Im Landratsamt in Saarlouis ist heute (Donnerstag, 20. Juli 2023) eine Charta der Plattform Demenz im Landkreis Saarlouis von Landrat Patrik Lauer, Vertreterinnen und Vertretern der 13 Kommunen im Landkreis, der Landesfachstelle Demenz sowie dem Demenz-Verein Saarlouis e.V. gezeichnet worden. Im Rahmen der Umsetzung des saarländischen Demenzplans hat das gerontopsychiatrische Netzwerk mit Schwerpunkt Demenz im Landkreis Saarlouis in Zusammenarbeit mit der Landesfachstelle Demenz Saarland diese Charta erarbeitet. Durch die Zeichnung der Charta für den Landkreis Saarlouis soll dieser zum ersten demenzaktiven Landkreis im Saarland weiterentwickelt werden.
Zuvor hatten im Großen Sitzungssaal mehrere Redner die Bedeutung dieses deutschlandweit bislang einmaligen Vorhabens betont, bei dem sich Kommunen und Netzwerkpartner dem übergeordneten Ziel verpflichten, sich in vielfältiger Weise für das Thema Demenz einzusetzen. Aktuell leiden etwa 5000 Menschen im Landkreis Saarlouis an Demenz. Es wird geschätzt, dass diese Zahl in der Zukunft ansteigt. Es sprachen der Saarlouiser Landrat Patrik Lauer, die Gesundheits-Staatssekretärin Bettina Altesleben, die Vorsitzende des Demenz-Vereins Saarlouis, Dagmar Heib, sowie der Leiter der Landesfachstelle Demenz, Andreas Sauder, und Erik Leiner, Koordinator des gerontopsychiatrischen Netzwerks mit Schwerpunkt Demenz im Landkreis Saarlouis.
Landrat Patrik Lauer sagte: „Ich freue mich sehr, dass die Unterzeichnung der Charta für Demenz über den Landkreis Saarlouis hinaus in der Öffentlichkeit mit so viel Aufmerksamkeit wahrgenommen wird. Unser Ziel ist es, eine Plattform für Betroffene und ihre Familien, Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sowie Praktikerinnen und Praktiker zur Verfügung zu stellen, auf der wir alle gemeinsam nach guten Zukunftslösungen suchen können. Der Anfang ist uns gelungen. Gemeinsam wollen wir nicht stehen bleiben, sondern weitergehen und neue Wege zu einer demenzfreundlichen Gesellschaft wagen.“ Die Vorsitzende des Demenz-Vereins Saarlouis, Dagmar Heib, fügte hinzu: „Durch die erfolgreiche Arbeit unseres Netzwerkes konnte dieses Dokument mit überregional modellhaftem Charakter auf den Weg gebracht werden, damit Menschen mit Demenz und ihre Angehörigen künftig auch in den Kommunen vor Ort frühzeitig erste Informationen erhalten und ihnen Beratung, Hilfen und Entlastung vermittelt werden können.“
Staatssekretärin Bettina Altesleben: „Im Saarland ist jeder Zehnte über 65jährige von Demenz betroffen. Demenz verändert das Leben grundlegend. Die Verbesserung der Lebenslage der an einer Demenz erkrankten Menschen sowie deren Angehöriger ist vor diesem Hintergrund von entscheidender Bedeutung. Mit der heutigen Unterzeichnung lebt der Landkreis Saarlouis und seine Kommunen die kommunale Daseinsvorsorge. Ich wünsche allen Beteiligten viel Erfolg.“
Das gerontopsychiatrische Netzwerk mit Schwerpunkt Demenz im Landkreis Saarlouis mit seiner Plattform Demenz wurde bereits 2010 auf Initiative des Landkreises gegründet und wird vom Demenz-Verein Saarlouis e.V. koordiniert. Von den inzwischen über 140 Netzwerkpartnern aus dem Landkreis, den 13 Kommunen, Einrichtungen, Verbänden, Diensten und engagierten Einzelpersonen hat sich ein großer Teil der Partner im Rahmen von freiwillig-rechtlichen Kooperationsvereinbarungen zu dem übergeordneten Ziel verpflichtet, für eine bestmöglichste Qualität in der Begleitung von Menschen mit Demenz und ihren Angehörigen im Landkreis Saarlouis zu sorgen.
Die Charta als Verpflichtung der 13 Städte und Gemeinden ist eng angelehnt an das Segment „Demenz und Kommune“ des saarländischen Demenzplans und an die Maßnahmen der nationalen Demenzstrategie im Bereich „Auf- und Ausbau von Strukturen zur gesellschaftlichen Teilhabe von Menschen mit Demenz an ihrem Lebensort“. So sollen in den Kommunen beispielsweise Demenz-Beauftragte als erste Ansprechpersonen und Koordinator*innen benannt werden. Es ist uns nicht bekannt, dass an anderer Stelle im Bundesgebiet eine solche Aktivität bereits entwickelt wurde, insofern hat das Vorhaben absoluten Modellcharakter.
Die Charta der Plattform Demenz im Landkreis Saarlouis wurde vom Landkreis Saarlouis, den 13 Kommunen im Landkreis, der Landesfachstelle Demenz sowie dem Demenz-Verein Saarlouis e.V. gezeichnet. Sie appelliert aber auch an die Wohlfahrtsverbände, ambulanten und (teil-)stationären Dienste, Kostenträger und politischen Gremien, Kirchengemeinden, Vereine und alle, die sich beruflich oder ehrenamtlich für Menschen mit Demenz und ihre Angehörigen einsetzen, sich im Rahmen konkreter Maßnahmen den Zielen der Charta zu verpflichten.
Nähere Informationen zur Umsetzung des saarländischen Demenzplans und zum Thema Demenz unter 06831/48818-0
Hintergrund:
Durch bessere Lebensumstände und medizinische Versorgung hat sich die Lebenserwartung in den letzten 100 Jahren nahezu verdoppelt. Dabei ist es normal, dass mit zunehmendem Alter die Leistungsfähigkeit des menschlichen Körpers langsam abnimmt. Leistungsstörungen des Gehirns (Demenzen), die über eine allgemeine Gedächtnisstörung hinausgehen, sind jedoch entgegen weit verbreiteter Auffassung keine natürliche Begleiterscheinung des Alters. Vielmehr können sie erste Anzeichen ernsthafter Erkrankungen wie der Alzheimer-Krankheit sein. Wissenschaftlichen Schätzungen zufolge leben in der Bundesrepublik Deutschland ca. 1,8 Mio. Demenzerkrankte. Im Saarland gibt es 23.600 Personen, die an Demenz erkrankt sind. Dies bedeutet auch, dass 9,3 % der saarländischen Bevölkerung über 65 Jahre an einer Demenz leiden (Bundesschnitt 8,8 %).
Von den Hauptpflegepersonen sind 83 % Frauen, die in den meisten Fällen mit dem Pflegebedürftigen in einem Haushalt leben. In der Regel sind dies Ehefrauen, Töchter oder Schwiegertöchter, die dem Pflegebedürftigen in 80 % der Fälle rund um die Uhr zur Verfügung stehen. Nicht umsonst spricht man bei pflegenden Angehörigen von Demenzkranken von einem sogenannten 36-StundenTag, denn pflegende Angehörige sind mit der Betreuung von Menschen, die aufgrund ihres Alters verwirrt und psychisch verändert sind, vor besonders schwierige Aufgaben gestellt.
Angehörige von Demenzerkrankten (z.B. Alzheimer) sind nicht nur den Belastungen ausgesetzt, wie man sie auch bei Angehörigen von Patienten mit schweren chronischen, körperlichen Erkrankungen findet, wie z.B.
: • Notwendigkeit ständiger Anwesenheit
• Fehlende Hoffnung auf Verbesserung
• Angst vor einer weiteren Verschlechterung
• Aufgabe eigener Bedürfnisse und Interessen
• Konflikte mit anderen Angehörigen, z.B. wegen zu geringer Unterstützung durch diese
Hinzu kommen vielmehr noch spezielle Probleme durch Desorientiertheit, Umkehr des Tag-Nacht-Rhythmus, Vergesslichkeit, Aggressivität und Wesensveränderung, die die Beziehung zwischen Betreuer und Betreutem zunehmend belasten und verändern, häufig die Zuneigung auslaugen.
Für die pflegenden Angehörigen bedeutet dies erhebliche Belastungen und Einschränkungen ideeller und materieller Art. Aus eigenen Untersuchungen wissen wir, dass die Hälfte der pflegenden Angehörigen unter behandlungsbedürftigen Depressionen leidet.