Die Wirtschaft in Hildburghausen wurde über Jahrhunderte vor allem durch das Tuchmacher-Gewerbe geprägt, es galt bis weit in das 17. Jahrhundert sogar als Haupterwerbszweig unseres schönen Städtchens. Davon hat sich in der „Jetztzeit" zwar nur sehr wenig erhalten, aber wenn man genau hinschaut, kann man noch heute einige Spuren aus jener Zeit entdecken und besichtigen. Zum Beispiel den „Schafsteich“ nahe der Wiedersbacher Straße, in dem die Schafe vor der Schur gewaschen wurden. Oder das Gebäude der bereits 1395 erwähnten Walkmühle, die ab 1482 sogar einem Obermeister des Wollweberhandwerks gehörte und in der man die gewebten Tuche gewalkt und zu Loden verarbeitet hat. Auch der Name,Knappengasse‘ - ursprünglich für die heutige,Untere Braugasse‘ verwendet - rührt von den einst dort wohnenden Tuchknappen her, und als Trockenboden für die hergestellten Stoffe diente seit der Erbauung des Rathauses dessen oberer Boden. Über dem Durchgangsbogen des Rathauses prangt ganz links noch heute das Zunftwappen der Tuchmacher, und auch die eiserne Stadtelle am rechten Bogenpfeiler zeugt davon, dass man hier einst seine gekauften Stoffe abmessen konnte.
Eine kleine stadtgeschichtliche Sensation kam 1988 bei Abrissarbeiten am Hildburghäuser Salzmarkt zum Vorschein. Als die Bagger dort mit der Beseitigung alter, maroder Bausubstanz beschäftigt waren, legten sie auch die Reste eines sehr aufwändig verzierten Hauses frei, welches allem Anschein nach aus dem 14. Jahrhundert stammte. Zu beiden Seiten des zugemauerten gotischen Eingangsportal befanden sich Gesichter-Reliefs, während oben über dem Tor ein steinernes Wappen angebracht war, auf welchem eine sogenannte,Kardätsche‘ (ein mittelalterliches Werkzeug zum Kardieren von Wolle) dargestellt war. Vermutlich handelt es sich bei diesem bedeutenden Fund um das ehemalige Zunfthaus der Hildburghäuser Tuchmacher, ein Gebäude also, welches weniger mit der Herstellung der Tuche selbst zu tun hatte, sondern für Versammlungen, Festlichkeiten und andere repräsentative Veranstaltungen der reichen Zunftmeister diente.
Ein großer Teil der baulichen Überreste des Hauses wurde bei den erwähnten Abrissarbeiten leider zerstört, der Rest versank nach und nach in einen inzwischen Jahrzehnte währenden Dornröschenschlaf und wuchs immer mehr zu. Im November 2006 waren dort wieder Abrissarbeiten zugange, bei denen das links angrenzende Haus verschwand, und im August 2009 musste ein weiteres baufälliges Gebäude aus der unmittelbaren Nachbarschaft weichen.
Heute sind nur noch ein paar Mauern, das verzierte Eingangsportal des Tuchmacherhauses und die Fragmente eines verschütteten Gewölbekellers erhalten. Und genau diese inzwischen nicht mehr ganz so intakten historischen Relikte haben wir, der Verschönerungsverein Hildburghausen 3.0, gemeinsam mit vielen freiwilligen Helfern - an dieser Stelle ein großes Danke an alle, die dabei waren! - heute am 25.2.2023 aufgeräumt und wieder sichtbar gemacht. Natürlich kann diese Aufräumaktion nur ein Anfang sein, doch auch die Bewältigung eines Marathonlaufs beginnt schließlich damit, dass man den ersten Schritt macht - und diesen ersten Schritt haben wir heute gemeinsam gemacht! Weitere werden gewiss folgen.