Agathe-Fachberaterin Antje Hübel ist mit ihrem kleinen Elektroflitzer im Ilm-Kreis unterwegs.
Mit ihrem kleinen Elektromobil düst Antje Hübel durch den Ilm-Kreis. Sie ist als eine der vier Agathen bekannt. Agathe - das steht eigentlich für Agathe-Fachberaterin. Sie nimmt den zweiten Vornamen gelassen, schmunzelt kurz. Gemeinsam mit Doreen Klauder gehört sie zu den Aktiven der ersten Stunde des Projektes „Agathe - älter werden in der Gemeinschaft“. 2021 startete der Ilm-Kreis als einer der ersten in Thüringen in das innovative Vorhaben.
Antje Hübel unterstützt ältere Menschen in ihrer Häuslichkeit, ist oft die erste Ansprechpartnerin für eine ganze Liste von Problemen, die die Senioren schon länger mit sich herumtragen und oft nicht wissen, wie sie sie lösen sollen. Denn die Menschen sind vor allem eins: einsam, allein gelassen mit ihrem Alltag, der ihnen früher so leicht von der Hand ging und im Alter immer häufiger zur unüberwindlichen Hürde wird. Die Kinder wohnen häufig weit weg, ins Heim möchten die Senioren nicht. „Oft ist es ein Drahtseilakt“, Antje Hübel weiß, wovon sie spricht. Sie tut alles dafür, damit die Menschen ihren Lebensabend so lange wie möglich in ihrer gewohnten Umgebung verbringen können. Das klappt leider nicht immer.
Als Agathe-Fachberaterin hilft sie in fast allen Lebenslagen: Wenn es Formulare für Unterstützungsleistungen auszufüllen gilt, das Handy mal wieder nicht macht, was es soll, eine Haushalts- oder Einkaufshilfe gebraucht wird, eine Pflegestufe notwendig wird. Antje Hübel hat eine Aufgabe, die viel Fachwissen und vor allem Einfühlungsvermögen erfordert. „Jeder Tag ist anders, das macht es aber auch faszinierend“, sagt die 54-Jährige.
Seit November 2021 ist sie am Start und bringt Sonne in das Leben alter Menschen. Wenn sie an der Haustür ihrer Klienten klingelt, wird sie fast immer mit einem strahlenden Lächeln begrüßt. So auch heute in einem sanierten Wohnblock in Ilmenau. Hier wohnt ein freundliches Ehepaar, weit über die 80, das sich immer freut, wenn Antje Hübel vorbeischaut. Nicht nur, wenn es, so wie heute, um den Vorsorgeordner des Ehemanns geht. Der Ordner ist eine gute Sache, wenn es mal ernst wird, enthält er doch wichtige medizinische, finanzielle und Kontaktdaten von Angehörigen, Hinweise zum Anlegen einer Vorsorge-Vollmacht oder Betreuungsverfügung. Doch zuerst einmal will er befüllt werden. Ziemlich viel Papierkram, für den Antje Hübel jedoch genau das richtige Maß an Ruhe und Geduld mitbringt. Gemeinsam füllen sie die Formulare aus. Dann ist noch Zeit für ein kurzes Schwätzchen. Passt alles mit der Einkaufshilfe? Sind die medizinischen Hilfsmittel auf dem aktuellen Stand? Dann geht es weiter, denn die Agathe-Fachberaterin hat ein volles Tagesprogramm, das gut organisiert sein will. Teilweise fährt sie über 100 Kilometer an einem Tag. Mit Elektroauto will das gut geplant sein, vor allem, wenn es die Berge hoch- und runtergeht.
Heute stehen nach Ilmenau u. a. noch Besuche in Geschwenda, Manebach und Stützerbach an. In einem beschaulichen Örtchen im Geratal berät sie einen Mann, der seit einiger Zeit mit den Folgen eines Schlaganfalles zu kämpfen hat und im Alltag noch immer so beeinträchtigt ist, dass er Hilfe braucht. Gemeinsam sprechen sie den Besuch des medizinischen Dienstes durch, der bald ansteht, denn die Beantragung einer Pflegestufe steht an. Sie gehen die aktuellen Berichte von Haus- und Fachärzten durch, besprechen den ohne fremde Hilfe nur schwer zu bewältigenden Alltag. Sie gibt Hinweise, richtet das Augenmerk auf die kleinen Dinge. Schließlich kennt sie ihre Pappenheimer, weiß, wo der Schuh drückt. „Stimmt. Daran habe ich gar nicht gedacht.“ Der Mann lächelt schüchtern. Oft wollen die Menschen selbständiger wirken, als sie es sind. Was sich meist als Fehler erweist, denn dafür gibt es Abzug auf der Bewertungsliste.
Mit den Besuchen allein ist es nicht getan, die Beratungen müssen dokumentiert, Hilfsangebote abgefordert werden. Die Agathe-Fachberaterinnen sind vor allem eins: Mittlerinnen und Vertrauenspersonen, denen die alten Menschen gern ihr Herz ausschütten. Manchmal gibt es auch Tränen, wenn jemand das Gefühl hat, am Ende seines Lebens wenig erreicht zu haben, alles falsch gemacht zu haben. „Das ist auch für mich nicht leicht auszuhalten“, sagt Antje Hübel.
Zwischendurch klingelt das Telefon. Eine junge Frau ist dran, möchte für ihre Oma, eine betagte Dame, die bisher ganz gut allein in ihrem Alltag über die Runden kam, nun aber Unterstützung braucht, eine Haushaltshilfe. Antje Hübel ist gewappnet, blättert im Kalender, schlägt einen Beratungstermin vor. Und weiter geht es.
Tief im Thüringer Wald braucht eine Frau um die 70 Hilfe. Bei ihr steht ein wichtiger Krankenhausaufenthalt an. Doch sie macht sich Sorgen um ihre erwachsene Tochter, die nicht allein bleiben kann. Auch hier hilft Antje Hübel. Sie organisiert die Kurzzeitpflege für die Tochter, nimmt sich Zeit für die Sorgen der Mutter, ruft noch mal bei der Krankenkasse an, damit alles klappt. Bestärkt sie in ihrem Tun. Denn nichts wäre schlimmer, als wenn sie die Untersuchungen jetzt absagt. Das kostet Zeit, Geduld und Einfühlungsvermögen. Doch Antje Hübel liebt ihren Job. Anderen zu helfen, ist ihr ein Herzensanliegen, egal, wie lange es dauert. Das war schon so, als sie noch als Physiotherapeutin arbeitete. „Es ist erschreckend, wie oft die alten Leute mit ihren Problemen allein dastehen“, erzählt sie. Schon damals hat sie immer versucht zu unterstützen. Aber oft waren ihr die Hände gebunden. Schließlich agierte sie als Privatperson. Als sich die Möglichkeit ergab, im AGATHE-Fachprogramm mitzuarbeiten, das ältere Menschen unterstützt, die ihren Lebensabend gern in ihrer gewohnten Umgebung verbringen möchten, zögerte sie nicht lange. Sie hängte den Job als Physiotherapeutin an den Nagel und kümmert sich seitdem um die älteren Menschen im Süden des Landkreises.
Der letzte Besuch des Tages führt sie in einen anderen kleinen Ort. Kaum hat sie das Auto abgestellt, wird im Haus gegenüber schon das Fenster geöffnet. Die alte Dame wartet bereits, winkt, lächelt ihr zu. Auch, wenn das Treffen eher Anlass zur Sorge gibt. Denn heute geht es um einen Widerspruch. Ein höherer Pflegegrad wurde der alten Dame abgelehnt. Und das nach einem kurzen Telefongespräch, ohne Besuch vor Ort. Antje Hübel schüttelt nur den Kopf. Sie weiß um die Not der alten Frau, die sehr schlecht zu Fuß ist und nicht mehr selbst einkaufen kann, geschweige denn ohne Hilfe zum Arzt kommt. Treppen werden zur unüberwindlichen Hürde. Zwischendurch klingelt es an der Tür. Der Nachbarsjunge. Die Eltern haben das Kind vorgeschickt. Frau Hübel soll ihr Agathe-Mobil wegfahren, das schon von weitem als Hilfsmobil für alte Menschen zu erkennen ist. Sie steht nicht vor der Einfahrt, sie steht auch nicht im Parkverbot. Leute gibt’s. Antje Hübel schüttelt den Kopf. „Ich beeil mich“, sagt sie.
Akribisch bereiten die beiden den Widerspruch vor, sprechen alles durch. Den Brief wird Antje Hübel später in ihrem Büro vorbereiten und die finale Fassung noch einmal mit der Rentnerin abstimmen. Auf der Rückfahrt ins Landratsamt lässt sie alles noch einmal Revue passieren. Im Büro angekommen, setzt sie sich ans Telefon, drückt Knöpfe bei ihren Netzwerkpartnern, vermittelt Hilfsangebote. Bereitet den nächsten Tag vor. Wieder steht einiges auf dem Programm.
Kontakt:
Projektkoordinatorin „AGATHE - älter werden in der Gemeinschaft“
Christiane Herrmann, Beratungsfachkraft „Kommunales Senioren- und Pflegeinformationszentrum/Seniorenamt“, Tel: 03628/ 738 305, E-Mail: c.herrmann@ilm-kreis.de
AGATHE-Fachberaterinnen:
Antje Hübel ist per Telefon über 0151 67652721 und per E-Mail unter agathe-raum-nord@ilm-kreis.de zu erreichen.
Doreen Klauder hat die Telefonnummer 0175 9046822 und die E-Mail-Adresse agathe-raum-west@ilm-kreis.de.
Sabrina Haase übernimmt die Region Amt Wachsenburg und Arnstadt, Kontakt: 0175-2033413, E-Mail: s.haase-agathe-beraterin@ilm-kreis.de.
Simone Härtel ist für Stadtilm und die VG Riechheimer Berg zuständig, Kontakt: 0175-1453741, E-Mail: s.haertelt-agathe-beraterin@ilm-kreis.de.