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Kahlaer Nachrichten
Ausgabe 13/2024
Aus der Geschichte Kahlas
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Gründung und Werdegang eines städtischen Museums für Kahla zu Beginn des 20. Jahrhunderts

Im Zuge meiner Recherchen zu einer Biografie über Richard Denner bin ich im Stadtarchiv am Rande auf Schriftstücke gestoßen, die sich um Errichtung und Werdegang eines städtischen Museums in Kahla drehen. (Akten: C 27, Nrn. 154, 195, 199; C 28, Nrn. 200, 201.) Das Projekt war natürlich eng mit dem 1862 gegründeten „Verein für Geschichte und Altertumskunde zu Kahla“ (siehe dazu mein Artikel in den „Kahlaer Nachrichten“ vom 17. 1. 2013) verbunden. Neben den Vorträgen in den Sitzungen und den Abhandlungen in den „Mitteilungen“ entfaltete der Verein auch eine rege Sammeltätigkeit von historischen Fundstücken und Zeugnissen aller Art. Diese Sammlungen waren bis zum Übergang des Steuer- und Rentamtes in private Hände 1876 im Hofturm dieses Gebäudes in der Roßstraße 32 untergebracht. Dann stellte der Pächter des Restaurants auf der Leuchtenburg, Carl Schau, vorübergehend auf der Burg eine Räumlichkeit zur Verfügung. Mit Umbau und Erweiterung des Rathauses von 1880/81 fanden sich dort auch zwei Räume für die Sammlungen. Am 17. Dezember 1901 teilte Bürgermeister Dr. Johann Köhler dem Vereinsvorsitzenden Prof. Dr. Siegfried Schaffner jun. mit, dass die vom Verein genutzten Räume nunmehr für den Ausbau der Stadtverwaltung benötigt würden. Er habe jedoch den Schulvorstand dazu bewegen können, dem Verein das Giebelzimmer in der alten Schule zur Verfügung zu stellen. Auf der Vereinssitzung vom 24. Januar 1902 wurde dieses Schreiben des Bürgermeisters vorgetragen. Beschlossen wurde zunächst lediglich, dass Richard Denner sich in seiner Funktion als Schriftführer des Vereins beim Bürgermeister für dessen Vermittlung bedanken solle. Am 19. April wurde Denner dann vom in Gumperda als Leiter der dortigen Lehr- und Erziehungsanstalt lebenden Vorsitzenden des Vereins beauftragt, den Umzug in die Wege zu leiten.

Die beengten Verhältnisse in dem Schulzimmer wurden für die ständig wachsende Sammlung von Anfang an als ein Provisorium angesehen. Die Suche nach einer besseren Räumlichkeit verdichteten sich dann zu der Idee, die bis dahin nur den Vereinsmitgliedern bekannten geschichtlichen Sachzeugen der Öffentlichkeit zugänglich zu machen, also ein städtisches Museum zu gründen. Die Idee äußerte der frühere langjährige Vorsitzende des Vereins und Orlamünder Bürgermeister Viktor Lommer auf der Vereinssitzung am 17. Oktober 1902. Vorab hatte Lommer bereits den Jenaer Kunsthistoriker Prof. Paul Weber konsultiert, der im Vorjahr das städtische Museum in der Universitätsstadt gegründet hatte. Lommer gegenüber hatte Weber sich bereiterklärt, das Kahlaer Projekt zu unterstützen. Denner wurde beauftragt, mit dem Jenaer Professor einen Termin zu vereinbaren, an dem dieser seine Erfahrungen und Ratschläge im Verein vortragen würde. Die Sitzung fand dann am 20. November 1902 im „Löwen“ am Markt statt. Die erwünschte Teilnahme von Persönlichkeiten außerhalb des Vereins war allerdings kläglich. Die Stadt war lediglich durch den Ratsherr Bäckermeister Ernst Koch vertreten, der seine Unterstützung des Vorhabens nur im eigenen Namen und nicht in dem der Stadt zum Ausdruck brachte. Von der ebenfalls eingeladenen Porzellan AG war niemand erschienen. Wenige Tage nach der Veranstaltung übersandte Weber mit einigen Änderungen sein Redemanuskript an Denner, der auf dieser Grundlage die „Hauptgedanken“ des Vortrages für den Abdruck in beiden Kahlaer Lokalblättern aufbereitete. Im „Kahlaer Tageblatt“ erschien der Text am 27. November 1902 unter der Überschrift „Die Errichtung eines städtischen Museums für Kahla“. In seinem Referat sprach Weber sich gegen den Abfluss heimischer historischer Zeugnisse in die Museen der großen Städte aus. Stattdessen sollte jeder Ort eine eigene ortsgeschichtliche Sammlung einrichten. In den thüringischen Städten Saalfeld, Pößneck, Jena, Weimar, Langensalza, Mühlhausen und Nordhausen sei das vor kurzem bereits erfolgt. Nachdem er ein breites Spektrum von zu sammelnden Zeugnissen der Stadtgeschichte dargelegt hatte, betonte Weber, dass es vor allem darauf ankomme, das zu sammeln, was für die Geschichte der jeweiligen Stadt von besonderer Bedeutung war oder noch ist. Für Kahla wies er nachdrücklich auf die Porzellanindustrie hin. Diese verdiene auch deshalb „sorgfältigste Pflege in einem Lokalmuseum, da das Interesse der Forschung und der Sammlung sich jetzt sehr eifrig der Geschichte des Thüringer Porzellans zuwendet“. Hinsichtlich der Kosten beruhigte Weber seine Zuhörer mit dem Hinweis, dass sie gering seien, wenn die Stadt die nötigen Räumlichkeiten zur Verfügung stelle. Und das sei deren Pflicht. Weiterhin plädierte der Professor dafür, das Museum für Einheimische kostenlos zugänglich zu machen und die Geschichte der Leuchtenburg in ein Kahlaer Museum einzubeziehen. Zusammenfassend betonte er: „Der Wert solcher Ortsmuseen für den Lokalpatriotismus, für die Belebung des Heimatgefühls, für die Erweckung des Kunstsinns und für die Neubelebung des Kunsthandwerks ist gar nicht zu bestreiten. Deshalb hat jede Stadtverwaltung die Pflicht, derartige Bestrebungen auf’s Nachdrücklichste zu fördern, ja sie zu ihrer eigenen Angelegenheit zu machen.“

Nach dieser öffentlichen Bekanntmachung des Projekts Ende des Jahres 1902 blieb es darum zunächst eine Weile ruhig. Den Grund dafür offenbarte der Vorsitzende des Vereins auf der Sitzung vom 16. Oktober 1903: Trotz intensiver Suche lasse sich in der Stadt kein geeigneter Raum für das Museum finden. Deshalb schlug er vor, das Museum in der Orlamünder Kemenate einzurichten. Dem widersprach Amtsrichter Dr. Kurt Frommelt. Er hielt die Kemenate allein schon wegen ihrer Entfernung von Kahla für ungeeignet. Demgegenüber fand in der Versammlung seine Idee Anklang, eine Räumlichkeit auf der Leuchtenburg zu suchen. Als eifrigste Burgbesucher des Vereins wurden Kaufmann Karl Kellner, Rechtsanwalt Emil Mehlhorn und Postmeister Ernst Kluge beauftragt, sich auf der Burg nach einer entsprechenden Unterkunft für das Museum umzuschauen. Auf der folgenden Sitzung vom 20. November 1903 konnte Mehlhorn mitteilen, dass auf der Burg „sehr passende Räume zur Aufnahme des städtischen Museums zur Verfügung“ stünden. Allerdings benötige man noch die Genehmigung durch das herzogliche Domäne-Fideikommiss als Eigentümer der Burg. Auf der Sitzung vom 11. Dezember 1903 konnte Schaffner mitteilen, dass der Herzog Räume in der ehemaligen Kaserne (Torhaus) auf der Burg zur Verfügung stelle. Am Gründonnerstag 1904 holte sich der Verein durch einen Besuch des Jenaer Museums noch einige Anregungen für die Gestaltung des eigenen Museums.

Doch dann stockte das Vorhaben abermals. In einem Schreiben vom 18. Mai 1904 teilte die herzogliche Domänenverwaltung mit, dass sie die Kosten für die Herrichtung der beiden heruntergekommenen Räume nicht wie vom Verein erbeten übernehmen werde. Der Vertreter der Domänenverwaltung hatte lediglich den Rat zur Hand, den Herzog direkt um einen Beitrag zu den Instandsetzungskosten zu bitten, was dieser sicher wohlwollend prüfen werde. Während Franz Lehmann, der in der Angelegenheit sehr aktiv war, Denner als Schriftführer darum bat, ein entsprechendes Gesuch an den Herzog aufzusetzen, lehnte dieser im Einvernehmen mit Prof. Schaffner ein solches Gesuch als „elende Bettelei“ ab. (Schaffner an Denner, 6. 6. 1904.) Schließlich bewilligte die Domänenverwaltung doch noch den kläglichen einmaligen Betrag von 100 Mark für die Renovierung der Räume. Dieser reichte gerademal, um die Wände der Räume mit frischer Farbe zu übertünchen. Dem stellte Denner in einer die übliche Sommerpause unterbrechenden außerordentlichen Sitzung vom 8. Juli 1904 eine Auflistung der tatsächlich zu erwartenden Kosten gegenüber. Diese beliefen sich zuzüglich erst später einberechneter Kosten für die Glasvitrinen und den Umzugstransport auf über 600 Mark. Schweren Herzens wurde auf der Sitzung beschlossen, die erheblichen Mehrkosten aus der Vereinskasse zu bestreiten. Ein finanzieller Beitrag der Stadt taucht in den Akten nicht auf. Mit der Vergabe der Arbeiten an die einzelnen Gewerke und deren Überwachung wurden Denner und der kurz darauf Kahla verlassende Archivar des Vereins, Assistent Zöllner, beauftragt.

An beteiligten Firmen werden in den Akten Rudolf Gannot (Margarethenstr. 21) für die Malerarbeiten und Hermann Berner (Fabrikstr. 6) für die Zimmererarbeiten erwähnt, von denen besonders die neue Dielung der Räume mit 225 Mark teuer zu Buche schlug. Die Tischlerei und das Möbelmagazin von Hermann Bergk (Roßstr. 16/17) lieferten die benötigten Glasvitrinen und einige Schränkchen. Als Fuhrunternehmen für den Umzug von der alten Schule auf die Burg, der auch die Bibliothek des Vereins umfasste, war das Fuhrunternehmen von Ernst Zwanziger im Gespräch, das im Adressbuch von 1905 jedoch nicht verzeichnet ist.

Da sich die Arbeiten bis in die kalte Jahreszeit hinzogen, wurde der Umzug auf das kommende Frühjahr verschoben und schließlich in der Woche vor dem Palmsonntag (Sonntag vor Ostern) 1905 vollzogen. Auf der Vereinssitzung vom 20. Oktober 1905 konstatierte der Vorsitzende, dass die Hauptsache getan, aber noch einige Arbeiten erforderlich seien, bevor man sagen könne, „daß alle Gegenstände den rechten Platz haben“. Und Franz Lehmann erklärte sich bereit, die Sache „mit Rat und Tat“ zum Abschluss zu bringen. Für den Eingang zum Museum steuert Prof. Schaffner schließlich noch eine auf die Burg bezogene Aufschrift bei: „Viele Jahrhunderte lang blickst stolz du zur Saale hernieder, schirme nun, was du erschaust, treu von Geschlecht zu Geschlecht.“

Im Zusammenhang mit der Einrichtung einer Jugendherberge auf der Burg im Jahre 1920 kündigte die noch bestehende Altenburger Gebietsregierung dem Verein die Räume im Torhaus. Daraufhin erklärte sich der Pächter der gastronomischen Einrichtungen auf der Burg, Karl Louis Georg Ohage, bereit, dem Verein zwei Räume in der oberen Etage des „Schlossgebäudes“ („Ritterhaus“) zur Verfügung zu stellen. Die damit verbundene unsichere Lage wurde stabiler, als die Stadt 1923 mit Ausnahme der Jugendherberge die Leuchtenburg pachtete.

Über Umfang und Inhalt dieses „städtischen Museums“ auf der Leuchtenburg gibt ein ohne Angabe des Erscheinungsjahres bei Beck in der Margarethenstraße 6 gedrucktes achtseitiges Heft Auskunft. Darin wird die Sammlung in Form eines fiktiven Rundgangs durch die zwei Räume sehr detailliert beschrieben. Die Entstehung dieser Schrift wurde bisher bereits mit dem Einzug der Sammlung in das Torhaus im Jahre 1905 verbunden. Sowohl die angedeutete Räumlichkeit als auch vor allem einzelne erwähnte Exponate weisen darauf hin, dass es sich um einen „Rundgang“ in den erst 1920 bezogenen Räumen handelt.

Doch mit dem Umzug auf die Leuchtenburg erfüllten sich nicht alle damit verbundenen Hoffnungen. Darauf deutet ein Vorgang von 1924 hin. Zu Beginn dieses Jahres vermachte der verstorbene letzte Nachkomme der Familie Beerbaum, Hermann Beerbaum, seine Hinterlassenschaft zu gleichen Teilen der evangelischen Kirchgemeinde und dem Geschichtsverein. Das betraf das Wohnhaus der Familie am Oberen Tor (Karl-Liebknecht-Platz) Nr. 2, den nordwestlichen Stadtmauerturm (Marterturm) und das dazwischen liegende Grundstück. In diesem Zusammenhang sprach Denner sich dafür aus, das Museum von der Burg in das Beerbaumsche Haus zu verlegen. Der Verein bedauere schon lange, „mit Museum und Bücherei auf die Burg angewiesen zu sein, wo beide zu keiner rechten Würdigung gelangen“. (Kahlaer Tageblatt, 5. 2. 1924.) Allerdings kam Denner mit dem Vorschlag nicht durch. Nach über ein Jahr andauernden Debatten stimmte eine knappe Mehrheit der anwesenden Mitglieder auf der Vereinssitzung vom 19. Mai 1925 dem Verkauf der geerbten Immobilienanteile an die Stadt zu. Die Kirchgemeinde verfuhr mit ihrem Anteil ebenso. Hauptsächliches Argument der Befürworter des Verkaufs waren die absehbaren Kosten sowohl für die vorgesehene Instandsetzung des Turmes als auch für die Herrichtung der Räume im Beerbaumschen Hause für das Museum. Also blieb die Sammlung auf der Leuchtenburg. Für die Bibliothek wurde allerdings ein Zimmer in der obersten Etage der neuen Schule (heutiges Gymnasium) gefunden.

Die Sammlungen des Geschichtsvereins bildeten dann 1954 den Grundstock für das neue Museum auf der Burg, das ab 1963 den Status eines Kreisheimatmuseums erhielt und viele Jahre von Kurt Haufschild geleitet wurde. Die heutige Stiftung Leuchtenburg betreut neben der internationalen Standard verkörpernden Ausstellung „Porzellanwelten“ auch weiterhin die alten heimatkundlichen Bestände.

Auf eine Frage, die nach der Lektüre dieses Textes vor allem bei jungen und neuen Mitbürgern und Mitbürgerinnen aufkommen könnte, sei noch kurz geantwortet. Weitgehend unabhängig von dem hier geschilderten Hergang zur Gründung und Entwicklung eines städtischen Museums durch den ehrwürdigen Kahlaer Geschichtsverein entstand das heutige Stadtmuseum in der Margarethenstraße. Es wurde 1979 unter maßgeblicher Initiative von Gerhard Engelmann und Heinz Berger als „Traditionskabinett des Kahlaer Porzellanwerkes und der revolutionären Arbeitergeschichte Kahlas“ (Volkswacht, 15. 2. 1982) gegründet und nach der Wende unter Regie der Stadt mit hohem Aufwand in das heutige baulich erweiterte und modernisierte Stadtmuseum umgestaltet.

Peer Kösling