann mit einer Kranzniederlegung am Einheitsdenkmal - an jenem Ort, an dem sich auch im Herbst 1989 in Heiligenstadt Protest gegen das DDR-Regime formierte. Die musikalische Begleitung durch Wolfgang Busse, Clara Thiele, Marcel Rose und Frederic Krieter setzte einen andächtigen Akzent.
Gedenkakt: Gemeindesaal der Kirchgemeinde St. Aegidien
Bürgermeister Thomas Spielmann begrüßte die Gäste anschließend im Pfarrsaal der St.-Aegidien-Gemeinde. In seiner Rede erinnerte er daran, dass der 17. Juni 1953 in der Bundesrepublik Deutschland nur wenige Wochen nach dem niedergeschlagenen Volksaufstand als „Symbol der deutschen Einheit in Freiheit“ zum gesetzlichen Feiertag erklärt wurde. „Wir haben Leid, Schmerz, Tod überwunden“, sagte Spielmann. „Aber wir können uns auch freuen, dass es nicht umsonst gewesen ist.“
Er warnte vor einer Verklärung der DDR-Vergangenheit: „Dieser Gedenktag ist heute wichtiger als je zuvor, denn manche Blicke ehemaliger DDR-Bürger zurück haben sich in den letzten Jahren verklärt.“ Demokratie sei kein Selbstläufer. „Sie braucht starke und laute Stimmen aus der Mitte unserer Gesellschaft.“
Landtagspräsident Thadäus König, selbst Heiligenstädter, erinnerte daran, dass sich Widerstand im Eichsfeld zur Zeit der DDR oft in stiller Form äußerte. Statt öffentlicher Proteste waren es bewusste Zeichen wie die Verweigerung der Jugendweihe oder die Teilnahme an kirchlichen Prozessionen und Wallfahrten, die Haltung zeigten. Manche dieser religiösen Traditionen wurden gerade in dieser Zeit bewusst gepflegt oder sogar neu belebt. Zwar blieben Massenproteste wie in anderen Teilen der DDR aus. Doch deren Folgen waren auch hier spürbar. Besonders ging König auf Richard Stumpf ein, der für eine andere Form des Widerstands stand: Am 18. Juni 1953 widersprach er in einer Betriebsversammlung öffentlich der Darstellung eines SED-Funktionärs. „Sie taten es, um ihre eigene Würde zu bewahren“, sagte König. „Sie taten es für ihre eigene Zukunft und die ihrer Kinder.“
Ministerpräsident Mario Voigt erinnerte an die Zwangsaussiedlungen der frühen 1950er-Jahre, von denen auch seine Familie betroffen war. Sein Urgroßvater wurde 1952 im Rahmen der Aktion „Ungeziefer“ aus dem Grenzgebiet vertrieben. Er habe, so Voigt, „auf einen Schlag alles verloren“. Diese Erfahrung präge bis heute das Bewusstsein für die Zerbrechlichkeit von Freiheit. „Freiheit stirbt nicht durch einen Schlag, sondern durch Nachlässigkeit“, sagte Voigt. Und: „Der 17. Juni hat sich in die Geschichte eingegraben als ein Mahnmal aus Mut und Hoffnung, aber eben auch aus Leid und Unterdrückung.“
Auch Dr. Peter Wurschi, Landesbeauftragter zur Aufarbeitung der SED-Diktatur, wandte sich gegen eine Gleichsetzung der DDR mit heutigen demokratischen Strukturen. „Wer sich heute in einem freien Staat als Widerständler inszeniert, pervertiert das Andenken an den 17. Juni.“
Die musikalische Gestaltung setzte sich im Pfarrsaal fort. Mit einem besonderen Lied aus dem Eichsfeld und Klängen des Jazz erinnerten die jungen Musiker auch an Richard Stumpf, der selbst Musiker war und eine große Leidenschaft für Jazz hatte.
Ein fester Bestandteil der Veranstaltung war auch ein Schulprojekt des Lingemann-Gymnasiums. Die Schülerinnen und Schüler hatten sich mit dem Lebensweg von Richard Stumpf beschäftigt und führten ein Interview mit Angehörigen. Die Ergebnisse werden in Kürze auch auf der Internetseite der Stadt Heilbad Heiligenstadt veröffentlicht.
Die zentrale Gedenkveranstaltung war eine gemeinsame Veranstaltung des Thüringer Landtags, der Thüringer Landesbeauftragten zur Aufarbeitung der SED-Diktatur und der Stadt Heilbad Heiligenstadt.