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Kahlaer Nachrichten
Ausgabe 1/2023
Aus der Geschichte Kahlas
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Richard Denner kontra Dr. Wilhelm Engel

Richard Denner (1867-1937)

Dieser Text ist ein Baustein für die von mir geplante Biografie über Richard Denner. Wer dazu Material oder Hinweise zur Verfügung stellen kann, ist gern gesehen.

An dieser Stelle habe ich schon einmal auf eine Kontroverse hingewiesen, die ein Mitglied des hiesigen Geschichtsvereins mit einem professionellen (Kunst-)Historiker ausgefochten hat. (Kahlaer Nachrichten, 17. 2, 3. und 17. 3. 2011.) Die Auseinandersetzung ging dabei vom Vereinsmitglied Dr. Heinrich Bergner aus, der zu diesem Zeitpunkt in Sachen Kunstgeschichte noch völlig unbekannt war, während auf der Gegenseite mit Prof. Paul Lehfeldt ein ausgewiesener Fachmann stand. Im vorliegenden Fall ist es umgekehrt.

Im „Sachsen-Altenburgischen vaterländischen Geschichts- und Hauskalender auf das Jahr 1933“ (S. 144-151) veröffentlichte Dr. Wilhelm Engel, Leiter des Thüringischen Staatsarchivs in Altenburg, einen Artikel mit dem unverfänglichen Titel „Das Wappen der Stadt Kahla“. Wie es sich für einen historisch ausgewiesenen Fachmann gehört, ordnete er das angekündigte Thema in eine ganze Reihe von Aspekten der Stadtgeschichte ein, die für das Thema relevant sind. So geht er auf die überlieferten städtischen Chroniken ein, behandelt die Frage nach der Zugehörigkeit Kahlas zum Herrschaftsbereich der Orlamünder Grafen und äußert sich zur Stadtgründung und zur Stadtpatronin. Diese das Thema umkreisenden Darlegungen verband der Staatsarchivar jedoch mit einer harschen Kritik an entsprechende Verlautbarungen des Kahlaer Geschichtsvereins.

Darauf antwortete Richard Denner in zwei Nummern der „Heimatklänge“ vom 8. Juli und 5. August 1933. Dabei handelt es sich um eine „heimatkundliche Beilage zum Kahlaer Tageblatt“, womit der Herausgeber der Zeitung, Max Beck, vor allem seinem Freund Richard Denner quasi eine unmittelbar und kontinuierlich erscheinende Publikationsmöglichkeit zur Verfügung stellte. Denners Antwort erschien mit der Überschrift „Die Geschichtsforschung unseres Vereins für Geschichte und Altertumskunde“. Sein kurzer Einstieg lautet, dass er als derzeitiger Herausgeber der „Mitteilungen“ des Vereins zur Abhandlung von Dr. Engel „einiges zu sagen habe“.

Worauf bezog sich die Kontroverse nun im Einzelnen?

Am Anfang steht der Vorwurf, Denner habe die „Kahlaische Chronika“ von Mattheaus Gundermann aus dem 16.Jahrhundert „zu Unrecht dem Jenaer Professor Kaspar Sagittarius zugeschrieben“. So zum Beispiel in den „Mitteilungen“ des Vereins, Bd. 8, S. 153. Das kann Denner eindeutig entkräften. Denn im gleichen Band, S. 148, hatte er die Quelle als „eine ‚Kahlische Chronik‘ von einem unbekannten Verfasser, aber ‚exzerpiert‘ durch Dr. theol. Kaspar Sagittarius“ gekennzeichnet. Ähnlich auf S. 237, wo es darüber hinaus heißt, dass der Verfasser „offenbar ein Theologe [sei], der in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts in Kahla gelebt und vermutlich dort um 15 30 geboren ist“. Wenn er an anderen Stellen gelegentlich von der „Chronika des Sagittar“ gesprochen habe, so Denner weiter, sei das ein verkürzter „Notbehelf“ gewesen, um dem Dokument, dessen Verfasser er bis dahin nicht kannte, „überhaupt einen Namen zu geben“. Nun sei er Dr. Engel dankbar, dass mit dem aus Kahla stammenden Pfarrer Mattaeus Gundermann der Verfasser ermittelt sei.

Ergänzend sei dazu gesagt: Engel hatte das Ergebnis seiner Recherche erst mit einer Notiz vom 25. August 1932 in das Werk von Sagittarius eingeklebt, das mehrere unabhängige Texte enthält. Das Dokument ist in der ThULB Jena, Sign.: Ms.Prof.f.136(2), vorhanden. Denner hatte es also offenbar früher eingesehen.

Nächster Kritikpunkt bei Engel: In den 1899 erschienenen „Urkunden zur Geschichte der Stadt Kahla“ habe ihr Autor, Heinrich Bergner, die Dokumente in einer Form präsentiert, „die dem wissenschaftlichen Ansprüchen einwandfreier Herausgabe nicht genügen“. Zudem würden „zahlreiche Lesefehler“ den Wert des Werkes erheblich mindern. Und die auf diesem „Urkundenbuch“ basierende, bis zur Reformation reichende „Geschichte Kahlas“ (1917) habe sich „von den Mängeln ihrer Grundlage nicht frei machen“ können. Dieser sehr allgemein gehaltenen Kritik an den beiden Büchern von Bergner hält Denner ebenso allgemein entgegen, dass die Mitglieder des Vereins dafür „kein Verständnis“ hätten. Darüber hinaus verweist Denner auf eine Besprechung des „Urkundenbuches“ durch Otto Dobenecker, Herausgeber des grundlegenden mittelalterlichen Urkundenwerkes Thüringens („Regesta diplomatica necnon espistolaria historiaeThuringiae) in der „Zeitschrift für thüringische Geschichte und Altertumskunde“ (Bd. 12, S. 228f.). Darin habe, so Denner, der aus Kahla stammende Nestor der thüringischen Geschichtsschreibung zwar auch einige unrichtige Daten und Lesefehler angemerkt, sei aber „unserem Bergner auf eine ganz andere Weise gerecht“ geworden. Bergner selbst hatte in seinem Vorwort zum „Urkundenbuch“ gehofft, „daß die strengeren Beurteiler von Urkundenbüchern dem durchaus unzünftigen Herausgeber mildernde Umstände nicht versagen“, aber man könne nicht darauf warten, „daß ein Fachmann sich der Geschichte eines kleinen Gemeinwesens erbarme“. Diese Hoffnung Bergners hatte sich im Hinblick auf den Altenburger Staatsarchivar also nicht erfüllt.

Dann kommt Dr. Engel auf zwei nachgelassene kurze Abhandlungen vom früheren Vorsitzenden des Kahlaer Geschichtsvereins, Karl Apetz, zum Wappen Kahlas (Mitteilungen, Bd. 8, 1. Heft, S. 18-26) zu sprechen. Auch diese befindet er als „methodisch verfehlt“ und mit „sinnentstellenden Lese- und Druckfehlern“ behaftet. - Hierzu äußert sich Denner nicht.

Danach steht Denner wieder selbst im Zentrum von Dr. Engels kritischem Rundumschlag. Er habe entgegen aller Erfahrung „neuerdings wieder versucht, die Gründung des Ortes Kahla auf die Zeit um 632, die Erbauung der Burg Kahla auf die Jahrzehnte zwischen 849 und 873 festzulegen und das Bestehen eines Pfarrgutes für die Mitte des 9. Jahrhunderts, die Ummauerung der Stadt für den Anfang des 10. Jahrhunderts anzusetzen“. Das bezieht sich hauptsächlich auf Denners Beitrag „Wann ist unser Kahla gegründet worden? Wann die Leuchtenburg?“ aus dem 2. Heft des 8. Bandes der „Mitteilungen“, S. 137-155. Laut Dr. Engel mache eine „sorgsame Überprüfung der urkundlichen Überlieferung die ganze Haltlosigkeit dieser Annahmen, die zum Teil bereits in den Arbeiten der Vereinsmitglieder Lommer und Bergner erscheinen, offenbar“. Vor allem den Vorwurf, er habe für die Gründung Kahlas eine Jahreszahl angegeben, weist Denner strikt zurück. In dem genannten Aufsatz habe er selbst festgestellt: „Wir sehen, auch die Chroniken und beachtliche wissenschaftliche Werke lassen uns im Stich. Bestimmte Zahlen oder bessere Anhaltspunkte für die Zeit der Entstehung unserer Stadt kennen auch sie nicht, ja in wichtigen Dingen stehen sie miteinander im Widerspruch.“ (Ebenda, S. 150.) Angesichts dieses Umstandes habe er bei allen von Dr. Engel bemängelten Angaben „zwar von Möglichkeiten, keineswegs aber von Tatsachen gesprochen“. Großen Raum nehmen Denners Erörterungen zu den die Gründung Kahlas betreffenden Urkunden es Klosters Fulda ein. Zunächst stellt er fest, dass ihm die von Engel vorgetragenen Zweifel an der Echtheit vieler überlieferter Urkunden ebenfalls bekannt seien. Dazu gehöre auch das Fuldaer Güterverzeichnis von 874, in dem unser „Calo“ genannt wird. Dass solche unsicheren Quellen trotzdem für die Geschichtsschreibung herangezogen werden müssen, sei aber unerlässlich. „Die Ansicht, Klosterschriften […], die ganz oder teilweise gefälscht auf uns gekommen sind, bei der Forschung auszuschalten, können wir nicht teilen, sie mutet wie ein Scherz an.“ So rigoros hatte das Dr. Engel allerdings nicht gefordert, sondern für ihre Nutzung zu „erhöhter Vorsicht“ geraten. Hinsichtlich des Fuldaer Güterverzeichnisses von 1860, in dem ebenfalls „Cale“ auftaucht, meint Denner, dass es durchaus tatsächliche Schenkungen an das Kloster aufliste, auch wenn die ursprünglichen originalen Schenkungsurkunden dazu fehlen. Demzufolge lesen wir in Denners Hauptwerk, das 1938 unter dem etwas verwirrenden Titel „Jahrbücher zur Geschichte der Stadt Kahla“ erschien, unter der Jahresangabe 860 ohne Vorbehalt: „Damit wird Kahla zum ersten Mal urkundlich erwähnt.“ Demgegenüber vermerkt er bei dem Verzeichnis von 874: „Die Urkunde gilt als gefälscht. Sie soll nachträglich von Fulda in seinem Zehntestreit mit dem Erzbistum Mainz [1067-1073] angefertigt worden sein.“

Die oben von Dr. Engel angeführten Sachverhalte zur Gründungsgeschichte Kahlas sind nach wie vor ungeklärt. Als sicher gilt heute nur die Ersterwähnung des Ortes in der späteren Abschrift der vom König Ludwig des Deutschen unterzeichneten Urkunde für das Klosters Fulda vom Jahre 876, die sowohl Denner als auch Engel irrtümlich noch mit 874 datiert und als Fälschung klassifiziert hatten. Auf das Jahr 876 bezieht Kahla seine Jubiläumsfeiern.

Fortsetzung folgt

Dr. Peer Kösling, Marktpforte 7, 07768 Kahla,

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