Autor Franz-Josef Wagner (re) mit Michael Doppel, Psychiatriekoordinator des Gesundheitsamt Ilm-Kreis (li), und Moderator Dirk Bennewitz (Mi) zur Lesung in der Psychosozialen Begegnungsstätte Arnstadt.
Psychische Erkrankungen nehmen seit Jahren spürbar zu - auch im Ilm-Kreis. Depressionen, Angststörungen, Belastungsreaktionen und andere seelische Leiden betreffen heute Menschen aller Altersgruppen, Berufe und Lebenslagen. Die steigenden Fallzahlen sind ein deutliches Signal: Seelische Gesundheit muss stärker in den Mittelpunkt unserer Gesellschaft rücken.
Anlässlich der Tage der seelischen Gesundheit beteiligte sich auch der Ilm-Kreis mit Veranstaltungen, um eine Umgebung zu schaffen, in der psychische Gesundheit kein Tabuthema mehr ist, sondern offen thematisiert wird. So wie zur Lesung mit Franz-Josef Wagner in Ilmenau und Arnstadt, der aus seinem eigenen Leben berichtete.
Immer wieder, über Jahre hinweg, wurde er in die Psychiatrie zwangseingewiesen, mit Diagnosen wie Manie, bipolare Störung, Schizophrenie. Heute ist er ein Mutmacher, engagiert sich in der Selbsthilfe und hat ein Buch geschrieben: Hinfallen - Aufstehen - Weitergehen, in dem er seinen Weg der Selbsthilfe als Selbstfindung beschreibt.
Schon vor dem Start der Lesung am 20. Oktober 2025 war klar: Das Interesse ist groß. Viele Gäste waren gekommen, um mehr über Franz-Josef Wagner zu erfahren. Betroffene, Vertreter von Krankenkassen und Selbsthilfegruppen, Interessierte. So viele, dass die Plätze kaum reichten und immer wieder neue Stühle herbeigetragen wurden.
Große Stille herrschte, als Franz-Josef Wagner aus seinem Leben berichtete. Sein Leidensweg beginnt Ende der Achtziger Jahre und ist gespickt mit Fehldiagnosen, Rückschlägen, dem Verlust von Familie und Arbeitsplatz. Offen und ehrlich spricht er über sein Leben, macht Hoffnung, wenn er erzählt, wie kompliziert es ist, sich ins Leben zurückzukämpfen.
Selbsthilfe hat ihm viel gegeben, das Miteinander mit anderen Betroffenen in der Tagesklinik. Immer wieder macht er deutlich, wie schwer es ist, zu einem alltäglichen Tagesablauf zurückzufinden, welche Hürden jeden Tag wieder zu überwinden sind, dass es sich lohnt, am Ball zu bleiben.
Kochen zum Beispiel ist eine große Herausforderung, die schon beim Besorgen der Zutaten beginnt, erzählt er und berichtet von einer Situation, als er im Supermarkt stand und auf seinem Zettel 750 g Reis standen, es aber nur Packungen mit 500 oder 1000 g gab. Sehr lange stand er vor dem Regal, bis er sich für die große Packung entschied. Nicken in der Runde, das sind Momente, die auch andere erlebt haben.
Lange gilt er als chronisch psychisch krank. Dennoch schafft er es, wieder auf die Beine zu kommen, fällt erneut und steht wieder auf. So geht das über Jahre. Aber der engagierte Selbsthilfe-Aktivist gewinnt kontinuierlich an Lebensqualität und sagt heute von sich: „Ich lebe jetzt 120 %.“
Franz-Josef Wagner hat nicht nur mit der Journalistin Cornelia Schäfer ein Buch geschrieben, um Mut zu machen. Seine Geschichte wurde auch gemeinsam mit den Erinnerungen zweier anderer Betroffener verfilmt und vor wenigen Tagen in Berlin uraufgeführt.
„Die Geschichte der Selbsthilfe in Deutschland ist auch eine Geschichte von prägenden Persönlichkeiten und Vorbildern. Franz-Josef Wagner, langjähriger Vorsitzender des Landesverbandes der Psychiatrie-Erfahrenen Rheinland-Pfalz und Mitbegründer der bundesweiten Selbsthilfeorganisation NetzG, gehört dazu“, macht Michael Doppel, Psychiatriekoordinator des Gesundheitsamtes im Ilm-Kreis deutlich, der die Veranstaltung organisiert hat.