Am 26.02.2023 findet ein Bürgerentscheid über die mögliche Abwahl des Hildburghäuser Bürgermeisters statt. Anlass, sich mit einem Blick in die Vergangenheit zu erinnern, was dabei im Wahllokal zu beachten ist - und warum.
Unser heutiges Wahlrecht geht in seinen Ursprüngen auf die Reichsgründungszeit zwischen 1867 (Wahl des verfassunggebenden Reichstags des Norddeutschen Bundes) und 1873 (neues Landtagswahlgesetz für Sachsen-Meiningen) zurück. Schon damals, 1867, wurde festgelegt, dass Wahlen in Deutschland als eine öffentliche Angelegenheit gelten und der Staat daher ein Interesse an ihrem korrekten Ablauf hat; deshalb gibt er seinen Bürgern Kontrollmöglichkeiten. Aus diesem Grunde dürfen Wahlberechtigte überprüfen, ob sie in den Wählerlisten stehen (das war dieses Mal vom 6. bis 10.2.2023 möglich). Ferner dürfen sie sich von Beginn der Wahl bis zum Ende der Auszählung in einem Wahllokal aufhalten, sofern Sie keine anderen Wähler beeinflussen oder randalieren. Schließlich sind Bürger berechtigt, während der Wahl vorkommende Rechtsverstöße binnen zwei Wochen bei der Rechtsaufsichtsbehörde zu melden; der Staat garantiert Ihnen deren Prüfung.
Funktionierte die Öffentlichkeit der Wahl von Beginn an gut, so war das mit der ebenfalls erklärten Geheimhaltung anders; die Urnengänge waren für viele Deutsche lange Zeit nicht geheim. Die Geheimhaltung wurde erst in mehreren Schritten durchgesetzt. Der wichtigste war die Einführung von Wahlkabinen 1903, deren Benutzung seit 1990 wieder Pflicht ist.
Ein weiterer wichtiger Schritt wurde unmittelbar vor dem Ersten Weltkrieg gegangen. Zwar galt schon zuvor der Grundsatz: Stimmzettel gehören in die Urne! Doch welche Urnen waren damit gemeint? Noch in den 1890ern riet der preußische Innenminister, keine Suppenterrinen oder Zigarrenetuis als Wahlurnen zu verwenden. Nach zahlreichen Experimenten und Einsendungen von Hobbybastlern wurde 1913 festgelegt, dass Wahlurnen so groß sein müssen, dass man sie umstoßen kann und nach dem Umstoßen nicht mehr erkennt, in welcher Reihenfolge die Stimmzettel hingelegt wurden.
Den tiefsten Einschnitt für das Wählen in Deutschland bedeutete die Gründung der Weimarer Republik. Neben dem Wahlrecht für Frauen und Sozialhilfeempfänger, der Verhältniswahl sowie der Bestimmung, dass Wahlen nur noch an arbeitsfreien Sonn- oder Feiertagen stattfinden dürfen, wurde auch der Australische Stimmzettel eingeführt. Noch bis 1919 hatte jeder Wähler seinen Stimmzettel selber anzufertigen oder ihn sich von einem Parteivertreter auszuhändigen. Das untergrub nicht nur das Wahlgeheimnis und sorgte für eine unerträgliche Papierverschwendung; regelmäßig mussten auch Urnengänge wegen Unklarheiten wiederholt werden. So wurde ein 1877 in Gera errungenes Landtagsmandat annulliert, weil die Mehrheit der Wähler für „Karl Brätter“ gestimmt hatte, „Karl Brätter“ aber nur ein Spitzname war. Der selten gebrauchte, aber offizielle Name dieses Herrn lautete Karl Goßler. Ähnlich erging es den Eisfelder Liberalen 1885. Sie ließen „Carl Recknagel, Eisfeld“ auf die von ihnen verteilten Stimmzettel drucken. „Carl Recknagel, Eisfeld“ erhielt auch die meisten Stimmzettel - allerdings war unklar, welcher der beiden in Eisfeld wohnhaften Carl Recknagels gemeint war. Mit der Reichstagswahl 1920 übernahm der Staat, wie zuvor schon in Australien üblich - daher der Name - den Druck der Stimmzettel. Erst seitdem gilt: Der Wähler erhält seinen Stimmzettel vom Wahlvorstand, kreuzt in der Wahlkabine seine gewünschte Option an, und wirft ihn anschließend in die Wahlurne.